ACCEPT - Zehn gute Songs sind besser als zwölf nicht so gute


Accept gehören seit 1992 zu meinen absoluten Lieblings-Bands. Als ich gefragt wurde, ob ich Wolf Hoffmann treffen wollte, um mit ihm ein Live-Interview zu führen´, bin ich aus allen Wolken gefallen! Aber es war ein wenig chaotisch. Am Vorabend wurde das Treffen von Duisburg spontan nach Düsseldorf verlegt. Als ich kurz vor 19 Uhr im Hotel Maritim am Flughafen eintraf (19 Uhr sollte Beginn sein), wussten gleich drei Leute an der Rezeption von nichts. Die Eingangshalle war nahezu leer. Der Konferenzraum war geschlossen. Ein älterer Herr von einem Internetradio sprach mich an und meinte, Wolf Hoffmann wäre gerade erst in Köln losgefahren. Und tatsächlich waren wir die einzigen beiden Gesprächspartner für Wolf Hoffmann hier in Düsseldorf! Der Herr vom Radio quatschte keine zehn Minuten mit ihm und ging wieder. Plötzlich saß ich ganz alleine auf einem Sofa mit Wolf Hoffmann in der riesigen Hotelvorhalle und hatte alle Zeit der Welt! Das war völlig surreal! In den nächsten zwanzig Minuten gab der Gitarrist der ältesten deutschen Metal-Band, der mit Markus Wosgien von Nuclear Blast zusammen das Hotel betreten hatte, dann ruhig, abgeklärt und äußerst höflich Auskunft.

logoDaniel: Hi Wolf! Wahnsinn, Dich mal persönlich zu treffen! Ich bin seit 1992 Accept-Fan. Da war gerade „Eat The Heat“ die aktuelle Platte.

Wolf: Oh, ich verstehe, dann hattest Du ja nicht so einen guten Einstieg mit uns, haha!

Daniel: Na ja, „Objection Overruled“ habe ich dann ein Jahr später direkt in der ersten Woche gekauft, als sie rauskam!

Wolf: Na, dann geht´s ja, haha!

Daniel: Ich weiß gar nicht so richtig, wo ich anfangen soll. Normalerweise kauer ich immer die gesamte Band-Geschichte chronologisch durch und stelle noch ein paar Insider-Fragen, aber das würde hier wohl den Rahmen sprengen, haha!

Wolf: Oh nee, um Gottes Willen! Das mache ich auch nicht so gerne, haha!

Daniel: Dann fangen wir doch einfach mal 2005 an. Da habe ich Euch in Wacken zum ersten Mal live gesehen.

Wolf: Oh, ziemlich spät erst!

Daniel: Ihr hattet ja auch lange zwischendurch nichts gemacht…

Wolf: Ja, das stimmt!

Daniel: Ihr hattet dort das letzte Mal mit Udo gespielt und der Kreis des Interviews würde sich dann schließen, da ich Dich am Schluss zu Eurer Special Show in Wacken in diesem Jahr befragen will, die Ihr groß angekündigt habt. 

Wolf: Ja, cool!

Daniel: Man hatte auf der Bühne schon ein bisschen das Gefühl, dass Ihr Euer Ding durchgezogen habt und Udo seins. War es damals schon abzusehen, dass Ihr Euch danach trennen würdet?

Wolf: Ja, ein Thema gleich vorweg: Ich spreche nicht so gerne über das ganze Thema, weil es schon so oft aufgearbeitet wurde und ich schon alles darüber gesagt habe, was auf darüber zu sagen ist. Nein, das war ja gar nichts. Das war ja nur eine einmalige Geschichte, die von vornherein auch dazu verurteilt war. Wir sagten, wir machen das jetzt noch einmal, und dann gehen wir alle unsere Wege. Da war von vornherein klar.

Daniel: Dann habt Ihr ja irgendwann, ich glaube 2009, den Mark als neuen Sänger gefunden.

Ja, der Mark ist wie durch ein Wunder aus dem Nichts vom Himmel gefallen. Den hat jemand empfohlen bei einer Jam Session. Und plötzlich war der Mark da, den wir nie im Bewusstsein hatten.

acceptDaniel: Er hat ja vorher bei TT Quick gesungen. Kanntest Du die?

Wolf: Nur vom Namen her. Also richtig bewusst waren die mir auch nicht. Aber auf einmal tat sich diese Alternative auf. Eigentlich gab es Accept nicht mehr und sollte es auch nicht mehr geben. Wir hatten gar keinen Sänger. Das stand gar nicht zur Debatte. Und auf einmal stand dieser Mark im Raum, bei dieser Jam Session. und wir dachten, hoppla, da tut sich ja nochmal die Möglichkeit auf, Accept nochmal ins Leben zu rufen. Lass es uns doch mit ihm versuchen. Wir wussten, das wird schwer. Wir wussten auch, dass es viele Leute geben würde, die das erst mal Scheiße finden werden. Aber er hat doch die Stimme und das Zeug und hat die alten Songs so überzeugend rübergebracht, die wir dort gejammt haben, dass wir spontan entschieden haben, ja komm, wir versuchen das nochmal. Scheiß der Hund drauf! Mehr als schiefgehen kann es nicht. Was haben wir schon zu verlieren? Wenn wir nichts machen, haben wir gar nichts. Dann kam natürlich der Riesen Ansturm, wo alle gesagt haben, ohne Udo, das geht ja gar nicht! Ohne Original-Sänger, das braucht kein Mensch usw. Was haben wir uns nicht alles anhören müssen! Aber dann kam die Platte raus, und siehe da: Auf einmal war es doch geil!

Daniel: Ich fand auch, gerade auf dem Rock Hard Festival damals, da haben noch alle gezweifelt. Nach dem Gig war davon aber gar keine Rede mehr.    

Wolf: Rock Hard war das beste Beispiel! Götz Kühnemund, damals noch beim Rock Hard, kam zu mir und hat sich direkt bei mir entschuldigt. Und nach der ersten Platte war das Thema auch eigentlich durch. Es kam zwar noch vereinzelt Fragen, aber das hatte sich seitdem mehr oder weniger erledigt. 

Daniel: Aber ich finde, seitdem können sowohl Accept als auch U.D.O. gleichwertig nebeneinander stehen. Bei Accept fragt man nicht mehr nach Udo, und U.D.O. stehen auch nicht mehr im Schatten von Accept. Für mich haben beide ihre Daseinsberechtigung, ohne dass sie sich noch gegenseitig im Weg stehen.

Wolf: Also, bei Accept ist das auf jeden Fall so! Jetzt haben wir aber auch genug über Udo geredet, haha!

Daniel: Ihr habt echt gar keinen Kontakt mehr, oder?

Wolf: Nein, überhaupt nicht! Das ist wie bei einer Ehe: Die Beteiligten finden es zwar alle schade, aber so ist es nunmal.

Daniel: Dann mal etwas anderes: Der Mark ist ja Amerikaner. Wie probt Ihr denn eigentlich? Probt Ihr überhaupt? Oder schickt Ihr Euch nur Dateien hin und her? Wie läuft das bei Euch ab?

Wolf: Ich wohne schon seit fünfundzwanzig Jahren in Nashville. Peter wohnt dort seit ein paar Jahren auch. Jetzt haben wir noch einen Drummer aus Nashville. Das heißt, wir sind dann schon mal zu dritt. Mark Tornilla wohnt in New Jersey, was ja auch nur circa anderthalb Flugstunden entfernt ist. Also ist Proben nicht weiter schwierig. Wir proben aber auch nur vor Auftritten und nicht regelmäßig. Das gibt es in unserem Alter und unserem Stellenwert schon lange nicht mehr. Aber wir wohnen heute wieder halbwegs zentral zusammen, was die ganze Sache wesentlich einfacher macht. Nur Uwe Lulis wohnt noch in Deutschland, das stimmt.

Daniel: Was wollte ich noch wissen? Ach ja: Ich habe die neue Platte schon komplett gehört. Ich finde sie zwar geil, aber ich finde, dass sie etwas geradliniger und rockiger klingt als Eure letzten Alben: sehr straight, weniger pompös, die Songs sind nur noch knapp vier Minuten lang, und nicht mehr fünf-sechs Minuten, wie noch auf „Blood On The Nations“, weniger aufeinanderfolgende Parts usw. Ist das ein bewusster Schritt, den Ihr da gegangen seid? Oder hat sich das eher zufällig ergeben?

Wolf: Findest Du? Kann ich nicht so nachvollziehen. Aber eigentlich ist mir auch egal, wie lang die Songs sind, solange es nicht langweilig wird. Hey, die Songs fallen mal so, mal so aus. Aber wir versuchen immer, Songs zu schreiben, die man auch vor Jahren hätten schreiben können. Wir versuchen, bewusst, überhaupt nichts zu ändern. Jedes Album ist ein Spiegel der Zeit, eine Momentaufnahme von heute, und so ist es eben. Du kannst nicht vorher sagen, dass das Album in diese oder jene Richtung gehen wird. Das steht dann, wenn alle Songs fertig sind, und dann  kannst Du vielleicht ein Resümee ziehen und sagen, dieser Song ist vielleicht ein bisschen härter oder weniger hart ausgefallen. Aber mehr kann ich dazu auch gar nicht sagen. Das entzieht sich meinem Einfluss. Das ist aber eigentlich auch scheißegal. Wenn die Songs gut sind, sind sie gut. Und wenn sie nach Accept klingen, ist das auch gut. Und so lange sie gefallen, ist das auch gut. So etwas lässt sich gar nicht steuern. Du kannst den Sound und den Mix beeinflussen, Bässe und Höhen, aber Du kannst die Kompositionen nicht fein tunen. Ein Song braucht, was er braucht und ist entweder gut oder schlecht. Wenn die Soli und Overdubs nicht reinpassen, dann kommen sie auch nicht rein. Mir ist es wichtiger einen guten Song zu haben, als gute Elemente, aber der Song ist nichts. Es gibt ein amerikanisches Sprichwort: „You can´t polish a turt.“ Das heißt, Du kannst einen Scheißhaufen nicht polieren. Und so ist es auch! Wenn die Basis nicht stimmt, ist der Song trotzdem Scheiße. So sehe ich das! Wir haben aber dieses Mal nur zehn Songs aufgenommen. Zehn gute Songs sind besser als… zwölf nicht so gute, haha!

acceptDaniel: Dann seid Ihr ja neulich mit Sabaton getourt. Ich kenne viele Altmetaller, die sich darüber aufgeregt haben.

Wolf: Oh ja, die kenne ich auch!

Daniel: Wurmt Euch so etwas, wenn Ihr als alte Hasen vor solch einer „neuen“ Band im Vorprogramm spielt?

Wolf: Ich sage Dir, wie das zustande gekommen ist: Du musst Dir vorstellen, wir waren gerade acht Monate im Studio und werden von einer Band wie Sabaton gefragt, die wir schon seit langen Jahren kennen und die auch schon bei uns im Vorprogramm waren, die wir auch mit einem gewissen Respekt beobachten, weil sie sehr zielstrebig sind und sehr genau wissen, was sie wollen. Sabaton sehe ich da schon etwas anders als die anderen Bands, die man so kennt. Sie haben ihr Ziel immer sehr hartnäckig verfolgt und sich das hart erarbeitet. Und sie sind jetzt tatsächlich an einem Punkt angelangt, wo sie in der Lage sind, eine Band wie uns zu fragen, ob wir mitmachen wollen. Wie sind Special Guest, habe also einen mittleren Rang als Support. Aber wir dachten, das ist mal ganz schön. Wir kommen aus dem Studio raus, kommen mal wieder auf die Straße, haben aber keine Agenda. Wir haben kein neues Album. Wir müssen nichts promoten. Wir haben keine Produktion dabei. Natürlich gab es ein paar „schlaue“ Fans, die uns gefragt haben, ob wir das nötig haben. Natürlich haben wir das nicht nötig! Wir haben es trotzdem gemacht, weil wir da Bock drauf hatten. Aber wir haben so auch mal ein anderes Publikum erreicht. Wir konnten einfach vom Hotel auf die Bühne gehen und unsere Stunde abzocken, ohne uns um etwas kümmern zu müssen. Und nebenbei konnte ich noch weiter an dem Album arbeiten, weil Du als Support unheimlich viel Zeit hast und viel Zeit im Hotel verbringst. Wir hatten die besten Hotels. Die Band war super eingespielt, Mark war super bei Stimme. Die Chemie in der Band war super. Und Nullkommanichts war das Album dann auch fertig. Wenn Du so viele Konzerte spielst, bist Du super eingespielt. Das Album war ratzfatz im Kasten danach. Es war für alle eine Win-Win-Situation. Ich finde es immer ein bisschen blöd, wenn Leute von außen negativ darüber reden. Als ob wir nichts Besseres zu tun hätten! Ich finde, es war eine Super Sache!

Daniel: Na gut, dann habt Ihr ja eine Special Show in Wacken angekündigt. Was genau kann man dort erwarten?

Wolf: Ja, ich kann Dir sagen, das wird eine einmalige Sache. So etwas haben wir bislang noch nie gemacht. Es wird eine dreiteilige Show. Der erste Teil ist Accept. Dann wird „Headbangers Symphony“, mein Soloalbum aus dem letzten Jahr, mit einem fünfzigköpfigen Orchester zum ersten Mal live auf der Bühne präsentiert. Und wir wollen die Gelegenheit nutzen, auch mal Accept-Songs ganz neu zu interpretieren. Und der dritte Teil besteht daraus, alte Accept-Klassiker im ganz neuen Gesicht mit diesem großen Orchester völlig neu zu interpretieren. Es wird eine dreiteilige Show. „A Night To Remember“ ist ja auch das Motto an dem Abend, was ich total spannend finde. Die Show dauert zwei Stunden. Es wird eine Weltpremiere in Wacken. Und da freue ich mich drauf!

Daniel: Wie lange probt man mit so einem Orchester? Oder probt Ihr überhaupt?

Wolf: So gut wie gar nicht, weil so ein Orchester unerschwinglich ist. Es gibt zwar tatsächlich mal eine Probe oder so, aber die ist für uns natürlich viel zu kurz und viel zu wenig. Da gibt es schon ein bisschen Nervenkitzel. Aber letztendlich bringen sie es oder sie bringen es nicht. Ich gehe davon aus, dass wir unsere Songs halbwegs beherrschen, und wir probieren es im Zusammenspiel. Den Luxus hat auch kaum ein anderer. Ich glaube, wenn Du mit einem Orchester zusammen spielst, dann lässt Du Dich auf dieses Kribbeln irgendwie ein. Du hast keine Lust, da wochenlang vorher mit einem Orchester zu proben. Ich sage jetzt noch nichts über die Setlist. Aber es wird ein aufregender Abend werden mit vielen unbekannten Sachen. Und das Konzert wird, von der Struktur her, schon sehr ungewöhnlich werden.

Daniel: Gibt es nach all den Jahren ein Album, welches Du am liebsten oder vielleicht sogar überhaupt nicht mehr magst? Und wenn ja: Warum?

accept_wolf_inti_2017Wolf: Ich vermeide immer, meine eigenen Arbeiten später selbst zu kritisieren. Das müssen die Fans und die Kritiker machen. Ich sage dazu eigentlich ungern etwas. Letztendlich stand ich ja auch mal in irgendeiner Form dahinter. Ich finde es auch immer Scheiße, wenn es Kollegen und Musiker gibt, die dann sagen, ja, das Album fand ich schon immer Scheiße, oder ich war von Anfang an dagegen. So etwas hört man ja auch manchmal. Ja, warum hast Du es dann gemacht? Das macht doch keinen Sinn. Natürlich sieht man manches später anders. Klar sagt man hinterher schon mal, das würde ich heute anders machen, aber damals haben wir das eben so gemacht. Zu dem Zeitpunkt schien es die richtige Entscheidung. Ende! Wenn man ständig zurückblickt und alle hinterfragt, bringt es doch auch überhaupt nichts. Gelatscht ist gelatscht, sage ich immer. You know? Auf dem neuen Album gibt es auch einen Song darüber: „What´s done is done. The bullet left the gun.“ Ist ja auch so. Wenn die Patrone weg ist, ist sie weg. Brauchst Du nicht zu hinterfragen. Ist ja eh geschehen. Scheißegal! Bringt ja nix.

Daniel: Ihr seid ja nicht mehr die Jüngsten. Was meinst Du, wie viele Alben stecken noch so in Euch? Was meinst Du?

Wolf: Boah, keine Ahnung! Schwer zu sagen. In die Zukunft kann ich auch nicht blicken. Aber so lange es uns gut geht, und wir Spaß an der Sache haben und Energie, ist alles gut. Ich meine, wir haben jetzt vier Alben in sieben Jahren gemacht. Das ist für eine Band, in unserem Alter und mit unserem Kaliber, schon ein strammes Programm. Das ist schon eine stramme Leistung. Wir haben ganz schön durchgeackert. Ob wir das jetzt immer so machen, kann ich nicht sagen. Ich würde auch gerne mal ein Jahr Pause machen. Klar, für es sieht von außen immer so aus, dass zwischen beiden Alben drei Jahre liegen, aber die sind ja auch stramm gefüllt mit anderen Aktivitäten. Wir haben ja auch zwischendurch viel getourt, ein Video gedreht. Ich bin gerade auf Promo-Tour. Der Wacken-Gig steht an usw. Die Tage sind ganz schön voll. Das kann ich Dir sagen! Da bleibt nicht viel Zeit für anderes. Ich will jetzt nicht jammern. Es macht ja auch Spaß. Ich habe es mir auch so ausgesucht. Aber ich hätte auch gerne mal wieder Zeit für andere Sachen, die mir auf der Seele liegen.

Daniel: Na gut, dann sind wir soweit durch!

Wolf: Schön, danke!       

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Autor: Daniel Müller