CARPATHIAN FOREST - Der Gestank des Todes und mehr Rock´n´Roll


Völlig überraschend erschien nun nach zwölfjähriger Pause eine neue 7” EP der norwegischen Black Metaller Carpathian Forest, „Likeim”, die die Wartezeit auf das nächste Album etwas verkürzt und einen kleinen Vorgeschmack bietet, was uns im Dezember erwartet. Noch überraschter war ich, dass ich nach einem Interview mit Meister Nattefrost, der übrigens mit bürgerlichem Namen Roger Rasmussen heißt, gefragt wurde, der mich sogar höchstpersönlich aus Norwegen zu Hause anrief. Er antwortete kurz und knapp, ließ aber keine Fragen offen und lachte hin und wieder sogar. Der böse Black Metaller entpuppte sich durchaus als humorvolles Kerlchen. Aber lest selbst:

logoDaniel: HELL-ö Nattefrost! Lass uns mal ganz vorne anfangen: Weißt Du noch, warum Ihr Enthrone 1992 in Carpathian Forest umbenannt hattet? 

Nattefrost: Nein. (Es folgt eine lange Pause) Haha! Nein, ehrlich, keine Ahnung. Das ist zu lange her, um 1991 herum, als wir gerade erst siebzehn Jahre alt waren. Ich denke, wir wollten uns einfach nur weiterentwickeln.

Daniel: Hattet Ihr in der Anfangsphase eigentlich noch Enthrone-Songs übernommen?

Nattefrost: Nein, es gab nur ein paar einzelne Riffs, die wir noch verwendet hatten. Enthrone war ja nur die Vorgänger-Band von Carpathian Forest.

Daniel: Ihr habt während der großen Ära des norwegischen Black Metal angefangen, als es die ganzen Kirchenbrände und Morde gab. Hattet Ihr damals direkten Kontakt zu Bands aus der Szene?   

Nattefrost: Na ja, damals wurde Black Metal dadurch sehr populär, und jeder wollte Black Metal machen. Kontakt hatte ich eigentlich nur zu Mayhem und Euronymous. Aber ich lebe auf dem Land, nicht in Bergen oder Oslo. Die meisten von ihnen hatte ich mal getroffen, als Morbid Angel 1991 in Oslo gespielt hatten. Aber das war´s auch schon.

Daniel: Eure Musik erinnert mich stark an ganz frühe Bathory, Ihr habt aber auch eine sehr punkige Seite. Welche Bands haben Euch hauptsächlich beeinflusst? 

Nattefrost: Hauptsächlich Venom, Celtic Forst und Bathory, denke ich. Ich mag auch noch die späteren Celtic Frost-Sachen. Ich mag sogar „Cold Lake“, haha! Die meisten Leute hassen dieses Album, aber ich finde, das ist keine Schande, haha!

Daniel: Ihr habt gerade eine7” EP veröffentlicht: „Likeim”. Die A-Seite ist ein typischer Carpathian Forest-Song, die B-Seite ein Cover von Turbonegro, „All My Friends Are Dead“. Auch der klingt mit Deinem Gesang wie ein typischer Carpathian Forest-Song. Sind Turbonegro einer Eurer Haupteinflüsse, wenn es um Eure punkige Seite geht?   

Nattefrost: Nein, das war eigentlich als Statement an meine Freunde für unsere Rundum-Erneuerung von Carpathian Forest gedacht. Wir nahmen neben „Likeim“ noch viele andere Songs auf, aber wir haben uns dann für Turbonegro entschieden. Wir wollten den Leuten zeigen, dass wir immer noch da sind.

Daniel: Was bedeutet der Titel „Leikim” eigentlich?

Nattefrost: „Leikim“ bedeutet „Leichengeruch“. Wenn Du eine Leiche im Wald entdeckst, bemerkst Du den Gestank des Todes sofort. Es handelt von einem Selbstmord an einem Wasserfall in Norwegen. Du ziehst Deine Schuhe aus, isst Deine letzte Mahlzeit usw.

Daniel: Lass uns mal kurz bei Deinen Texten bleiben, die ja generell sehr sarkastisch sind („Fuck You All“ oder auch „Sluts Of Hell“ von einem Deiner Solo-Alben usw.). Wie wichtig sind Dir die Texte? Oder sollen sie einfach nur plakativ sein? 

Nattefrost: Ja, das stimmt. Sie sind schon irgendwie sarkastisch. Da gibt es viel schwarzen Humor. Es geht immer auf und ab. Alles verändert sich. Hauptsächlich geht es  um alltägliche Dinge, die aufs Korn genommen werden.

Daniel: Nach Eurer ersten Mini-LP „Through Chasm, Caves And Titan Woods” ist die Atmosphäre mit den Akustikgitarren und Flüsterlauten verschwunden, und die Musik wurde viel angepisster und aggressiver. Was waren damals die Gründe dafür?  

Nattefrost: Ja, das hatte mit den zwei neuen Band-Mitgliedern zu tun, die damals dazukamen, Tchort und Kobro. Wir verließen die Wälder und zogen in die Berge. Sie haben der Musik ihren Stempel aufgedrückt.

carpathian forestDaniel: Seit Eurem letzten Album „Fuck You All!!!! Caput Tuum In Ano Est” aus dem Jahr 2006 sind ganze zwölf Jahre ins Land gezogen! Warum? Was war da bei Euch los? Und haben Carpathian Forest überhaupt noch existiert?  

Nattefrost: Ja, in der Zeit ist viel passiert. Wir sind erst seit kurzem wieder aktiv. Die anderen Mitglieder haben sich lieber anderen Dingen gewidmet. Es fühlte sich nicht richtig an, mit diesen Leuten Carpathian Forest weiterzuführen. Deshalb habe ich vor drei Jahren angefangen, nach neuen Leuten zu suchen. Wir wollen wieder eine Mischung aus Black Metal und Rock´n´Roll spielen.

Daniel: Es gab von Dir auch keine Nebenprojekte in dieser Zeit. Was zur Hölle hast Du in den letzten zwölf Jahren getrieben?

Nattefrost: Oh ja, vor zehn Jahren war ich drogenabhängig und habe eine Entziehungskur gemacht. Später bin ich noch Familienvater geworden und wieder aus Oslo weggezogen. Das war alles sehr wichtig für meine Gesundheit. 

Daniel: 2017 hast Du die komplette Hintermannschaft von Carpathian Forest ausgetauscht. Warum hat die alte Besetzung nicht mehr gepasst? 

Nattefrost: Wir hatten uns auseinander gelebt. Jeder wollte sein eigenes Ding machen. Mich hat das nicht mehr interessiert. Die alte Besetzung wollte nicht mehr proben und nicht mehr so viel Energie in die Band stecken wie ich. Ich will jeden Tag Musik machen. Wir hatten uns also freundschaftlich getrennt, bevor es zu Streitereien kam. Das liegt aber alles an mir. Ich verfolgte von Anfang an meine eigenen Ziele mit der Band.   

Daniel: Drei der vier neuen Musiker spielen auch bei der Black Metal-Band Svarttjern. Kanntest Du die Band vorher? 

Nattefrost: Ja, ich kenne sie schon seit vielen Jahren; auch den Bassisten von Visegard, der das Line-Up vervollständigte. Für mich war es selbstverständlich, sie in die Band zu holen. Ich bin schon seit etwa zehn Jahren mit ihnen allen in Kontakt. 

Daniel: Lustig ist in diesem Zusammenhang, dass das dritte Demo von Carpathian Forest (und ein Song auf „Through Chasm, Caves And Titan Woods”) „Journey Through The Cold Moors Of Svarttjern” hieß, haha!  

Nattefrost: Ja, das stimmt, haha! „Svarttjern“ ist ein gängiger Begriff in Norwegen und bedeutet „schwarzer Eisen“. Ich glaube, der Bandname ist sogar von diesem Titel abgeleitet. Ich kenne die Jungs schon ewig, obwohl sie noch ein ganzes Stück jünger sind als ich. Aber es war richtig, sie zu Carpathian Forest zu holen.

Daniel: Wenn Du auf alle bisherigen Carpathian Forest-Alben zurückblickst, gibt es dann ein Album, welches Du besonders gut findest oder heute vielleicht im Nachhinein auch gar nicht mehr magst?   

Nattefrost: Ich finde, dass wir noch nie ein Scheiß-Album gemacht haben. Sie unterscheiden sich aber alle sehr voneinander. Ich denke, das nächste Album wird alle Stile miteinander vereinen. Wir haben einen Großteil bereits aufgenommen. Wir werden bald mit den Aufnahmen fertig sein. Es wird alles enthalten, wofür die Band immer stand. Aber ich denke, dass „Black Shining Leather“ und „Morbid Fascination Of Death“ immer noch meine Favoriten sind.

Daniel: Du bist das einzig verbliebene Original-Mitglied von Carpathian Forest. Warum handelt es sich für Dich immer noch um dieselbe Band?  

Nattefrost: Weil wir immer noch den gleichen Grund-Sound haben. Wir haben immer Black Metal gespielt. Ich verfolge die Black Metal-Szene heute nicht mehr, weil mir die Entwicklung nicht mehr gefällt. Viele Bands wurden immer melodischer und haben Schlagzeug getriggert usw. Ich hasse das! Wir wollen mehr Rock´n´Roll machen; Old School Rock´n´Roll und Old School Heavy Metal. Ja, wir gehen unseren eigenen Weg.  

carpathian forestDaniel: Wie sehen Eure Zukunftspläne aus? Wird es bald endlich wieder ein neues Album geben? Und werdet Ihr danach ausgiebig touren?  

Nattefrost: Ja, unser neues Album wird um Weihnachten herum erscheinen. Vorher werden wir auf einigen Festivals spielen. Wir haben bereits Songs für zwei Alben fertig. Im Moment macht es echt Spaß! Es fühlt sich richtig an!

Daniel: Um Dich war es ja generell lange sehr ruhig. Gibt es Deine Nebenprojekte Nattefrost und Kreft eigentlich noch? Und steht da auch bald wieder mal etwas an? 

Nattefrost: Ja, doch, die gibt es noch! Ich habe Pläne für beide, sowohl für Nattefrost als auch für Kreft. Aber wir wollen erstmal das Carpathian Forest-Album fertig machen. Schlagzeug und Gitarren sind schon aufgenommen. Wie gesagt: Um Weihnachten herum müsste es erscheinen. Danach kann ich wieder die Pferde für die beiden Nebenprojekte satteln, haha.

Okay, Nattefrost! Dann gehört Dir das Schlusswort!

Nattefrost: Du kommst aus Deutschland, oder? Wir werden auf jeden Fall wieder in Deutschland touren. Im Sommer werden wir auf dem Party.San und auf dem Summerbreeze spielen. Vielleicht sieht man sich ja!

https://www.facebook.com/carpathianforest

https://carpathianforest.bandcamp.com/



Autor: Daniel Müller