KISS

Dortmund, Westfalenhalle, 12.05.2017

Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommen konnten wir von der Vorgruppe Raveneye nur noch circa zehn Minuten mit bekommen. Das Trio spielt 70er Retro Rock. Eine momentane Modeerscheinung, die mir persönlich nicht so viel sagt, aber eben auf Zuspruch stößt. Sonst bekäme eine solche Band keinen Support bei Kiss. Der letzte Song endete in einem Jam; bevor das Set beendet und der Kiss-Vorhang zum Umbau hochgezogen wurde.

Kiss-live-neu-2017Nun zum Headliner Kiss. Lange Rede; kurzer Sinn: Show, Musik, Setlist ließen keinen Grund zum Meckern. Hier wurde gehalten, was ein Kiss-Konzert verspricht. Natürlich kann man es einem Fan wie mir in Sachen Setlist nie recht machen. Jedoch waren auch diesmal Songs dabei, die bisher nicht so oft gespielt wurden, wie zum Beispiel „Flaming Youth“. Der einzige wirkliche Kritikpunkt ist Paul Stanleys Stimme. Wo früher Kraft und Power waren, ist jetzt fats nur noch Gekrächze. Der Mann ist mittlerweile fünfundsechzig Jahre alt. Als ich Kiss 2015 in Hamburg gesehen hatte, ist mir dies zum ersten Mal bewusst geworden. Nun war es noch deutlicher. Körperlich ist der Gute für sein Alter noch fit. Die selbsverständlichen Alterserscheinigungen kann aber auch Paul, wie jeder andere, nicht weg retouchieren – selbst mit Kiss-Schminke nicht. Natürlich kann man nachvollziehen, dass man sich nicht aus dem Superstar-Leben zurückziehen kann, wenn selbst bei stimmlichen Einschränkungen nach wie vor Arenen gefüllt werden. Es klingelt weiter die Kasse und das nicht zu knapp. Außerdem erhalten solche Stars jeden Abend einen Adrenalin-Kick sondergleichen, dessen Abbleiben auf Dauer bestimmt Entzugserscheinungen verursacht. Paul Stanley war und ist einer meinern Idole seit den oben genannten sechsunddreißig Jahren. Kiss haben mir damals als knapp Fünfzehnjähriger Halt gegeben. Ich habe sie sehr oft live gesehen und würde es auch noch dann tun, wenn die Jungs im Rollator auf der Bühne stehen. Aber besonders im Falle Paul sollte man sich mal überlegen, wann es Zeit ist, noch in Würde abzutreten. Ich denke, dieser Zeitpunkt ist nun gekommen. Gene Simmons´ Stimme hingegen war, neben den Gesangeseinlagen von Eric Singer und Tommy Thayer, vollkommen in Ordnung. Nach dem Motto „Wo nie etwas außergewöhnlich Edles war, kann auch nichts kaputt gehen“. Damit will ich unseren Gene natürlich nicht herabsetzen. Aber er konnte sich halt nie in die Riege Stanley, Bruce Dickinson, Rob Halford, Geoff Tate und so weiter einreihen. Das gleiche wie für Simmons gilt übrigens für Alice Cooper, Billy Idol und Mick Jagger. Wie schon erwähnt, hatten auch Tommy Thayer (bei Shock Me") und Eric Singer (bei Black Diamond") Leadgesang-Songs. Der gesanglichen Leistung muss man, unabhängig davon, ob man die Rollenübernahme von Ace Frehley und Peter Criss gut oder schlecht findet, Respekt zollen. Sie kam einwandfrei rüber; kurioserweise aber eher gewollt sehr nah am Original. Daher stellt sich die Frage, ob nicht noch mehr Ace- und Peter-Songs ins Set aufgenommen werden könnten, um Stanley zu entlasten. Ich denke aber, da wäre jedoch der Grad zur Parodie zu knapp. Alles in allem war es trotzdem ein tolles Konzert, bei dem sich abschließend die Frage stellt, wie es im Kiss-Lager weiter geht. Setzen die Bandbosse Stanley und Simmons ihre Vision in die Realität um und lassen sich letztendlich selbst ersetzen? Demnach würde dann so eine Art Kiss-Musical um die Welt reisen. Lassen wir uns überraschen, wie es die nächste Jahre bei Kiss und allen anderen alten Giganten weiter geht.



Autor: Stephan Georg Schwenke - Pics: Stephan Georg Schwenke