AMORPHIS, LONG DISTANCE CALLING

Herford, X-Herford, 29.11.2016

Amorphis laden zur 10th Anniversary Tour ihres 2006 erschienen Albums "Eclipse" ein und lassen uns in Deutschland exakt nur viermal an diesem Event teilhaben. Regensburg, Dresden, hmm, beides völlig außerhalb jeglicher Diskussionen bei einem Wohnort in Nordrhein-Westfalen. Da gibt es noch Köln am 30. November 2016 in der Essigfabrik. Köln? Mitten in der Woche bei dem scheiß Stau vor der berüchtigten LKW-Brücke und noch Teilsperrungen von Zubringern? Nee, danke. Also ab ins X-Herford am Dienstag, einen Tag vor dem Gig in Köln. Herford ist über die A 1 und dann die A30 Richtung Hannover von Münster richtig gut erreichbar. Und zur erstmaligen Location noch eine Premiere. Long Distance Calling, die Amorphis auf ihren Trips in Deutschland, Niederlande (Tilburg) und in Zürich (Schweiz) begleiten, gaben sich mir bislang auch noch nicht die Ehre und das, obwohl sie beinahe ums Eck daher kommen. Um 19:30 Uhr ist Einlass. Ganz ehrlich: Bei der Schlange und dem Pisswetter kann man die Türen auch mal etwas früher öffnen.

long distance callingDas Venue ist am heutigen Abend ziemlich voll, wenn auch nicht ganz ausverkauft und die Stimmung von vornherein ziemlich gut, als Long Distance Calling sehr pünktlich zur Tagesschauzeit die Bretter betreten. Die Münsteraner gründeten sich 2006 und nennen bereits fünf Longplayer ihr Eigen. Mit dem aktuellen "Trips" kamen sie bei Inside Out unter Vertrag und schafften es in Deutschland bis auf Platz 23 der Charts. Der Vierer aus der fahrradfreundlichsten Stadt in Deutschland, bei Wikipedia wird noch ein Sänger als fünfter Mann angegeben, zockt heute durch die Bank weg rein instrumentalen Rock. Basser Jan Hoffmann mit aufgesetztem Käppi in der Mitte, gibt offensichtlich den Fronter, hält sich aber bis auf wenige Danksagungen, vokalistisch eben völlig zurück. Bühnentechnisch sind alle Axtleute ziemlich Tiere, die richtig gut abgehen. Am auffälligsten agiert Gitarrist David Jordan mit Brille, langen Haaren und dabei im ziemlichen Hippie-Style, irgendwo stylistisch und technisch  zwischen Doom, dreckigem Stoner und Psychedelic. Die Jungs eröffnen mit "Into The Black Wide Open" einer wie auch "Trauma" derbe im Postrock angelegten und recht ausgedehnten Nummer. "Momentum" gibt dagegen einen richtig Riffer mit schnellem Drumming ab, ist fett groovend und läuft dabei irgendwo zwischen Doom und trockenem Stoner. Im Grunde genommen also ein richtig geiler Scheiß und das sehen zusehends mehr Leute im Publikum genauso wie ich. "Arecibo", der bandeigene Song, steigt merklich fetter ein und immer mehr wandeln sich die Jungs zu instrumentalen Groove-Metallern / Rockern. Zum Schluss mit "Metulsky Curse Revisited" eine ziemlich balladeske Chose mit Keyboards vom Band und begleitet vom hymnischen Klatschen, na ich will nicht sagen aller Gäste, aber nun doch schon einer ganzen Menge. Versammlung um das Drumkit und um 20:45 Uhr dann ein ziemlich fetter Abgang. Ich bin echt geflasht und so angefixt, dass ich nach dem Amorphis Gig das verfügbare Vinyl der Postrocker / Stoner in Form von örtlich drei erhältlicher Scheiben, runter gehandelt auf 50 Euronen, zur Gänze mitgenommen habe.

 

amorphisAmorphis, will sagen Shouter / Growler Tomi Joutsen und Saitenzauberer Esa Holopainen zusammen mit dem zweiten Gitarristen und ehemaligen Shouter Tomi Koivusaari, wohl die zentralen Figuren der finnischen Formation, sah ich zuletzt auf dem Wacken 2015. Ein typischer Gig mit merklich im Death Metal angelegten Rhythmen, Songs und viel Growls und mit einem Tomi an diesem speziellen Mikro. Heute wird das zehnjährige Jubiläum von "Eclipse" gefeiert, mit dem der Sänger bei Amorphis einstieg, wieder Growls in den Songs implantiert wurden, der die Finnen zurück zu Nuclear Blast brachte und der letztlich in Finnland die Combo an die Spitze der Charts hievte. Die Setlist des heutigen Abends eröffnet, mit schrägen Keyboards von "Two Moon" und Tomi, am normalen Mikro, ist richtig gut bei Stimme und hantiert ordentlich mit dem Mikroständer rum, während der Rest der Band, Fans kennen das ja, doch eher zurückhaltend agiert. Fette Growls dann bei "Leaves Scar" oder "Perkele (The God Of Fire)" und dazwischen das balladesk einsteigende "Under A Soil And Black Stone". Ruhige Tasten auch bei "The Smoke" und klasse Rhythmen und Melodien pur, die dann im super melodischen "Same Flesh" gipfeln. Tomi selbst kündigt "Brother Moon" mit "...this is a great song..." an und natürlich Beifall von allen Seiten. Auch "Empty Opening" geht in die gleiche Schiene mit viel griffigem Material, leicht melancholischen Ansätzen und schön zum Mitbewegen. Also Songs schreiben können die Finnen richtig gut. Kaum Pause und "Pirpauke" eröffnet, na soll man sagen, die zweite Wunschsetlist? Viel Klatschen zum Einstieg und mit Akustikgitarre kommen mit "Enigma", dem großartigen "My Kantele" und dem Nachzieher "From The Heaven Of My Heart" sicher absolute Übersongs der Gruppe daher. Nochmal der Groove und die so zigfach gehörte Melodie von "Sampo" und wieder ganz kurze Pause. Jubel als Tomi wieder auf die Bühne kommt, sich ganz lieb bedankt und als Zugabe dann das von mir tausendmal gehörte "Skyforger", mit dem mich Amorphis vor sieben Jahren einfing und der sich danach dann alles verfügbare Vinyl zusammenkaufte. Auch der Rausschmeißer "Silver Bride" erschien auf dem großartigen Opus "Skyforger".

 

Ein richtig guter und vor allen Dingen mal etwas anderer, weil sehr viel melodischerer Gig, als man sonst von den Finnen gewohnt ist. Long Distance Calling haben mich auf jeden Fall gewonnen. Die Location erinnert mich etwas an das Aladin in Bremen mit Tisch- und erhöhten Bereichen mit dem Merch entlang - von der Bühne aus betrachtet - linken Seite. Die rechte Bühnenseite und der Anschluss kommen im Gegensatz dazu nicht so stimmig rüber.



Autor: Andreas Gey - Pics: Andreas Gey