VAN HALEN - 5150
Label: | WARNER BROS. |
Jahr: | 1986 |
Running Time: | 43:14 |
Kategorie: |
Classics |
Kommerziell hatten Van Halen im Jahre 1984, mit ihrem gleichnamigen Album "1984", einen bisherigen kommerziellen Höhepunkt erreicht. Platz 2 in den Billboard-Album-Charts (dass man sich damals Michael Jackson mit "Thriller" geschlagen geben musste, war ja durchaus verschmerzbar, hatte Eddie Van Halen doch zum Hit „Beat It“, ein legendäres Solo beigesteuert) war klares Signal und mit der Single „Jump“, wohl einer der prägnantesten Synthesizer-Hooks ever, schuf man immerhin einen Evergreen und Nummer-1-Hit. Allerdings nahmen die Spannungen innerhalb der Band derartige Ausmaße an, dass der ohnehin schon auf dezenten Solo-Pfaden weilende Frontmann David Lee Roth und Van Halen, mitten in der Tour zum Album getrennte Wege gingen. Guter Rat war nun teuer, denn auch wenn Mister Roth wohl schon ein wenig unter klassischer "Lead Singer Disease" litt, der Frontmann machte bei den Amerikanern schon einen erheblichen Teil des Charmes der Band aus. Nach langem Ringen fand man dann doch endlich Ersatz im ehemaligen Montrose-Sänger Sammy Hagar. Und selten ist - zumindest meiner Meinung nach abgesehen von AC/DC mit Brian Johnson, ein Leadsänger-Wechsel so gut geglückt, wie im Falle von Van Halen, die fortan auch gerne einmal scherzhaft den Namen Van Hagar verpasst bekamen. Denn abgesehen davon, dass Sammy Hagar eine grandiose, wenn auch ziemlich andere Stimme hatte, konnte der Gute nämlich live bei Bedarf sogar die Rhythmus-Gitarre übernehmen. Und aus diesen guten Voraussetzungen machte die Band dann das Beste, nämlich einen Megaerfolg: "5150" hieß das erste gemeinsame Album, was 1986 auf die Welt losgelassen wurde. Benannt wurde es einerseits nach Eddie Van Valens Studio und andererseits nach einem kalifornischen Ermittlungsbehördencode für eine geistig gestörte Person. Ob das Album-Cover mit dem Atlas-Verschnitt symbolisch auch ein wenig für den auf der Band lastenden Druck stehen sollte? Gut möglich, aber man strafte zumindest erfolgstechnisch alle Kritiker lüge, denn das Album ging direkt auf Platz 1 der Billboard-Album-Charts und konnte seit Erscheinen allein in den USA über sechs Millionen Exemplare verkaufen. Auch wenn die Kritiken damals durchaus durchwachsen waren, die Fans liebten es offenbar.
Und das ist meiner bescheidenen Meinung nach auch vollkommen berechtigt, denn, ja, Van Halen Mark 2 klangen definitiv anders als zu David Lee Roth-Zeiten, doch sie klangen und klingen auch heute immer noch gut. Auffällig ist, dass noch stärker als auf "1984", mit Synthesizern gearbeitet wurde und die Gitarre nicht mehr so stark im Vordergrund stand. Man muss fairerweise dazu sagen, dass zu dieser Zeit auch im Metal dieser Trend nicht aufzuhalten war, Alben wie Judas Priest´s "Turbo Lover" oder Iron Maiden´s Klassiker "Somewhere In Time", seien exemplarisch genannt. Selten fand ich den allerdings im Hard Rock-Bereich so gut und konsequent umgesetzt wie bei "5150". Dabei ist das Album in seiner knappen dreiviertel Stunde Spielzeit (LP-Länge eben) ein abwechslungsreiches Stück Musik, wo eher klassische Rocker wie der Opener „Good Enough“, „Get Up“ oder „Best Of Both Worlds“, sich noch in den typischeren Gefilden von Van halen bewegen. Diese treffen gleichzeitig auf extrem Synthesizer-geschwängerte Midtempo-Balladen wie „Why Can't This Be Love“, „Dreams“, „Summer Nights“ oder „Love Walks In“. Dabei handelt es sich samt und sonders um extrem radiotaugliche Kracher, die nicht ohne Grund als Single endeten. Dank dem prominenten Synthesizer-Einsatz kommt der Balladen-Charakter dabei sogar weniger zur Geltung, denn seien wir ehrlich, die Truppe kannte man bis dato eigentlich nicht für Ihre Balladen. Wenn das aber so gut umgesetzt wird, wie hier, dann kann man den kommerziellen Erfolg gut verstehen. Der Titeltrack „5150“ rockt kurz vor Ende des Albums nochmals mit ein bisschen Synthesizer-Unterstützung, während das Album dann mit dem etwas schrägen „Inside“ endet. Da Letzteres aber wohl auch im Zusammenhang mit dem doppeldeutigen Album-Titel zu sehen ist, macht das sogar Sinn. Produziert wurde "5150“ neben Donn Landee, unter Mithilfe von Foreigner´s Mick Jones.
Die Produktion ist durch die Bank tadellos und vielleicht ist es tatsächlich auch Letztgenanntem zu verdanken, dass das Album neben dem klaren Hard Rock-Background, eine deutliche Schlagseite, in Richtung Pop und AOR hat. Man könnte auch sagen, brutal kommerziell ausgerichtet ist. Das steht der Formation auf "5150" aber eben gleichzeitig grandios und zumindest im Jahr 1986 war Radiotauglichkeit in den USA, auch nicht unbedingt als Schimpfwort zu sehen. Inhaltlich drehen sich die Songs auf "5150", deutlich mehr um Liebe als solche und es sind viele nicht immer auf den ersten Blick erkennbare Balladen an Bord. Auch ist der leicht humorige Unterton, den David Lee Roth gerne einbrachte, quasi weggefegt. Man könnte fast sagen, dass Sammy Hagar bei der Band eine erwachsenere Note einbrachte. Sinngemäß sagte David Lee Roth vor ein paar Jahren etwas Vergleichbares und meinte, dass die Band mit ihrem wilden, gefährlichen Rock 'n' Roll spielte und mit Sammy Hagar sich stattdessen, an Bausparer mit Traum von Familie und Eigenheim wandte. Ob man das so flapsig ausdrücken muss, mag dahingestellt sein. Zweifelslohne war die Musik von Van halen vor "5150", deutlich mehr von den Verführungskünsten und - Wünschen geschwängert, vielleicht deutlich adoleszenter als erwachsen. Wenn das Ergebnis des Erwachsenwerdens und gegebenenfalls Bausparens allerdings solch ein grandioses Album ist, dann hat man im Leben offenbar einiges richtig gemacht. Unterm Strich betrachtet bleibt "5150" daher für mich auch nach über dreißig Jahren, noch ein richtig starkes Album, welches ich immer wieder gerne rauskrame, tatsächlich weiterhin gerne höre und auch von allen Van halen-Alben am liebsten mag. Und das kann man wohl nicht über jedes Album sagen, welches man schon als Kind geliebt hat.
Note: 9 von 10 Punkten
Autor: Carsten Smolinsky