ENORM, THEKENPROLETEN

Rottweil, Primels Bar, 15.10.2016

Eine Landstraße mitten im tiefsten Schwarzwald. Das Navi sagt „in hundertfünfzig Metern haben sie ihr Ziel erreicht!" Ich schaue nach links. Wald. Ich schaue nach rechts. Wald. Gerade als ich mich frage, ob mein Navi richtig funktioniert, taucht vor mir eine winzige Ortschaft auf. Das erste Haus ziert ein Schild, darauf prangt der Schriftzug „Primels Bar“. Diese kleine, aber sehr atmosphärische Bar in der Nähe von Rottweil, ist der Schauplatz des heutigen Konzertabends. Die Berliner Deutschrocker von Enorm feiern ihr zehnjähriges Bandbestehen und zwar wie es sich gehört, mit einem Album und einer Tour. Beides Trägt den Namen „Zehn“. Mit von der Partie, die Thekenproleten mit ihrem bewährten Prollrock, wie sie ihre Musik selbst nennen. Für diese ist es am heutigen Abend quasi ein Heimspiel. Da ich noch ein Interview mit Enorm ausgemacht hatte, waren wir bereits zum Soundcheck zugegen und schon dabei hat man gemerkt, welche Lust die beiden Bands auf den heutigen Abend haben. Es wird ausgelassen herumgealbert, viel gelacht und auch schon der ein oder andere Schluck Alkohol konsumiert. Ursprünglich hätte es um zwanzig Uhr anfangen sollen, doch man einigt sich kurzfristig darauf, eine Stunde später zu beginnen, damit die Party nicht so früh schon wieder vorbei ist. Nun könnte man meinen, dass der ein oder andere unwissende Fan über diese Stunde Verzögerung verärgert sein könnte. Doch davon ist nichts zu spüren. Ab dem Öffnen der Türen ist die Stimmung in der kleinen Bar fröhlich, bierselig und spannungsgeladen.

 

thekenproletenPünktlich eine Stunde nach dem ursprünglich angesetzten Beginn stehen die Thekenproleten dann auch auf der Bühne. Die fünf Jungs machen auch gleich klar, mit wem man es hier zu tun hat. Die Aussage des Openers: „Wir sind Thekenproleten!“ Während des ersten Songs gibt es einen schmerzenden Quietscher, ansonsten ist der Sound aber gut. Den Titel „Baggerfahrer Erika“ spielen sie nur unter der Bedingung, dass das Publikum mitsingt, was prompt geschehen ist. Während die Gitarren nachgestimmt werden müssen, entschließen sich Sänger Basti und der mit einer Penismütze verzierte Schlagzeuger Fino einer Version des Klassikers „Alkohol“ der Böhsen Onkelz wiederzugeben, was euphorischen Gesang im Publikum auslöst. Während dem Auftritt der Thekenproleten ist auch Markus, seines Zeichens Sänger des heutigen Mainacts, zugegen und filmt die Prolls für Enorms Tour Blog. Der Titel „Arschloch“ wird sogar in einer speziellen Enormtour Edition gespielt, dazu wird die erste Strophe plus Refrain des Ärztesongs „Schrei Nach Liebe“ kurzerhand in den Track integriert. Nun muss man wissen, die Thekenproleten pflegen eine enge Freundschaft mit der Südtiroler Southcore Band Foiernacht und deshalb widmen sie ihnen auch den Titel „Zeit Bleib Stehen“, welcher eigentlich auch ein Titel Foiernachts ist. Nach einem flachen Wortwitz, „den nächsten Song spielen wir auch in einer enorm guten Version“, wird dann angekündigt, dass die Prolls sich auf Schlager verlegen wollen, worauf auch postwendend „Griechischer Wein“ folgt. Den Abschluss ihres Sets bildet dann ihr Gassenhauer „Des Kleinen Mannes Sonnenschein“, welcher auch eine Hommage ans AGF-Radio, dem größten Webradio für Deutschrock, enthält. Das Publikum feiert den A frenetisch ab und quittiert die Leistung der ersten Band mit wildem Applaus, dann strömt die Mehrheit der Bar zu. Die kurze Umbaupause, bevor die heutige Hauptband die Bühne betritt, will genutzt werden, sich die Kehlen angemessen zu befeuchten.

 

enormViele haben vermutlich mit einer längeren Pause gerechnet. Zumindest ist das die einzige Erklärung, die mir einfällt, warum es vor der Bühne noch recht leer ist, als Enorm mit ihrem Auftritt beginnen. Denn von Anfang an strahlen die Jungs, bestehend aus Sänger Markus, dem Gitarristen Paul und Rob, Bassist Marco und Drummer Tutschi eine Präsenz aus, mit der sie auch einer erheblich größere Bühne hätten füllen können. Wobei die anfangs etwas verhaltene Reaktion auch damit zusammen hängen könnte, dass der Sound nachjustiert werden musste, was aber auch schnell und mit bestem Ergebnis erledigt ist. Als Markus dann aber erklärt, dass beim nächsten Song ein Video gemacht wird, in dem man beweisen kann, dass die Stimmung hier noch besser ist als sie es bei den vorherigen Konzerten der Tour war, folgten die Leute seinem Aufruf vor die Bühne zu kommen. Der passende Titel dazu ist „Lass Mich Dein Held Sein“. Ein Song für alle Kinder und für alle Eltern. Beim emotionalen Einstieg des Songs schwingen die Feuerzeuge hin und her, als der knackigere Teil beginnt, kocht das Publikum. Dann unterbricht Markus den Song und erreicht, dass die ganze Bar auf die Knie geht. Als der Titel dann fortgesetzt wird, springen die Leute auf und drehen endgültig durch. Ab diesem Zeitpunkt wird jeder einzelne Song wild gefeiert und vor der Bühne kommt der Moshpit kaum noch zur Ruhe. Einer der absoluten Kracher im Set Enorms ist immer der Titel „Der Bauer“, welcher auch hier einschlug wie eine Bombe. Am Ende des Songs stürmt ein offensichtlich stark alkoholisierter Fan auf die Bühne und wird gleich zum Gegenstand der nächsten Ansage. Mit den Worten „Ich weiß genau was du morgen denken wirst!“ kündigt Markus den Titel „Nie Wieder Alkohol“ an. Insgesamt enthält das Set logischerweise viele Titel der neusten CD, wie „Gefühl In Vinyl“, „Immer Noch Da“, „Das Glas In Meiner Hand“ und viele weitere. Ein weiteres Highlight ist es, als Gitarrist Paul ins Publikum steigt und die Fans wild im Kreis um ihn herum springen, während er hier unten und der Rest der Band auf der Bühne oben alles geben. Zum Titel „Durchdrehn“ werden dann auch noch einmal die Thekenproleten auf die Bühne geholt. Markus ruft ihren Namen und die Leute schreien, Basti ruft Enorm und die Leute schreien. Beide zusammen rufen Bier und die Leute schreien noch viel Lauter. Als Enorm wenige Minuten nach Mitternacht die Bühne verlassen, feiert das Publikum noch immer. Die Energie, die beide Acts heute ausstrahlten, ist noch lange nach Ende der Konzerte spürbar. Zunächst hat man am Merchstand und danach mal hier, mal da in der ganzen Bar die Gelegenheit, mit den Musikern zu sprechen und zu zechen. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, nach den Konzerten recht bald den Heimweg anzutreten. Aber nach diesen wahnsinns Auftritten war ich so euphorisiert, dass ich dann schon einer der letzten war, der gegen zwei Uhr morgens Primels Bar verlassen hat. Wer diese beiden Bands mag, oder auch nur eine von ihnen, oder auch keine der beiden kennt, aber auf guten Deutschrock steht, der sollte dringend zusehen, dass er eines der noch ausstehenden Konzerte dieser Tour besuchen kann. Es war ein denkwürdiger Abend, an den ich so wie der Rest der zahlreich erschienenen Leute noch lange denken werde. Um nun mit einem naheliegenden und genauso flachem, aber auch einfach zutreffenden Wortwitz meinen Bericht zu beschließen: Dieser Abend war 'enorm' gut!



Autor: Chirs Föhrenbach - Pics: Chirs Föhrenbach