TARJA, ANGRA, SCARLET AURA

Köln, Live Music Hall, 11.10.2016

scarlet auraWar es jetzt eine glückliche Fügung oder einfach nur Zufall? Vor gut einer Woche durfte ich die CD „Falling Sky“ der mir bis dahin vollkommen unbekannten Scarlet Aura besprechen, und war begeistert von dem Album. Der aufmerksame Leser wird sich erinnern, dass es von mir eine Neun-Punkte-Bewertung gab. Und heute also komme ich in den Genuss, diese Band aus Rumänien im Vorprogramm von der Grand Dame des Symphonic Rock, Tarja Turunen, live zu erleben. Und ich habe mich nicht getäuscht, so souverän wie die Songs daheim aus den Boxen perlen, kommt auch die Live Performance. Druckvoll, mit viel Spielfreude und einer Sängerin, die nicht nur durch stimmliche Qualität überzeugt. Jetzt mal ehrlich, wer bei diesem Anblick unberührt bleibt, sollte sich mal durchchecken lassen. Es macht richtig Spaß,  Scarlet Aura zu sehen und zu hören. Und trotz der knappen Zeit schafft es Aura immer wieder, Farbkleckser in das sowieso schon kurzweilige Set einzubauen, ob mit Indianerfederschmuck oder Engelsflügeln. Das Songmaterial ist selbstredend aus dem gerade erst erschienenen Album und rockt verdammt geil ab, dazu ein klasse Sound und sogar gescheite Beleuchtung. Dies ist bei Supportbands leider selten genug, dafür stimmt hier heute alles. Und auch wenn das Set viel zu kurz ist, schafft die Band es als relativ unbekannter Opener spielend das anwesende Publikum zu begeistern. Wie sonst sollte man den aufbrandenden Applaus erklären? Diese Band möchte ich als Headliner sehen oder wenigstens mit einem deutlich längeren Programm. Wie ich später von Basser Catalin erfahren werde, ist das Touren mit Tarja eine wahre Freude. Sie ist herzlich, menschlich und sehr korrekt im Umgang mit den Bands und der Crew. Schön, wenn das öfters so wäre. Scarlet Aurawerde ich definitiv im Auge behalten, und hoffe sie bald wieder live sehen zu können! Die sympathische Band spielt in der Besetzung Aura Danciulescu (Gesang), Mijhai Daniculescu (Gitarre), Matthias Klaus (Drums) und Catalin Ungureanu (Bass). Eine kurze Umbaupause gibt mir Zeit, noch etwas mit Aura und ihren Jungs zu quatschen. Eine supernette Truppe, die bereitwillig für Fotos posiert und CDs signieren.

Setlist: Immortal In Your Eyes, Shamanic Eye, My Own Nightmare, You're Not Alone, Falling Sky, Colour Blind.

 

angraAber jetzt erklingt das Intro und Angrastarten ihren Auftritt mit „Newborn Me“ vom Album „Secret Garden“. Auch  hier wieder fetter Sound, geiles Licht und das Wichtigste, eine spielfreudige Band. Angraexistieren seit 1991 in wechselnder Besetzung. Heute ist das einzig verbliebene Originalmitglied Rafael Bittencourt an der Gitarre. Als Sänger hat man sich den genialen Fabio Lione von Rhapsody Of Fire mit ins Boot geholt und präsentiert alte und neue Songs auf technisch höchstem Niveau. Als Reminiszenz an die Fans der älteren Generation besteht die Hälfte des Sets aus Songs vor 2000, und diese werden selbstverständlich gebührend gefeiert. Mir scheint, ein großer Teil ist heute extra wegen den Brasilianern gekommen, zumal diese sich in den letzten Jahren mehr als rar gemacht haben. Zumindest in deutschen Konzerthallen und Arenen. Habe ich mich eben noch über die absolut athletische Figur des Keyboarders gewundert, erklärt die nun folgende Capoeira Einlage (Capoeira ist eine brasilianische Kampfkunst bzw. ein Kampftanz, dessen Ursprung auf den afrikanischen NíGolo („Zebratanz“) zurückgeführt wird) so einiges. Die Damenwelt ist angesichts dieses optischen Highlights natürlich begeistert. Der Junge kann was! Und so fliegt die Zeit vorbei, und ich nutze die Umbaupause für ein kühles Blondes.

Setlist: Intro/Newborn Me, Wings Of Reality, Nothing To Say, Time, Waiting Silence, Final Light, Holy Land, Angels And Demons, Rebirth, Nova Era.

 

tarjaDie Bühne ist angerichtet, die Band nimmt ihre Positionen ein, ein Scheinwerfergitter schwebt wie ein Vorhang auf der Bühnenkante und dann kommt Tarja. Die ungekrönte Königin, ach was sage ich, die Göttin des Symphonic Metals gleitet majestätisch auf die Bühne und fährt das volle Brett. Wow, diese Frau ist unerreicht und unter allen Damen dieses Genres kann ihr derzeit keiner das Wasser reichen. Die pure Lust am Singen strömt von der Bühne ins Publikum, immer wieder agiert sie mit dem Publikum und ihrer Band. Das hat einfach Klasse, und es rockt heute extrem. So kräftig habe ich Tarja selten erlebt, sie gibt alles und hat einen Riesenspaß. Geringfügiges Dröhnen im Bassbereich hat man fix unter Kontrolle, und so genieße ich auch jetzt wieder den geilen Sound und eine phantastische Lichtshow. Übrigens ohne die üblichen, nervigen Stroboblitzer, die einem mittlerweile gehörig auf den Senkel gehen. Tarja weiß zu begeistern und ihre stimmlichen Qualitäten sorgen immer wieder für wohlige Schauern. Überhaupt, dieses Strahlen in ihrem Gesicht, die Freude ihre Lieder zu präsentieren, das Zusammenspiel mit einer wirklich tollen Besetzung lohnt den Besuch heute Abend. Wie immer ist auch Max Lilja wieder mit von der Partie, der gekonnt seinen Kontrabass streicht. An den Drums schwingt Timm Schreiner die Sticks, ohne sich in die Mitte des Geschehens zu katapultieren. Alex Scholp dürfte hinlänglich bekannt sein, da er ja schon seit langem Tarjas  Tourneen begleitet. Christian Kretschmar und Kevin Chown komplettieren das Ensemble, alles in allem eine sehr gute Wahl. Zwischendurch zieht Tarja sich um, und man setzt sich in gemütlicher Runde auf der Bühne zusammen und zeigt, dass man auch akustisch eine geile Performance darbieten kann. Dieses kurze Zwischenspiel währt allerdings nicht lange, und wieder geht es in die Vollen. Es rockt heute wirklich, bis der Arzt kommt. Vielleicht stimmen auch die Vermutungen einiger weiblicher Anwesenden, die Tarja eine kommende Mutterfreude ansehen wollen. Spekulation? Ich weiß es nicht, aber einige Anzeichen könnte man schon so auslegen. Nun ist es 23:15 Uhr und ein phantastischer Abend mit drei superben Bands geht leider zu Ende. Einziger Kritikpunkt heute ist mal wieder die Fehlinformation über die Zeiten. Laut den Eventdetails auf der Webseite der LMH sollte es erst um 20:00 Uhr losgehen, Tatsache ist, dass Scarlet Aura bereits um 19:30 Uhr auf der Bühne standen und ihren Set gegen 20:05 Uhr durch hatten.

Setlist: No Bitter End, 500 Letters, Eagle Eye, Demons In You, Lucid Dreamer, The Living End, Calling From The Wild, Nightwish Medley, I Walk Alone (akustisch), Love To Hate, Victim Of Ritual, Too Many, Innocence, Die Alive, Until My Last Breath.



Autor: Pistol Schmidt - Pics: Andrea Breitenbach