INFECTED RAIN - Wir wollen Euch infizieren!


Ursprünglich wollte ich mir ja heute Blaine Cartwright und seine Band Nine Pound Hammer im nahe gelegen Sonic Ballroom anschauen, aber das Angebot Lena „Scissorhands“ von Infected Rain von Angesicht zu Angesicht zu interviewen war natürlich weitaus verlockender. Leider gab es ein paar zeitliche Verzögerungen, und Lena schaffte es in Begleitung von Angela Gossow erst wenige Minuten vor dem Auftritt vom Hotel in den Backstage Bereich des MTC. Derweil hatte ich schon nett mit den restlichen Musikern der Band aus Moldawien geplaudert, viele interessante Eigenheiten dieses kleinen Landes erfahren, und auch das eine oder andere Bierchen dankend angenommen. Eine sehr sympathische Truppe, mit der man sich locker unterhalten konnte. Dann gab es auch noch druckfrische Plecs als Geschenk dazu, toll! Um die Lady aber nicht weiter in Verzug zu bringen, kürzten wir die Interview-Fragen daher etwas ab. Spaß hat es natürlich trotzdem gemacht!

logoPistol: Hallo Lena! Ich bin Pistol von CROSSFIRE. Schön, Dich einmal persönlich zu treffen! Wann hat sich Infected Rain denn gegründet, und wer sind die aktuellen Mitglieder?

Lena: Hey, schön Dich zu treffen, Pistol! Also, wir haben uns 2008 in Moldawien gegründet. Unser Bassist ist Vova, wir haben zwei Gitarristen in der Band, Vidick und Seriy, ja, und einen Drummer, der heißt Eugene. Willst Du das alles wissen? (lacht herzlich) Und wir haben MICH!

Pistol: Wenn ich ehrlich bin, habe ich Infected Rain erst durch die vielen Fotos von Dir im Internet entdeckt. Erst dann habe ich mich mit eurer Musik befasst.

Lena:Ooh! (klingt erstaunt) Okay!

Pistol: Du modelst sehr viel, aber was macht den größeren Teil Deiner Arbeit aus: das Modeln oder die Musik?

Lena: Nun, ich habe meine ersten Modelshootings gemacht, da war ich neunzehn Jahre alt. Das war schon lange, bevor ich mit dem Singen angefangen habe. Es war nie auf einer professionellen Ebene. Es war eigentlich immer nur aus Spaß. Es war einfach so. Ich weiß gar nicht genau, wohl, um ein Künstler zu sein. Sagen wir mal so: Ich fühlte da eine andere Seite in mir, die ich aber unbedingt darstellen und zeigen wollte. Aber nachdem wir unsere erste Show gespielt haben, das beste Erlebnis, was ich in meinem Leben hatte, ja, da war natürlich die Musik an erster Stelle, und sie ist es immer noch!

Pistol: Wie kommst Du denn du deinem Spitznamen „Scissorhands“? Hat es etwas mit dem Film „Edward Scissorhands“ mit Johnny Depp zu tun?

Lena: Ja, definitiv basiert es auf dem Kinofilm, aber es ist auch ein Spitzname, den ich von meinen Freunden bekommen habe. Es ist kein Geheimnis, dass ich mal eine Maskenbildnerin war. Und am Ende meiner Ausbildung als Friseurin bekam ich dieses coole T-Shirt mit dem Namen „Lena Scissorhands“, na ja, was eben durch den Kinofilm gekommen ist. Das war schon lustig, und so entstand mein Spitzname, den ich in der Öffentlichkeit wohl mein Leben lang benutzen werde; lange, lange, bevor Infected Rain ins Leben gerufen wurde.

Pistol: Also so ungefähr wie mein Spitzname „Pistol“, den ich jetzt seit über 40 Jahren mit Stolz trage. Es kommt von den Sex Pistols.

Lena: Haha, ja echt?

Pistol: Hat sich die Ambition der Band verändert, wenn du mal an den Anfang zurückdenkst?

Lena: Ambitionen wechseln immer mit den Leuten, und natürlich verändern sie sich im Laufe der Jahre. Es verändert sich dadurch, was du vom Leben erwartest, was du den Leuten liefern willst, na ja, an welchem Punkt Deines Lebens Du Dich gerade befindest, ja sicherlich. Aber eine Sache steht für uns ganz klar fest: Wir wollen etwas geben, uns austauschen, verstehst Du? Wir wissen, da ist noch mehr, was wir zeigen wollen, was wir den Leuten geben wollen. Das wird sich auch nicht ändern, niemals! Auf der anderen Seite natürlich, also ich weiß nicht, aber es wäre doch blöd zu sagen, dass niemand sich verändert. Von einem Jahr ins nächste weißt Du doch nicht unbedingt, wo Du gerade bist, was Du sehen möchtest und was Du willst, richtig?

Pistol: Ja, da gebe ich Dir vollkommen Recht! Okay, wie weit würdest Du/Ihr für den Erfolg gehen? Und wo wäre die Grenze?

Lena: Ooh, das ist eine sehr vage Frage! Es kommt darauf an, ob Du damit mich als Frau meinst oder uns als ganze Band. Wo die Grenzen sind, ja, sagen wir mal so: Wir sind bereit, eine Menge für die Band zu tun, und wir haben schon viele Dinge getan, und wir haben auch keine Bedenken, noch mehr zu tun. Aber es gibt natürlich Grenzen, ja, definitiv! Es muss Grenzen geben! Andernfalls bist Du auf einmal jedermanns Freund, aber das will doch eigentlich keiner, verstehst Du? Dann ist nichts Mysteriöses mehr, was Dich umgibt. Wenn Du nicht so eine Art Barriere hast, ein wenig Distanz weißt Du? Ich denke, das ist nicht gut.

infected rainPistol: Ihr kommt aus Moldawien. Gibt es dort eine Metal-Szene? Hier in Deutschland wissen wir so gut wie gar nichts darüber.

Lena: Exakt! Wir haben eine Menge sehr talentierter Musiker, viele die deutlich jünger sind wir, aber auch viele in unserem Alter. Unglücklicherweise touren nicht viele unserer Bands außerhalb Moldawiens, ja, aber wir haben wirklich viele gute Musiker!

Pistol: Vor einiger Zeit hatte ich ein Interview mit Jinjer aus der Ukraine. Sie sagten, dort gibt es sehr nur wenige Auftrittsmöglichkeiten. Wie ist das in Moldawien?

Lena: Ja, aber die Ukraine ist deutlich größer. Moldawien ist so klein, dass wir lediglich einen einzigen Club in der Hauptstadt haben. Da ist nicht sonst. Wenn wir zu Hause spielen möchten, also eine Infected Rain-Show, dann müssen wir einen Veranstaltungsort mieten, und alles andere, Leute mieten, Technik mieten; einfach alles. Da ist nichts für so eine Art Veranstaltung.

Pistol: Ja, ich hatte schon mit deinen Bandkollegen gesprochen, sie sagten mir das auch.

Lena: Ja, leider ist es so.

Pistol: Im Internet habe ich gelesen, das Ihr eine DIY-Band („Do It Yourself") seid, die ihre CDs mit Hilfe eines You Tube-Channels publik gemacht hat. Ist das wirklich so? Und habt ihr mittlerweile ein Label?

Lena: Nein, wir sind weiterhin eine Independent Band. Wir haben uns aber nicht dazu entschieden, so zu sein. Es ist einfach so passiert, weißt Du? Aber wir sind natürlich sehr offen für alles. Es macht uns nichts aus mit anderen Bands, anderen Leute oder Firmen zusammen zu arbeiten. Aber bis jetzt haben wir alles schön selber gemacht. Wir haben kein Problem damit, hart für uns zu arbeiten.

Pistol: Ich bin ja ziemlich old school und bevorzuge physikalische Tonträger, am liebsten Vinyl. Können wir auch einmal auf ein Vinyl von Infected Rain hoffen?

Lena: Oh ja, definitiv auf jeden Fall! Ich bin selbst eine große Vinylsammlerin und kann es eigentlich kaum erwarten, unsere eigenen Platten auf Vinyl zu haben!

Pistol: Zur Zeit macht Ihr eine Tour durch Europa. Wie gefällt Dir das?

Lena: Oh, wir lieben Europa! Das ist das, was wir die ganze Zeit schon machen! Wir touren schon jahrelang durch Europa. Verschiedene Länder natürlich, verschiede Städte. Wir waren zum Beispiel noch nie hier, und es ist superschön für mich zu entdecken, wie groß und schön diese Stadt (Köln) ist. Wir waren natürlich vorher schon in Deutschland, aber Du kannst eben nicht alles kennen. Aber Du lernst, weißt Du, je länger Du lebst, umso mehr lernst Du. Ja, wir lieben das Touren, und wir lieben Europa; auf jeden Fall!

Pistol: Warum sollten sich die Leute eine Infected Rain-Liveshow ansehen?

Lena: (wie aus der Pistole geschossen) Weil sie infiziert werden müssen! (klatscht in die Hände) Weil sie es vermisst haben, infiziert zu werden! Das ist sicher! Und wenn wir sie infiziert haben, werden sie letztlich ihre Augen öffnen.

Pistol: Wer schreibt denn eigentlich die Songs, also Texte und Kompositionen?

Lena: Also, ich schreibe die Texte für alle Songs, und meine Jungs komponieren die Musik dazu. Sie machen das zusammen, manchmal auch nur einer von ihnen, aber auch alle zusammen. Das ist der Vorteil einer Band, und wir bringen das sehr gut zustande.

infected rainPistol: Okay, dann verrate mir doch mal, welche Art von Location Du bevorzugst: die kleinen Venues mit direktem Kontakt zum Publikum wie hier heute Abend oder lieber die großen Bühne auf Festivals oder Stadien?

Lena: Nein, Du kannst mich nicht vor die Wahl stellen! Bitte stelle mich nicht vor eine Entscheidung zugunsten einer Option! Das ist wie die Entscheidung für eine salzige Speise oder ein süßes Dessert. Stelle mich bitte nicht vor die Wahl! Manchmal liebst Du das Eine und manchmal das Andere. Beides hat etwas Großartiges!

Pistol: Ja, ich frage deshalb, weil viele Musiker den näheren Kontakt zum Publikum bevorzugen, nicht ewig weit weg auf einer großen Bühne.

Lena: Exakt! Das ist natürlich eine sehr intime Atmosphäre. Ich kann ihnen in die Augen sehen, ich kann sie berühren, Wirklich sehr intim sicherlich. Es ist dafür eben keine Gelegenheit, ein großes Publikum zu haben. Auf der anderen Seite haben Festivals natürlich auch etwas wundervolles, weil so viele Menschen Dich zur gleichen Zeit sehen können. Das ist wie ein Urlaub für Musiker und Metalheads gleichermaßen. Weißt Du, wir sind alle Musiker, wir sind alle Metalheads. Sehr oft bist Du mitten in  der Natur. Es ist einfach eine coole Stimmung und ein tolles Gefühl.

Pistol: Einige Veranstalter haben seltsame Ideen, wenn sie sehen, dass eine Frau in der Band ist. Hast Du jemals schlechte Erfahrungen damit gemacht oder sogar dubiose Angebote erhalten?

Lena: (lässt mich kaum ausreden) Ich habe definitiv schlechte Erfahrungen damit gemacht, aber normalerweise kann ich da sehr gut mit umgehen, so wie das hier, verstehst Du? (Lena macht eine unmissverständliche Handbewegung) Heutzutage haben sogar teilweise Männer dieses Problem!

Pistol: Jetzt eine meiner Lieblingsfragen: Gibt es irgendeine Frage, die Du gerne beantworten würdest, aber kein Journalist hat Dich jemals danach gefragt? Und wie wäre Deine Antwort? Ich sprach schon mit sehr vielen verschiedenen Musikern darüber, und die Antworten waren immer sehr interessant.

Lena: Ähm, ja, ich werde sehr selten gefragt, was ich am liebsten tue. Was mich glücklich macht, zum Beispiel. Das werde ich wirklich absolut selten gefragt! Ich weiß nicht warum. Klar, Musik macht mich glücklich, sicher, aber hör mal, wir sind doch alles Menschen, und es gibt ja noch andere Dinge, die wir tun, außer Musik. Also, ich meine, mal abgesehen von dem Teil meines Lebens, den ich öffentlich teile, fragt mich wirklich niemand danach. Das wäre diese Frage, ja, das fragt nie jemand.

infected rainPistol: Ich hatte diese Frage an Lee Aaron gestellt, und sie fand es schade, dass sie nie nach ihrer politischen Meinung oder Weltanschauung gefragt wird.

Lena: Nein, frag mich nichts über Politik oder Religion! Ich mag es nicht, darüber zu sprechen! Jeder hat da seine eigene Meinung, und das ist nichts, worüber ich diskutieren möchte! (Nein, das wollen wir auch nicht – Anm. des Verfassers)

Pistol: Gut, Lena! Ich bedanke mich, dass Du mir etwas Zeit geschenkt hast! Magst Du noch ein paar Worte an unsere Leser und die Fans richten?

Lena: Na klar! Geht weiter zu den Shows und bleibt nicht zu Hause sitzen! Es gibt keine besseren Emotionen als die, die man auf einer Liveshow bekommen kann. Und unterstützt die lokalen Bands, unterstützt die Bands, die ihr liebt! Das gebe ich Euch mit. Vielen Dank für das Interview! 

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Autor: Pistol Schmidt