Leafmeal Festival

Dortmund, FZW, 05.11.2016

Da geht man jahrelang auf Konzerte im Großraum NRW, und plötzlich findet man sich in einer Location wieder, die man noch nie zuvor besucht hat. Heute sind wir also zu ersten Mal im Dortmunder FZW.  Zwei Bühnen sind angerichtet, eine kleine und eine große. Ideal, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Immerhin stehen heute zwölf Bands auf dem Programm. Und hier muss ich mal kurz und kräftig kritisieren, dass es in der Location keinen Kaffee gibt. Die anscheinend einzig vorhandene Maschine ist wohl defekt, oder kann nicht bedient werden. Leute es gibt Menschen, die anschließend noch fahren müssen und nicht um die Ecke wohnen. Auch die Nahrungsversorgung ist dürftig, die wenigen Baguettes und Pommes sind bereits nach kurzer Zeit aus. Alternativ gibt es nur die Möglichkeit, die Halle zu verlassen und eine Pommes Bude oder ähnliches aufzusuchen. Wobei man dann jedoch die gerade spielende Band verpasst. Hier ist echtes Verbesserungspotential!

powder for pigeonsPünktlich um halb drei startet jetzt die erste Band Powder For Pigeons. Das zwei Mann bzw. ein Mann und eine Frau Duo spielen herzerfrischenden Stoner Rock mit kräftigem Alternative Einschlag. An den Drums bearbeitet Meike Hindemith die Felle, während der Australier Rhys Jones Gesang und Gitarre beisteuert. Beide wissen mit perfektem Spiel zu überzeugen. Rhys Jones Stimme klingt rauh und kraftvoll, und die Band hat bei  mir schon gewonnen. Wirklich grandios, was man mit zwei Leuten auf die Beine stellen kann. Meike trifft auf den Punkt und ich frage mich gerade, woher holt das Mädel diesen Punch? Wie zum Teufel kommen aber ein Mädel aus dem Ruhrpott und der Junge aus Perth/Australien zusammen? Die Erklärung ist simpel, die beiden haben über ein Bandportal im Internet zusammengefunden und beschlossen, gemeinsam zu musizieren. Hervorragende Idee kann ich da nur sagen! Deswegen werde ich gleich im Anschluss das neue Album als Vinyl kaufen gehen.

 

gingerpigSchneller Standortwechsel zur Mainstage, wo Gingerpig soeben die Bühne entert. Äußerst gespannt auf das was da kommt, nehme ich Position ein und drücke den Gehörschutz rein. Immerhin spielt hier kein Geringerer als Boudewijn Bonebakker! Ja genau, der von Gorefest! Aber was höre ich da jetzt? Astreinen Hard Rock, irgendwo zwischen Black Sabbath und der NWOBHM. Psychedelische Sprenkel runden das Bild wunderbar ab. Das ist richtig geil und macht verdammt viel Spaß. Sound- und Gesangstechnisch haben sich Gingerpig zurückgebeamt in die Siebziger und spielen mit so viel Inbrunst, dass man sich wirklich in diese Zeit zurückversetzt fühlt. Unglaublich, was Mr. Bonebakker da ins Leben gerufen hat, hätte ich ihm wirklich nicht zugetraut. Aber so kann man sich täuschen.

Setlist: March Of The Gingerpig, Undefined Call, Joe Cool The Fool, Run, Dimlight, Burning Up The Road, Nothing, Stay Down, Ugly Heart.

 

albez duzNun wieder rüber zur Clubstage. Hier spielen jetzt Albez Duz auf. Recht wenig Licht lässt die Musiker gerade so erahnen, überhaupt ist im Bereich der Clubstage sehr magere Beleuchtung. So sieht man auch wenig von der hübschen Gitarristin Julia Neuman, der einzigen Amerikanerin in der sonst aus Berlin stammenden Band. Ihr virtuoses Spiel gefällt mir, quasi das Highlight der Band. Ansonsten ist der doomige Okkult Rock heute Abend nicht so ganz mein Ding. Erstens bin ich gut gelaunt und brauche keine depressive Musik, zweitens gibt es bereits reichlich Bands, die dieses Genre mehr als ausreichend bedienen. Wobei ich die Grundideen der Songs gar nicht übel finde, aber sie sind für meinen Geschmack einfach zu lang. Einen Song von acht Minuten und länger zu komponieren ist mal nicht so einfach, und so kommen hier teilweise unnötige Längen auf, die den Spannungsbogen zusammenbrechen lassen. Vor allem hier und jetzt live kommt da so ein wenig wie Kaugummi rüber. Trotzdem sind etliche Fans vor der Bühne, die ihren Spaß daran haben. Nicht, dass mich einer falsch versteht, die Musiker sind wirklich gut, aber ich muss mich wohl mal in Ruhe in das Songmaterial des gerade veröffentlichten Album „Wings Of Tzinacan“ reinhören. Geschmäcker sind eben vielfältig, und es ist gut, dass es so ist.

 

villagers of ionnina cityUnd weiter geht es auf der Mainstage mit den Villagers Of Ioannina City und so sperrig wie der Bandname ist auch die dargebotene Musik. Diese experimentelle, psychedelische Rock Band aus Griechenland muss man mögen, um dem der Mischung aus Post Stoner Rock und traditioneller griechischer Folkmusik etwas abzugewinnen. Das Quintett mischt Progressive Rock mit Stonerelementen und lässt dazu Folkmelodien mit einfließen. Klarinette und ein Instrument, das aussieht wie ein gehäutetes Ferkel, gehören dazu. Wenn ich mich richtig informiert habe, nennt sich das merkwürdige Teil Tsabúna und ist eine Art Dudelsack, der in der griechischen Folkmusik seinen Platz hat. Mich will diese Art der Musik nicht so recht packen und so mache ich mich auf den Weg zur Merchmeile und stöbere ein wenig im Vinylangebot.

 

sahgZurück an der Clubstage sind jetzt Sahg aus Norwegen am Zuge. Und hier kommt direkt Freude auf, klassischer Hard Rock im Geiste von Black Sabbath und Deep Purple windet sich kraftvoll in meine Gehörgänge. Sänger Olav Iversen, der die Band bereits 2004 mit Musikern von Gorgoroth und Audrey Horne gegründet hat, ist heute einziges verbliebenes Originalmitglied. Der sehr eigenwillige Gesangsstil von Olav ist sicher nicht jedermanns Sache, mir gefällt die Performance heute definitiv. Irgendwie die Quintessenz aus Candlemass, Mastodon und Dio, um es mal einigermaßen einzuordnen. Songs überzeugen durch Effekt beladene, sphärische Gitarrenriffs und hypnotischem Gesang. Die eingängigen Refrains werden von fetten Bratgitarren unterlegt. Leider sind Setlists heute echt Mangelware, aber es sei gesagt, dass auch Stücke vom neuen Album „Memento Mori“ gespielt werden. Eine muntere Reise durch die verschiedenen Genres im Hard Rock, die Lust auf eine längere Show macht.

 

secrets of the moonJetzt schnell wieder rüber an die Mainstage, aber der Ablauf ist wirklich lobenswert und so verpasse ich auch den Start von Secrets Of The Moon nicht. Die deutschen Black Metaler aus Osnabrück haben eine sehr nette Lady am Merch, die mir quasi schon die ganze Bandgeschichte ins Ohr geflüstert hat. Leider vermisse ich die Bassistin Naamah Ash, anscheinend gab es hier einen Wechsel in der Band Besetzung. Der Werdegang dieser Band ist geprägt von Besetzungswechseln, und so ist von der ursprünglichen Mannschaft heute niemand mehr am Start. Das für Black Metal sehr rockige Gesamtkonzept kann durchaus gefallen, obwohl es nicht so ganz meine Richtung ist. Und auch hier hat sich wieder eine Fangruppe eingefunden, die ihre Band vor der Bühne feiert. Mittlerweile ist auch die Location recht gut gefüllt, und die diversen Künstler müssen nicht vor leerer Halle spielen.

Setlist: No More Colours, Dirty Black, Man Behind The Sun, Hole, Here Lies The Sun, I Took The Sky Away, Mark Of Cain.

 

ketzerDie nächste Kapelle stammt ebenfalls aus Deutschland, und hört auf den wohlklingenden Namen Ketzer. Die Jungs aus Köln ordne ich jetzt mal im Großraum Trash Black Death Metal ein. Irgendwie ist von jedem Genre ein wenig dabei. Etwas verwundert nehme ich zur Kenntnis, dass die Einflüsse der Band laut eigener Aussage bei Judas Priest, Iron Maiden und Black Sabbath liegen. Die seit 2003 zusammen spielende Formation weiß durch eine melodiöse und talentierte Performance zu gefallen. Die Songs sind abwechslungsreich, teilweise auch etwas doomiger. Ein Prise Aggression hier und da eingesetzt, spricht für die Ketzer. Einst als talentierteste Nachwuchsband Deutschlands bezeichnet (Rock Hard Magazin im Mai 2010), hört man die ständige Weiterentwicklung deutlich an den Songs aus verschiedenen Schaffensphasen.

Setlist: Starless, Satan's Boundaries Unchained, The Fever's Tide, When Milk Runs Dry, Endzeit, Count to Ten, Godface, He Who Stands Behind the Rows, The Fire To Conquer The World.

 

voivodAuf nach Kanada heißt es nun bzw. zur Mainstage auf der sich gerade Voivod in Position bringen. Die Jungs gehören nach wie vor zu meinen Alltime Favorites, und geben auch direkt richtig Gas. Dieser muntere Mix aus Thrash Metal und Progressive Metal mit Einflüssen aus Industrial und Elektro hat eine unverkennbare Note. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Franko Kanadier sich nicht kaputt touren wie so viele andere Kollegen (O-Ton eines Bandmitgliedes: Meinst du ich hab Lust acht Monate im Jahr auf Tour zu sein?). So bleibt die Spielfreude erhalten und man geht sich nicht so schnell auf den Senkel. Und das ist spürbar heute Abend, lange habe ich nicht mehr so ein motiviertes Set einer Band gesehen. Obwohl Voivod ja schon ein Urgestein in der Szene ist, die sich Anfang der achtziger Jahre gegründet haben. Einzig verbliebenes Originalmitglied ist Schlagzeuger Michel „Away“ Langevin. Es macht auf jeden Fall riesig Spaß, die alten und neueren Songs heute mal wieder live zu hören. Der Sound ist klasse, die Stimmung auf hohem Level. Es knallt einfach, so hatte ich mir das vorgestellt. Absolutes Highlight natürlich die Version von Pink Floyds „Astronomy Domine“, einfach astronomisch genial.

Setlist: Killing Technology, Tribal Convictions, The Unknown Knows, Overreaction, Fall, Korgull, The Prow, Post Society, Psychic Vacuum, Voivod, Astronomy Domine.

 

lord dyingGroße Pausen sind heute eher Mangelware, das Programm läuft wie am Schnürchen. Der technische Ablauf ist gut organisiert. So können auch Lord Dying pünktlich ihren Set starten. Aus Oregon stammt die Band mit einem Urviech am Gesang, ich schätze Erik Olsen auf ungefähr zweimal Meat Loaf. Erstaunlich wie beweglich er dabei noch ist. Doomig, sludgig und hammermäßig riffig knallt mir das Songmaterial um die Ohren. Hier werden keine Kompromisse gemacht, keine Gefangenen, im Gegenteil: Die Parole ist es, die Hütte abzureißen. Zumindest bildlich gesehen. Mit einer gewissen Situationskomik überzeugt auch die auf einen Pappteller gekritzelte Setlist. So, als hätte man eben nach der Portion Pommes beschlossen, was heute denn gespielt wird. Aber es läuft gut, und der Gig macht Spaß. Zurzeit sind sie übrigens zusammen mit Entombed A.D. und Voivod auf Europa Tour, daher heute der Abstecher aller drei nach Dortmund zum Leafmeal Festival.

Setlist: The Clearing At The End Of The Path, What Is Not, A Wound Outside Of Time, Suckling At The Teat Of A She-Beast, (All Hopes Of A New Day)...Extinguished, Darkness Remains.

 

entombed a.d.Nun wird es mit Entombed A.D. aber richtig laut und schnell. Als gäbe es kein Morgen mehr, rotzen die Jungs ihre Songs dem Publikum auf die Trommelfelle. Hieß es vor etwa zwei Jahren noch Entombed ist tot, kann man jetzt brüllen: Lang lebe Entombed A.D.! Überhören kann man sie beim besten Willen heute nicht, Sänger  Lars Göran Petrov röhrt, growlt und rockt sich den Arsch ab wie ein Derwisch. Aber auch seine Mitstreiter Olle Dahlstedt (Drums), Nico Elgstrand (Gitarre) und Victor Brandt (Bass) zeigen dem Publikum mal, was man in Schweden so unter lauter Musik versteht. Diese einzigartige Mischung aus kranken, angepissten Texten, tonnenschweren Groves und massivem Riffing zieht mich in ihren Bann. So finde ich Death Metal unterhaltsam und kann den Auftritt voll genießen. Dass wir es gerade im Moment mit Schweden zu tun haben, zeigt natürlich der Bierkonsum auf der Bühne, insbesondere Lars Göran Petrov lässt es sich nicht nehmen, zwischen den Songs die Parole „Noch Ein Bier“ immer wieder auszurufen. Und nett wie er ist, lässt er auch die Front Row nicht verdursten. Das treibt den Umsatz hoch und die Location wird wohl ein dickes Plus einfahren. Leider gab es keine Setlist, aber den absoluten Hammersong „Left Hand Path“ habe ich dann doch noch erkannt.

 

jess and the ancient onesAuf zum Endspurt in Richtung Clubstage. Hier spielt nun die mir völlig unbekannte Jess And The Ancient Ones auf. Nur mit Mühe komme ich noch die Treppe runter Richtung Bühne, scheinbar ist die Lady dem einen oder anderen doch bekannt, denn so voll wie jetzt war es den ganzen Abend noch nicht in dem kleinen Saal. Und mit den ersten Klängen wird mir direkt klar, warum das so ist: Wow, das geht ja ab wie die Hölle! Blues Pills auf Speed oder so ähnlich. Das rockt, das groovt, das ist der Rhythmus wo jeder mit muss. Jess röhrt und stampft, die Jungs rocken wie Wahnsinnige. Warum sind die bisher an mir vorbei gegangen? Gut, eine Erklärung wäre die Herkunft. Jess und ihre Ancient Ones kommen aus dem fernen Kuopio in der finnischen Region Savo. Die größte Stadt Ostfinnlands übrigens. Einige Mitglieder stammen aus der Death- und Trash Metal Band Deathchain. Davon ist hier und heute allerdings nichts zu merken. Das was die Band selber als Psychedelic Rock betitelt, ist einfach nur geiler Stoff. Keine Chance ruhig stehen zu bleiben. Im Publikum entdecke ich Vic Anselmo (Anneke Van Giersbergen, The Sirens), die ebenso fasziniert mitgeht wie der Rest im Saal. Verdienterweise besetzen Jess And The Ancient Ones den Headlinerposten auf der Clubstage.

 

avatariumSo, noch ein letzter Wechsel rüber in den großen Saal, um Avatarium zu sehen. Aufgrund der Länge der Veranstaltung ist es aber bereits deutlich leerer geworden. Auch so ein Problem, wenn man als letzte von insgesamt zwölf Bands spielt. Hier zieht sich zum ersten Mal heute Abend der Soundcheck etwas in die Länge. Doch jetzt ist es soweit, und die bezaubernde Jennie-Ann Smith betritt die Bühne. Diese Frau ist der Wahnsinn, schon von der ersten Platte an hat sie mich in ihren Bann gezogen. Immer freundlich und zu einem Plausch aufgelegt, wenn man sie vor oder nach dem Gig irgendwo trifft. Unvergessen unser Interview im Turock. Also kurz Augenkontakt aufnehmen und siehe da, ein freudiges Blitzen erhellt ihre Augen. Avatarium machen einfach Spaß, es passt einfach alles zusammen. Die Songlinien, der Gesang mit Gänsehautfaktor und das Zusammenspiel der Musiker. Mehrfach greift auch Jennie-Ann zur Akustikgitarre und gibt den Stücken den richtigen Kick. Viele Einflüsse aus der guten, alten Black Sabbath Zeit, und doch sind es vollkommen eigenständige Songs. Sie packen einen und es ist schwer, sich dem Bann der Musik zu entziehen, aber genau das ist es, was eine Band und deren Songmaterial ausmacht. "Give Them Something To Remember" gebe ich euch als Schlußwort mit auf den Weg. Und so kacheln wir zufrieden, aber hungrig, zurück nach Köln.

Setlist: Bird Of Prey, Moonhorse, All I Want, Tides Of Telepathy, Run Killer Run, Pearls And Coffins, Avatarium.

 



Autor: Pistol Schmidt - Pics: Andrea Breitenbach