ARAKAIN - Keine Konkurrenz für Manowar


Durch Vlasta Henych (Ex-Sänger und Bassist von Törr) konnte ich tatsächlich einen Kontakt mit Arakain-Gitarrist Jiri Urban herstellen. Für mich ist ihr Debüt-Album "Thrash The Trash" das beste Metal-Album aus Osteuropa. Arakain sind zudem die größte Metal-Band Tschechiens. Und dadurch, dass sie 2009 auf dem "Swordbrothers"-Festival zwar bestätigt, aber nicht erschienen waren, hatte ich eh noch eine Rechnung mit den Jungs offen, hehe! Zwar hat Jiří sich von vornherein für sein schlechtes Englisch entschuldigt. Dennoch haben wir die Situation recht gut gemeistert, denke ich! Los geht´s.

ARAKAIN logo INTI 2012Daniel: Hallo Jiří! Erzähl uns doch zunächst einmal etwas über Euer neues Album "Homo Sapiens..?" Handelt es sich dabei um ein Konzept-Album?

Jiří: Ganz sicher handelt es sich nicht um ein Konzeptalbum im Stil von "The Wall" von Pink Floyd. Aber als ungefähr die Hälfte der Texte für das Album stand, haben wir darauf geachtet, die weiteren Texte in einen ähnlichen Themenbereich zu "steuern". Es handelt sich nicht um eine komplette Geschichte, die in Einzelteile aufgesplittet worden ist. Es ist mehr eine Ansammlung von Gedanken zu einem Thema. Wir fragen durch das Fragezeichen im Albumtitel, ob die Menschen endlich vernünftig geworden sind. Tagtäglich lesen oder hören wir über Skandale und Tragödien, die um uns herum passieren. In der Politik sind solche Dinge besonders markant und deswegen geht es mit der weltweiten Wirtschaft auch dermaßen bergab. Es wird legal gestohlen und zerstört und es ist für mich ein ganz großes Geheimnis, wie unsere Zukunft aussehen soll. Es ist offensichtlich, dass die Menschheit einfach so dahinsiecht und die meisten guten Erfindungen aus den letzten hundert Jahren können von ihr nicht entsprechend eingesetzt werden. Wir wollen nicht mit erhobenen Zeigefingern herumlaufen, aber wenn wir schon auf etwas aufmerksam machen, dann darauf, was um uns herum passiert.  Die meisten Musiker in der Band sind etwas älter. Das heißt aber nicht, dass wir gelangweilt, gefrustet und superernst sind. Dementsprechend ist dann auch der ein oder andere Text zum ernsten Thema ein wenig ironisch ausgefallen.

Daniel: Da ich kein Tschechisch kann, würde mich interessieren, wovon Eure Texte handeln. Sind es typische Metaltexte? Oder seid ihr sozialkritisch? Klär uns mal bitte auf!

Jiří: Wir wollen auf keinen Fall Bands wie Manowar Konkurrenz machen - das könnten wir auch gar nicht. Heldensagen oder einschlägige Inhalte finden bei uns eher nicht statt. Würden wir aus Nordeuropa stammen, wäre das vielleicht anders. Aber unsere Texte entstehen aus der Tradition unserer Heimat. Und die befindet sich nun mal mitten in Europa!

Daniel: Was bedeutet der Name Arakain eigentlich?

Jiří: Es handelt sich um eine Abwandlung der Bezeichnung eines Mittels gegen unangenehme Organismen, wie zum Beispiel die Filzläuse, hehe! Ausgedacht hat sich den Namen unser erster Schlagzeuger sowie Gründungsmitglied Mirek Nedvěd. Mit anderen Worten: der Name hat keine Bedeutung. Das war zu Zeiten des Kommunismus in unserer Republik besonders wichtig. Der Name war harmlos und konnte nicht zu gefährlichen Assoziationen führen!

Daniel: Welche Bands haben Arakain musikalisch beeinflusst? Und haben sich die Einflüsse im Laufe der Jahre geändert?

Jiří: Wir haben Musik "aus dem Westen" natürlich so aktiv und aufmerksam verfolgt, wie es im Kommunismus nur möglich war! Die meisten Alben gab es damals nur auf dem Schwarzmarkt unter der Hand. Wichtige Einflüsse stammten damals von Bands wie Judas Priest, Iron Maiden, Saxon usw. Kurzum: New Wave Of British Heavy Metal. Danach kamen die "Big Four" Metallica, Slayer, Megadeth und Anthrax. Die haben uns am stärksten beeinflusst. Aber es gab auch Bands wie Cacophony, Coroner oder Rush und ganz viele andere. Später war der Zugang zur neuer Musik wesentlich einfacher und so begegneten wir auch Pantera, die uns ganz intensiv und auch ganz lange begleiteten und beeinflussten! Zuletzt hören wir viel Soilwork, Machine Head, Disturbed oder Godsmack. Ich persönlich bewundere aber auch die perfekten Produktionen der letzten Nickelback-Alben oder die technische Vollkommenheit von Dream Theater!

Daniel: Ist Dir eigentlich mal aufgefallen, dass Euer Song "Amadeus" (von "Thrash The Trash!", 1990) wie "Metal Church" von Metal Church klingt und der Refrain von "Pojď Dál" (von "Restart", 2009) die selbe Gesangsmelodie hat wie "Land Of Confusion" von Genesis, hehe?

Jiří: "Amadeus" ist ein sehr alter Song. Ich glaube, er stammt aus dem Jahre 1988. Eine Ähnlichkeit zu "Metal Church" ist mir niemals aufgefallen, auch wenn ich die Band natürlich kenne und den Song ebenfalls! Metal Church haben zum ungefähr gleichen Zeitpunkt wie wir angefangen und gehörten zu den wirklich wichtigen amerikanischen Heavy Metal-Bands, auch wenn sie niemals einen richtigen Durchbruch geschafft haben... Bei "Pojď Dál" gibt es aber keine Ausreden. Da ist alles klar, hehe! Ich hatte da diese unglaubliche Eingebung. Etwas, das dem Song noch gefehlt hat. Und als das Album fertig war, ist mir aufgefallen, woher diese Eingebung kam, hehe! Aber da war es bereits zu spät. Bei unseren Fans habe ich mich bereits entschuldigt und Genesis werden es hoffentlich überleben!:-) Das ist der absolute Alptraum eines Musikers. Etwas zu kreieren, was bereits jemand vorher ausgedacht und veröffentlicht hat! Und wenn es sich beim Original noch um einen Welthit wie "Land Of Confusion" handelt, ist es um so schlimmer. Andererseits: Es ist nicht einfach, Musiker zu sein und sich im kreativen Prozess zu befinden. Dann vergisst man alles um sich. Wirklich alles!

Daniel: Für mich ist "Thrash The Trash!" das beste osteuropäische Metal-Album überhaupt! Wie stehst Du heute zu dem Album? Und warum hat die Faust auf dem Cover überhaupt sechs Finger, hehe?

Jiří: Das freut uns natürlich! In Tschechien ist das auch ein absolutes Kultalbum, das sich auch super verkauft hat. Aber ich glaube nicht, dass dieser Kult mit der Außergewöhnlichkeit des Albums zusammenhängt. Es geht mehr darum, dass es damals wie heute im Ostblock zu wenig Konkurrenz und zu wenig wirkliche Qualität gab und immer noch nicht gibt, hehe. Nur Polen war schon immer ein Metal-Paradies. Dort gab es in dieser Stilrichtung schon immer sehr gute Bands, und selbst eine neuere Band wie Behemoth zählt für mich zur absoluten Weltspitze! Das Album an sich ist ein Spiegelbild der damaligen Zeit und der damaligen Ereignisse. Wir wussten nicht genau, wie man am besten ein Heavy Metal-Album aufnimmt und produziert. Wir waren auch als Musiker noch nicht so erfahren und versiert. Deswegen sind einige Solopassagen fast schon naiv und unvollkommen. Nur die Absicht hinter den Songs, die Arrangements sowie die Songaufbauten, waren damals auch im europäischen Maßstab konkurrenzfähig. Wir lächeln heute, wenn wir das Album hören. Aber natürlich sind wir sehr dankbar dafür, was das Album damals für uns gestartet hat. Und die sechs Finger besitzt die Faust deswegen, weil es sich um die Hand des Teufels handelt, die den Eisernen Vorhang durchstößt, haha!

Daniel: Wie seid ihr damals an den Deal mit "Supraphon Records" gekommen? Und wieso habt ihr vor dem Debüt erstmal drei 7"-Singles veröffentlicht?

Jiří: Das war relativ einfach... Supraphon war damals eine der beiden Plattenfirmen, die es in der ehemaligen Tschechoslowakei gab. Die andere Firma hieß Panton. Panton hatte nicht ganz so viel Angst vor der kommunistischen Zensur und dort veröffentlichten wir dann auch im Jahre 1987 unsere erste Single. Die beiden weiteren Singles waren dann bereits die Vorboten unseres ersten Albums "Thrash The Trash" und erschienen bei Supraphon. Die Albumaufnahmen begannen bereits vor der Revolution. Die zuständigen Personen an den "offiziellen Stellen" konnten sich nämlich nicht mehr gegen den Druck wehren, den unsere Fans ausgeübt haben. Die wollten von uns nämlich unbedingt ein Album haben und irgendwann kam dann tatsächlich das grüne Licht "von oben". Danach sind uns dann aber doch zahlreiche Steine in den Weg gelegt worden und das Album erschien erst nach der Revolution. Das waren damals wirklich keine schönen Zeiten.

Daniel: Ihr habt 1994 mit "Thrash!" ein Album herausgebracht, das alte Songs von Euch enthielt, wo ihr Euch an englischen Texten versucht habt. Warum ist das bis heute ein einmaliges Experiment geblieben? Bist Du nicht der Meinung, dass ihr mit englischen Texten viel mehr Leute erreichen könntet? In Tschechien seid ihr groß. Aber außerhalb kennt Euch doch kaum jemand.

Jiří: Wir haben es mit der englischen Sprache probiert und wollten sehen, ob sich dadurch für uns in Europa etwas bewegt, und ob uns jemand außerhalb unserer Hauptmärkte in Tschechien, der Slowakei und Polen bemerkt. Passiert ist aber nicht viel, hehe! Es war ein Experiment. Und um ehrlich zu sein, ist es für uns viel wichtiger, dass uns die Fans in unserer Heimat verstehen. Ich glaube auch nicht, dass wir daran noch etwas ändern werden! In Ländern, in denen unsere Musik erfunden worden ist, können wir mit ihr eh nicht konkurrieren. Und so bleiben wir lieber dort, wo wir wirklichen Erfolg haben, und wo wir genau wissen, wie die Dinge für ARAKAIN laufen. Wir wehren uns natürlich nicht gegen Konzerte im Ausland. Aber wenn wir dort spielen, dann nur in der Tschechischen Sprache. So sind wir zumindest ein wenig exotisch, hehe!

Daniel: 1995 habt ihr das Cover-Album "Legendy" veröffentlicht, auf dem ihr Songs von Deep Purple, Beatles, Led Zeppelin, Uriah Heep, Black Sabbath, Slade, Judas Priest und Grand Funk Railroad nachgespielt habt. Allerdings enthielt das komplette Album tschechische Texte. Wurden sie alle originalgetreu aus dem Englischen ins Tschechische übersetzt? Oder habt ihr auch komplett neue Texte verwendet?

Jiří: Es war am ehesten so, dass einige der ursprünglichen Texte richtungsweisend und inspirierend für die Tschechischen Texte waren. Aber ansonsten handelt es sich um neue Texte, die neue Geschichten erzählen. Es war aber natürlich sehr wichtig, dass die Tschechischen Worte von den Phrasierungen her an die Originale erinnern! Die Tschechische Sprache ist sehr kompliziert und nicht sonderlich gut formbar. Die englischen Originale ins Tschechische eins zu eins zu übersetzen und dabei eine annähernd ähnliche Phrasierung zu behalten, ist quasi unmöglich!

Daniel: Euer erster Sänger Aleš Brichta verließ 2002 die Band. Was waren die Gründe dafür?

Jiří: Aleš Brichta ist in Tschechien eine absolute Rockgröße, ein außergewöhnlicher Texter und überhaupt ein ganz großer Begriff. Als ihm all das bewußt geworden ist, hat er Mitte der Neunziger damit angefangen, Soloalben zu veröffentlichen, die um einiges kommerzieller waren als unser musikalisches Schaffen. Diese waren sehr erfolgreich, und vielleicht verändert Erfolg tatsächlich die Menschen. Er hat uns oft spüren lassen, dass es bei ihm solo besser lief als bei Arakain, er wollte auch unsere neuen Einflüsse - vor allem Pantera - und die härteren neuen Songs nicht akzeptieren. Wir haben uns immer mehr gestritten und  irgendwann haben wir uns komplett entfremdet. Er hat dann immer öfter auch als Produzent für andere Bands und Künstler gearbeitet, war an vielen Projekten beteiligt und hat sogar den Soundtrack zu einer Eisrevue produziert, hehe! Wir hatten immer mehr das Gefühl, dass er der Band nicht das gibt, was er ihr auch geben sollte. Die Band hat irgendwann nur noch funktioniert und es war klar, dass dieser Zustand nicht auf alle Ewigkeiten tragbar sein wird. Auch wenn wir immer noch sehr erfolgreich waren, kündigte uns Aleš bei den Aufnahmen zum Album "Archeology", auf dem wir an zeitgemäßen Versionen von älteren, bis zu dem Zeitpunkt offiziell unveröffentlichten Songs arbeiteten, die zum zwanzigsten Bandjubiläum erscheinen sollten, seinen Ausstieg an und den definitiven Abgang in Richtung Solo-Laufbahn.

Daniel: Vlasta Henych (ex-Törr) meinte zu mir, sein Ausstieg wäre für die tschechische Metal-Szene eine erschütternde Nachricht gewesen, da ihr in Eurer Heimat recht groß seid. Er hat es sogar mit einem Sängerwechsel bei Iron Maiden oder Judas Priest verglichen. Wie groß seid ihr denn genau in Tschechien? Wie viele Alben verkauft ihr so? Und könnt ihr von der Musik leben?

Jiří: Schwer für mich, den Ernst der damaligen Lage richtig einzuschätzen... Aber das war auf jeden Fall ein ganz großes Ding in den tschechischen Medien. Unsere Fans haben uns nach all den Jahren wirklich geliebt und haben befürchtet, dass es das Ende der Band sein könnte. Ebenfalls sehr schwer für mich unseren wirklichen Status einzuschätzen. Aber wir sind wohl die Tschechische Heavy Metal-Band mit den meisten Goldenen Alben, den meisten Nummer Eins Alben in diversen Polls und auch mit den meisten immer wieder honorierten Musikern. Seit der Revolution können wir von der Musik leben. Das heißt, wir ziehen die Sache seit über zwanzig Jahren durch und zwar absolut kompromisslos und ohne Rücksicht auf Verluste. Die Musik kommt bei uns allen an allererster Stelle. Wir wollen gute Alben veröffentlichen, unsere jeweiligen Auftritte im Rahmen von Tourneen oder Festivals sollen für die Zuschauer ein wirkliches Erlebnis werden. Wir arbeiten mit unserem Management und Booking ganz eng an den Vorbereitungen zusammen und verfügen inzwischen auch über eine recht ausführliche Merchandise-Palette. Früher haben wir von den einzelnen Alben auch schon über 100.000 Einheiten abgesetzt. Das ist bei den heutigen Hör- und Kaufgepflogenheiten natürlich utopisch, aber ein Goldenes Album holen wir fast immer. Unser wohl größter kommerzieller Erfolg ist die Multi Platin-DVD und Doppel-CD "XXV Eden". Ein Livemitschnitt von unserem Konzert zum 25. Jubiläum der Band in Prag, bei dem wir teilweise auch mit einem Symphonieorchester zusammengespielt haben!

Daniel: Das letzte Album mit Aleš Brichta war die bereits erwähnte Kompilation "Archeology" mit alten Demostücken aus den Jahren 1982-1988 - also noch vor dem Release Eures Debüts "Thrash The Trash". War das eine Art Abschiedsgeschenk an die Fans? Und habt ihr diese Songs alle neu eingespielt? Für Demosongs, die so alt sind, ist die Produktion nämlich ganz schön fett?!

Jiří: Wir haben die alten Songs natürlich umarrangiert und neu aufgenommen. Vor allem, weil es von den Originalen keine wirklich guten und professionellen Studioaufnahmen gab. Die Songs haben in den neuen Versionen auf jeden Fall ganz neue Qualität entwickelt. Die meisten davon waren aber eher Hard Rock als Heavy Metal, hehe.

Daniel: War Dir von vornherein klar, dass Arakain auch ohne Aleš Brichta existieren konnten? Oder hattest Du auch überlegt, unter einem anderen Bandnamen weiter zu machen?

Jiří: Klar war es uns erst dann, als wir einen ebenbürtigen Ersatz gefunden haben! Petr Kolář ist ein absoluter Weltklassesänger mit großem Stimmumfang und langjähriger Erfahrung. Es gab dann auch keinen Grund den Namen zu ändern. Arakain war niemals nur die Band von Aleš. Die wichtigste Zutat - und zwar die Musik - ist von den vier Instrumentalisten in der Band kreiert worden. Und die sind alle in der Band geblieben!

ARAKAIN band 2 INTI 2012Daniel: Seit dem Einstieg von Honza Toužimský als neuen Sänger ist Eure Musik zunehmend moderner geworden. Absicht oder Zufall? Und wie viel Einfluss hatte Honza darauf?

Jiří: Ich glaube, das ist die natürliche Entwicklung eines jeden Musikers und Autors. Die Technik entwickelt sich immer weiter, ebenso Computer, Autos oder Maschinen. Wir absorbieren natürlich wie alle andere Musiker Einflüsse, die uns gefallen und weiterbringen. Aleš Brichta ist ein recht konservativer Sänger und ihm haben die Neuerungen in unserem Sound niemals gefallen. Auch das war wohl für ihn einer der Gründe dafür, Musik auf seine eigene Art und Weise zu machen. Und außerdem mit Musikern, die er besser beeinflussen kann. Honza ist ein typischer Vertreter der neueren Heavy Metal Welle. Nicht nur im Hinblick auf sein Alter, aber auch im Hinblick auf seinen Gesang. Er ist ein aggressiver Melodiesüchtiger, hehe! Honza komponiert zwar nicht besonders viel, aber seine finalen Gesangslinien geben unserer neueren Songs diesen jugendlicheren Touch. Das gilt auch für die Studiotechniker. Das sind nicht mehr die aus der Ära mit Aleš. Einer dieser Techniker ist kurioserweise auch Honza Toužimský, Er hat" XXV Eden" aber auch das Album "Restart" abgemischt.

Daniel: Meines Wissens hat Honza Toužimský zuvor keine Band gehabt, während die anderen Mitstreiter der aktuellen Arakain-Besetzung zuvor bereits bei namhaften Bands wie Törr,  Železná Neděle (auf dem "Death Metal Session"-Sampler, 1990), Vitacit und Drakar aktiv waren. Wie bist Du auf ihn aufmerksam geworden?

Jiří: Honza hat gesungen und Gitarre gespielt in der Band Insiders. Aber die war eher nur regional bekannt. Er kam nach Prag aufgrund eines Engagements in dem Rockmusical "Excalibur", in dem er zunächst lustigerweise der Ersatzmann für Petr Kolář war. Kennengelernt habe ich Honza durch einen meiner beiden Söhne. Er ist auch Gitarrist und Honza hat damals einige Demos für seine Band Dymytry eingesungen. Aus diversen Gründen war es damals klar, dass wir mit Petr als Sänger nicht mehr werden weitermachen können und durch die Stimmähnlichkeit von Honza mußten wir nicht mehr nach einem Ersatz suchen! Honza war übrigens ursprünglich nur Gitarrist und wollte eigentlich niemals richtig Sänger werden, hehe. Er ist damals nur deswegen Sänger geworden, weil er keinen besseren finden konnte... Und ich kann ihn irgendwie verstehen, haha!

Daniel: Spielt ihr trotz der etwas moderneren Ausrichtung der neuen Alben denn live immer noch viele alte Songs?

Jiří: Wir übersehen das breite Spektrum unseres Publikums natürlich nicht. Neben Teenagern kommen natürlich immer noch sehr viele alte Fans zu unseren Konzerten. Und so stehen bei den Konzerten neben aktuelleren Songs auch viele Klassiker auf der Tagesordnung!

Daniel: Ihr solltet 2009 sogar in Deutschland auf dem Swordbrothers-Festival in Andernach spielen. Ihr seid dort nicht erschienen, habt aber angeblich auch nicht abgesagt. Was war da damals los? Ich bin extra für Euch überhaupt nur da hingefahren.

Jiří: Um ehrlich zu sein: keine Ahnung was damals passiert ist! Von uns aus sagen wir keine Konzerte oder Festivals ab! Das war schon immer unsere Philosophie! Wahrscheinlich gab es Probleme in der Kommunikation zwischen den Veranstaltern und zwischen unserem Booker. Wir spielen gerne überall, wo man uns sehen und hören möchte. Und falls der Auftritt außerhalb von unserer Heimat stattfinden sollte, dann um so lieber!

Daniel: Besteht die Chance, Euch überhaupt mal außerhalb Tschechiens - oder eben speziell hier in Deutschland - live zu sehen? Habt ihr da schon irgendwas geplant?

Jiří: Man kann sehr viel planen, aber die Realität macht einem leider sehr oft einen Strich durch die Rechnung. Falls uns jemand aus dem Ausland entdecken und zu einem Festival einladen sollte, kommen wir gerne. Aber natürlich müssen bestimmte Konditionen erfüllt werden.  Wir stehen nicht so drauf, wenn uns ein Abenteurer auf Empfehlung eines im Ausland lebenden Tschechischen Fans einlädt und gar nicht weiß, worum er sich kümmern sollte. Wir werden gerne im Ausland spielen. Aber die Herangehensweise des ausländischen Promoters muss ebenso professionell sein wie die unsere!

Daniel: Die tschechische Metal-Szene besteht seit ca. 1988. Es fällt auf, dass damals wie heute immer noch mehr oder weniger dieselben Bands dort spielen (Arakain, Debustrol, Törr, Moriorr usw.). Gibt es keine neuen guten Metal-Bands bei Euch?

Jiří: Ich glaube, der Schein trügt! Einerseits halten wir zusammen mit Debustrol und einigen wenigen weiteren Bands die Fahne des Tschechischen Metals hoch. Aber es gibt sehr viele neue und vielversprechende Bands in dieser Stilrichtung. Für unser kleines Land und den damit zusammenhängenden kleinen Markt vielleicht zu viele. Am problematischsten ist es natürlich nach wie vor, einen eigenen, einigermaßen originellen Stil zu haben und zu entwickeln. Dieser muss in der großen Konkurrenz auffallen, beeindrucken und natürlich auch Leute ansprechen, die dann zu Fans werden. Das gelingt nur den wenigsten Bands. Und dann kommt es dazu, dass diese neuen Bands versuchen wie jemand aus dem Ausland zu klingen, der Erfolg hat. Solche Bands sind für mich Plagiate, die ich nicht wirklich beachte. Die gestandenen Bands haben eben den Vorteil, dass man sie schneller und besser erkennt. Viele von den neueren Bands verwenden die englische Sprache und übersehen vielleicht ein wenig, dass das für die "Tschechischen Ohren" bei einer Tschechischen Band immer noch ein wenig seltsam rüberkommt. Die Tschechischen Fans nehmen aus ihrem Land immer noch lieber die Bands an, deren Texte sie verstehen und mitsingen können. Wir lassen jedes Jahr neuere Tschechische Bands in unserem Vorprogramm spielen und wollen ihnen damit die Chance geben, bekannter zu werden. Deswegen weiß ich, dass es unter dem Nachwuchs viele gute Bands gibt. Zum Beispiel die Prager Band Dymytry,  die relativ originell ist, deren Songs clever arrangiert sind, die über eine gute Bühnenshow verfügt und deren Musiker in Predator-Masken auftreten. Gut gefallen mir auch Venefica aus Olomouc (Olmütz) oder Menhir, unser momentaner Special Guest.

Daniel: Magst Du eigentlich die neuen Alben der alten tschechischen Bands heute noch? Debustrol oder Moriorr haben sich z. B. ja mächtig verändert in all den Jahren! Mit ihrer ursprünglichen Musik hat das ja nicht mehr viel zu tun. 

Jiří: Ich habe da keine wirkliche Übersicht, weil ich deren neue Alben nicht geschenkt bekomme und auch nicht kaufe, hehe! Wir treffen uns immer nur auf Festivals. Aber von den wenigen Minuten, die ich von den Bands sehe, kann ich mir natürlich kein wirklich gutes Bild von ihrem momentanen musikalischen Schaffen machen!

Daniel: Was sagst Du eigentlich dazu, dass sich Törr 2010 aufgrund musikalischer Differenzen aufgelöst haben? Ist das nicht unfassbar, wo sie doch fast 25 Jahre einen festgefahrenen Stil hatten? Sie waren eigentlich immer Tschechiens konstanteste Band, oder? Zumindest musikalisch gesehen. 

Jiří: Soweit ich weiß, ging es nicht nur um musikalische, sondern auch persönliche Probleme. Aber das kann ich verstehen - bei uns war es vor zehn Jahren ähnlich. Eine funktionierende Band driftet auseinander, weil sie den Faden verliert, und weil sie die innere Begeisterung nicht mehr besitzt. Spätestens dann ist es an der Zeit für eine Veränderung - früher oder später merkt man dann nämlich auch als Außenstehender, dass da etwas nicht stimmt. Törr haben sich übrigens nicht aufgelöst. Sie haben den Bassisten ausgewechselt und machen weiter. Ich habe erst neulich ihr neues Album "Tempus Fugit" gehört. Das ist nicht mehr unbedingt Black Metal, aber das Album ist gut. Die Produktion gefällt mir ebenso die Texte.

Daniel: Mal etwas Anderes: Ich habe mal gehört, dass es in Prag einen Rock-Schuppen namens "Kain" gibt. Stimmt das, dass Arakain die Inhaber dieser Kneipe sind? Was genau ist das für ein Club? Spielt ihr nur Rock du Metal dort? Oder finden dort auch Konzerte statt?

Jiří: "Kain" ist ein Rockclub, den ich vor zwölf Jahren mit meinem Freund Vladimír Görgel gegründet habe - er hat seinerzeit übrigens den Arakain-Tourbus gefahren. Wir haben es bis zum heutigen Tage geschafft, den Club am Leben zu erhalten; auch in der dafür ungünstigen heutigen Zeit. Im Erdgeschoss ist eine traditionelle Rockstube mit Pilsner Bier, wo Musik aus der Anlage sowie aus dem Fernseher kommt. Im Untergrund ist ein Musikclub, in dem täglich alle möglichen Bands spielen. Von Folk über Rock bis zu den extremeren Metal-Arten ist da alles dabei! Aus dem Klub habe ich eine sehr gute Übersicht über die Prager Rockszene und weiß auch, dass es hier viele hoffnungsvolle Bands gibt! Sie müssen nur die schlechte wirtschaftliche Lage überstehen sowie die Tatsache, dass ihre Investitionen in den allermeisten Fällen keine Erträge bringen. Diese Bands müssen hoffen, dass sie eines Tages den Durchbruch schaffen und bekannter und erfolgreicher werden, hehe!

Daniel: Nochmal kurz zurück zu Arakain: Die Band wurde 1982 gegründet. Ihr seid jetzt genau 30 Jahre aktiv; eine sehr lange Zeit! Du bist aber das einzige permanente Mitglied der Band. Was motiviert Dich, immer wieder aufzustehen und mit Arakain weiter zu machen?         

Jiří: Weil ich in der Band von Anfang an bin, die Musik mitkomponiere, das musikalische Gesicht der Band mitgestaltete und mit Arakain tagtäglich lebe und zu tun habe, gibt es für mich keine Gründe auch nur etwas zu ändern! Die Band ist mein Kind! Es ist meine Arbeit, meine Berufung und ich kümmere mich sehr intensiv darum, dass wir immer gute Arbeit abliefern, das verbessern, was wir verbessern können und immer einen Schritt vor den anderen sind. All das hat uns wohl auf die Spitze der Tschechischen Metalszene gebracht und woanders würde ich eine solche Möglichkeit nicht finden. Oder ich müsste bei Null anfangen.

Daniel: Welche Zukunftspläne hast Du noch mit Arakain über kurz oder lang?

Jiří: Gesund zu bleiben, den Enthusiasmus und die Inspiration nicht zu verlieren! Und noch ein paar Jahre lang den Menschen Freude zu bereiten.

Daniel: OK, Jiří! Die letzten Worte gehören Dir!

Jiří: Keine Ahnung, was ich einem ausländischen Fan sagen könnte, hehe. In Zeiten des Internet ist es kein großes Problem mehr, unsere Musik kennenzulernen. Falls ihr die Sprache akzeptiert, euch unsere Musik gefallen sollte, und falls unter euch vielleicht ein zuverlässiger Konzertpromoter  sein sollte, meldet euch! Wir kommen gerne und werden Metal-Musik aus einem Land verbreiten, die eher als das Land der Volksmusik bekannt geworden, haha!

http://www.arakain.eu/info

http://www.myspace.com/arakain

http://www.facebook.com/#!/arakain (nur tschechisch)

 

Übersetzung und Bearbeitung: Nikolas Krofta



Autor: Daniel Müller, Nikolas Krofta