Bang Your Head Festival 2016

Balingen, Messegelände, 14.07.2016 – 16.07.2016

Die Klüsen leicht gereizt…kein Wunder, wurde es gestern doch ziemlich spät. Das Wetter ist schon ziemlich prall, aber die Zuschauerzahlen an diesem Donnerstagmorgen lassen noch zu wünschen übrig. Klar, viele müssen noch arbeiten und nehmen natürlich keinen Tag frei für ein Festival. Dafür schien etlichen Ferngebliebenen das Billing des heutigen Tages, bis auf Candlemass und natürlich Slayer, zu mager. Ich hingegen hatte die Vorfreude auf Leatherwolf, Babylon AD, Dare und insbesondere Voodoo X auf der Stirn getackert.

Tag 1, Donnerstag, 14.07.2016:

stallionDoch es geht los mit den Rockern von Stallion, die mir live bislang noch nicht unter die Lupe gekommen sind. Bei Bands, die dem New Wave Of British Heavy Metal frönen, spielt das Outfit unbedingt eine Rolle und so enttäuschen die Jungs nicht. Das gilt derweil genauso für das tighte Set, deren Songs die meisten Anwesenden von der Debüt-EP „Mounting The World“, als auch vom aktuellen Album „Rise And Ride“ kennen. Da wird gepost was das Zeug hält und die dankbaren Fans sind kurzer Hand bester Laune. Immer wieder erstaunlich wie gut die Opening Acts hier agieren. Man weiß was man für diesen Posten als Newcomer schuldig ist. Davon könnten sich manche größere Acts eine fette Scheibe abschneiden. Aushängeschild mit Pornobremse und Sänger Pauly fällt mit seinen Vocals besonders ins Gewicht. Bereit für den Rest des Tages!

 

leatherwolfLeatherwolf sind keine Fremden auf den Brettern von Balingen. Fehlte Sänger Michael Olivieri damals auf der Bühne, ist er nun wieder Bestandteil der Band, was mich in Sachen Gesang natürlich sehr freute, aber die Mädels sind von der Optik nicht weniger begeistert. Komisch, dass das bei den heutigen ach so „starken und selbstbewussten“ Frauen immer noch eine Rolle spielt. Die Jungs liefern mächtig ab, was bei einer Hitparade mit Klassikern wie „Gypsies And Thieves“, „Street Ready“, „Season Of The Witch“, „Rise Or Fall“ und dem obligatorischen „Hideaway“ nicht so kompliziert ist. Die Triple Axe Attack ist ein Segen für die Fotografen und soundtechnisch für jeden Metal-Freak. Selbst die ruhigeren Töne werden von der nun dichteren Masse gefeiert. Als Auftakt für die noch kommenden Melodic-Acts richtig gut…obschon ich mich, gerade in Hinsicht auf Babylon AD, über den frühen Posten im Billing gewundert habe. Diese Formation dürfte hier ruhig mal auf eine
fette Tour gehen.

 

babylon a.d.Anfang der 90er-Jahre hatte ich das Glück, Babylon A.D. in Toronto, (Kanada) auf ihrer letzten Tour zu sehen. Optisch waren die Grunge-Zeiten bereits eingeläutet, nur musikalisch hielten die Jungs sich tapfer. Ein Wunder für mich, dass sie heute hier sind. Ich hatte sie bereits aufgegeben. Das geht hier vielen so, obwohl ich immer dachte, dass außer mir die Band in Deutschland niemand wahrgenommen hat. 2013 also die Reunion und Gott sei Dank in Originalbesetzung. Live einfach ein Ohrenschmaus. Klar, dass man die Bandhits gibt und sich neues Material von der Backe putzt. Ich habe nichts anderes erwartet und das ist gut so. Müde ist hier niemand und deshalb kommt das erste Mal richtig Partylaune auf. Das Wetter spielt weiterhin mit und die Zuschauer, ob sie nun die Truppe kennen oder nicht, ebenfalls. Mit Wehmut denke ich kurz an alte Zeiten zurück, mit Unterstützung von „The Kid Goes Wild“, „Hammer Swings Down“ und „Bang Go The Bells“, aber das hält nicht lange an. Das Hier und Jetzt mit einer derart geilen Performance macht mich stark für den Rest des Tages. Welcome back!



battle beastDie Finnen Battle Beast konnten das letzte Mal in der Halle bewundert werden. Heuer gibt man sich die Ehre auf der Außenbühne. Der Auftritt ist gut und dennoch hat mir die dunkle Atmosphäre im Indoor-Bereich für die Band besser gefallen. Sängerin Noora und ihre Mannen beweisen ein weiteres Mal, warum ihr Senkrechtstart berechtigt ist. Vor der Bühne gibt es als Beweis das erste Mal richtig Bewegung. Natürlich ist der Fotograf in mir bedacht, gute Pics von einer der wenigen Frauen hier zu machen, die Bestandteil einer Band sind. Und das Posen und große Gesten liegt Noora im Blut. Machen Finnen eigentlich noch was anderes als Musik? Ach ja, lauter Zeugs mit Lakritz. Noora, nun mit blondem Irokesenschnitt…vielleicht als Pendant zu Jean Beauvoir (Voodoo X), brennt auf jeden Fall die Bühne ab und hat eine starke Mannschaft im Rücken. Vielleicht sind die Kompositionen etwas „cheesy“, aber das stört hier niemanden.

 

the dead daisiesThe Dead Daisies ist eine All-Star-Band, die einiges versprochen hat und gekommen ist, um alles zu halten. Mission erfüllt. Mit bluesigen Hard-Rock a la Whitesnake und Konsorten sprechen sie das Gros des Publikums fachgerecht an, übertreiben nicht mit überkandidelten Gitarrensoli oder mit Machogelaber am Mikrofon. Hier hat jeder seinen Platz und zusammen ist es eine perfekte Symbiose, wenn man die Erwartung an Innovation außen vorlässt. Mit „Make Some Noise“ hat das relativ neue Line-Up, aktuelles Material mitgebracht, aber aufgrund der Reaktion im Publikum, das lauthals alles mitsingt, gab es keine Probleme. Auch hier stelle ich wieder den Optik-Faktor fest, da sich links und rechts von mir so manche Chikas (wegen Gitarrist Doug Aldrich, damals bei Whitesnake, ex-Mötley Crüe Shouter John Corabi und Basser Marco Mendoza, ehemals Thin Lizzy) kaum einkriegen. Ewige „Doug, Doug, Doug“-Rufe vergrätzen mir so manchen Song. Und die sind richtig cool und aus dem Bauch. Und trotzdem wird es im Publikum zunehmend lichter. Mag es an den zu vielen Coversongs liegen, dem überflüssigen Drumsolo oder was auch immer…ich hatte Spaß. Und meine Freundin erst: „Doug, Doug“…haha…

 

dragonforceOk, eins vorneweg…Dragonforce ist eine Band, die ich überhaupt nicht brauche. Was nicht an der Performance im Allgemeinen liegt, sondern komplett an der Musik und ganz bestimmt an den Vocals von Marc Hudson. Das Power-Metal-Eunuchen Gejaule lässt mich völlig kalt. Und dann geht mir, als ich vom Fotoshooting von der Bühne komme, der kleine Erdzwerg von Bandmanager auf den Sack, der angeblich keine Bühnenfotos genehmigt hat. Hallo? Vorher mit dem Fotografen sprechen! Leider darf man seitlich auf der Bühne keine Backpfeifen verteilen. Das landet auf Facebook. Zurück zur Band. Dummerweise sind die Musiker heute nicht so präsent auf den Brettern wie ich es von ihnen gehört habe. Aber der Sympathiefaktor greift und die Fans vorne sind nicht zu stoppen. Also muss ja was richtig laufen. Mag es die Auswahl an Bandklassikern sein oder das fundierte und tighte Spiel. Spielt auch keine Rolle, wenn die Anhänger derart aus dem Häuschen sind, hat man alles richtig gemacht. Vielleicht kommen die Jungs das nächste Mal lieber mit einer Bandmanagerin. Von Frauen lasse ich mich gerne anschreien. Dafür zahle ich auch gerne…

 

candlemassCandlemass sind die berühmte Bank auf einem Festival. Im Jahr 2013 musste man noch mit der Halle Vorlieb nehmen, heuer konnte man in der Mitte des Tages die große Außenbühne beackern. Die Schweden bringen mit ihrem intensiven Doom-Metal die Massen wieder an die Front. Mats Leven hat sich perfekt in die Band integriert, bekommt mit seinen Mannen jedoch nicht die Möglichkeit, allzu lange die Meute in ihrem Bann zu halten. Ein Gewitter lässt die Leinen los und treibt selbst die härtesten Fans in Deckung. Tja, Wacken ist die andere Seite vom Festival-Deutschland. Und das, obwohl bei betoniertem Boden niemand eine Schlammschlacht zu befürchten hat. Candlemass bleibt die Ruhe selbst und zelebriert den schweren Sound ob Regen oder Sonne und spult ein zielsicheres Programm an Songs ab. „Crystal Ball“, „Bewitched“ oder mehr? Wer es wollte, musste nur Manns/Frau genug sein, dem Wetter zu trotzen und wurde mit einem mächtigen Klanggerüst belohnt. Allerdings fehlt mir nach derart vielen Gigs der Band einfach mal ein gewisser Überraschungsmoment. Den kann man auch optisch mit Action zaubern…

 

voodoo xUnd ab in die Halle. Mein erstes Liveerlebnis mit Voodoo X war 1990 im Vorprogramm von Saga. Das passte so gar nicht für die Fans und ich feierte allein, bis die Ballade des Abends kam. Wie immer, haha. Für viele Gäste des Abends ist es die erste Begegnung mit der Band, die vor fünfundzwanzig Jahren und dem Release des supergeilen Debütwerks „Vol. 1 The Awakening“, vom Fenster verschwand, nur um sich teilweise ausgewechselt in Crown Of Thorns wiederzufinden. Kopf der Truppe, Mister Jean Beauvoir (ex-Plasmatics) und seine Kollegen Tommy Lafferty, ex-Nena Keyboarder Uwe Fahrenkrog-Petersen und Drummer Hawk Lopez, haben samt Gast-Bassisten die Zuschauer schnell im Griff. Und abgesehen von den kleinen Covertracks (zum Beispiel „Rock And Roll“ von Led Zeppelin) gab es nur Vollblut Voodoo X Highlights wie „Voodoo Queen“, „I`m On Fire“ und die gelungene Ballade „What Can I Do“. Spielfreude pur und sprühende Begeisterung auf beiden Seiten. Das man als Zugabe noch die supergeile Schnulze „Happy Birthday“ brachte, hätte ich nicht gedacht. Diese Idee war fast so gut wie die Idee, Voodoo X für dieses Festival zu reformieren. Danke, Horst, für den Anstoß!

 

carcassCarcass ist eine von diesen Bands mit großem Kultstatus, denen ich bislang nicht so viel abgewinnen konnte. Danke nochmals an dieser Stelle für das Foto (und den Textanleihen) von Sven Bernhardt, schließlich muss der „Festivalmalocher“ auch mal zu Tisch. Außerdem wollte ich Voodoo X sehen. Und wieder einmal Neuland für mich. Die Briten, die sich 1996 aufgelöst und 2007 reformiert haben, spielen Goregrind und trumpfen zum ersten Mal in diesen Gefilden auf. Da hätte ich eine andere Wirkung vermutet, aber die Reihen lichten sich während meiner Anwesenheit merklich und als ich nach vier Songs wiederkomme, sieht es noch schlechter aus. Der aggressive Sound findet hier keinen Nährboden und veranlasst ganze Scharen die Bierstände aufzusuchen oder zumindest eine Pause einzulegen. So manchen Schlenker kann die Organisation dem Publikum einfach nicht unterjubeln. Dennoch ist die Präsentation solide und brachial zerstörend.

 

darePünktlich zu den Iren Dare war ich wieder am Start in der Halle. Der Thin Lizzy Keyboarder Darren Wharton (seit 2010 wieder im Line-Up) konnte mich mit seinen Kompositionen schon vom Debütalbum an überzeugen. Einen Touch seichter als etliche andere Rockgrößen, mit viel Melancholie und schmeichelnden Sounds, sowie Texten die ans Herz gehen. Gitarrist Vinny Burns (ex-Ten) hat sich zwar einen Finger gebrochen, aber das beeinflusst die spielerische Qualität nicht im Mindesten. Hier sind Herzblutmusiker mit sphärischer Romantik am Werk, die das komplette Venue verzaubern. Pärchen wiegen sich in den Armen, Augen werden feucht und der leicht ungewöhnlich sanfte Klang der Lieder steigert überaus positiv die Laune. Emotionen liegen blank, insbesondere als „Emerald“, die Thin Lizzy Coverversion ertönt. Die Insulaner erspielen sich auf jeden Fall neue Fans, während die alten Anhänger schier begeistert sind. Was für eine Stimme Darren Wharton hat, ist in Worte kaum zu fassen. Morgen erscheint „Sacred Ground“, das siebte Album der Band und so gibt es heuer einen Vorgeschmack. Das Werk sollte sich jeder zulegen. Dare sind einer der großen Gewinner in diesem Jahr.

 

slayerWas kann man zu einem unantastbaren Headliner wie Slayer noch Großartiges sagen? Zumal als Nichtfan? Eben…man begrenzt sich auf die Eckpunkte. Allerdings muss ich gestehen, dass zum letzten Auftritt, den ich miterleben durfte, heuer die Amis etwas charmanter sind. Fronter Tom Araya selbst kann sich das eine oder andere Schmunzeln nicht verkneifen. Und komischerweise werden diese Alt-Recken mit ihrem Monster-Thrash und dem aktuellen Album „Repentless“ wie zu Hause empfangen. Vielleicht mag man es nur nicht ganz so hart wie den Terror von Carcass oder es gehört einfach dazu, Slayer im Kreise vieler Anwesenden gut zu finden. Und dennoch ist der Headliner nicht vor ausverkauftem Hause zu Werke. Ich selbst finde die Band mit den neueren Mitgliedern ziemlich korrekt, während Fans der älteren Garde etwas mit den Zähnen knirschen. Da hilft auch nicht die opulente Bühnenbeleuchtung, die mir als Fotograf nur recht ist. Natürlich besteht das Set der Songs fast nur aus Altware, denn zumindest hier will selbst ein großer Act auf Nummer Sicher gehen. So, der erste Abend ist überstanden und nun ins Hotel, duschen und Bilder runterladen.

 

Tag 2: Freitag, 15.07.2016

night demonNight Demon kommen nicht wie ihre Genrekollegen größtenteils aus Skandinavien oder Australien, sondern aus dem sonnigen Kalifornien, in den Vereinigten Staaten von Amerika. Damit eröffnet eine weitere Retroband einen Festivaltag. Kann man machen, muss man aber nicht. Sicherlich, die Musik ist gut zum Anheizen, die Nordamerikaner schlagen sich ganz adäquat und die Songs vom Debütwerk „Curse Of The Damned“ sind ziemlich brauchbar. Man hat eine kleine Showeinlage mit Gruselmaskottchen Rocky, und die überschaubare Menge ist absolut bei Stimmung. Aber einen Flächenbrand gab es hier nicht. Solides Handwerk zum Frühstück, für diejenigen, die es noch vor dem Mittag einnehmen. Einen Daumen hoch für die Vocals, aber die Kompositionen sind halt Durchschnittsmaterial.

 

freedom callFreedom Call, aus dem Frankenland sind seit fast zwei Jahrzehnten eine feste Konstante in der Metallandschaft, die sich früher Teutonenstahl nannte. Heute ist es Power-Metal, Happy-Metal und was weiß ich nicht alles. Noch immer nicht meine Baustelle, abgesehen von Helloween, aber die Euphorie, die diese Band live auf die Bretter bringt, ist ansteckend. Zumindest jetzt, wo sich eine ganze Menge Anhänger einfinden und bei schönem Wetter und zu früher Stunde die Matte kreisen lassen. Trotz der sieben Longplayer, die die Band auf dem Markt hat, könnte jeder Song beliebig von jedem Album stammen. Deshalb alleine habe ich Schwierigkeiten mit dem wiedererkennungswert der Titel. Hey ho, let´s go!...für Metaller. Tight gespielt, die Stimme im Griff…manchmal muss man einfach zufrieden sein. Es geht deutlich schlimmer. Die Fans zeigen Daumen hoch! Dann schließe ich mich mal an.

 

manilla roadBang Your Head Veranstalter Horst Franz ist bekannt dafür, Sorge zu tragen, dass seine aufgelösten Lieblings-Acts sich zumindest für einen Gig in Balingen reformieren. So kam es auch zu der Wiedervereinigung von Manilla Road im Jahr 2000. Nun sind sie wieder am Start, obwohl sie den Metalunderground, nie wirklich verlassen haben. Wir hören ein altbekanntes Programm, das die Fans in Wallung bringt. Obschon ich gestehen muss, dass etliche Besucher des Festivalgeländes das Weite suchen, um anderen Dingen zu frönen. Klar, dieser Epic-Metal ist nicht jedermanns Sache, wenngleich die Truppe auf der Bühne ordentlich Gas gibt. Gitarrist Mark „The Shark“ Shelton hat übrigens seit dem Jahr 2011 den deutschen Drummer Andreas „Neudi“ Neuderth in seinen Reihen, der in diesen Gefilden kein Unbekannter ist. Dass der Meilenstein „Crystal Logic“ hier in Bezug auf die Setlist einen besonderen Stellenwert hat, muss man nicht unbedingt hervorheben, oder?

 

impellitteriMeistersänger Rob Rock war bereits mit einigen Acts vor Ort in Balingen auf der Bühne. Nun im Rahmen von Impellitteri, dessen Werke mich in den Anfangsjahren richtig geflasht haben. Rob ist wieder seit 2008 Bestandteil der Band und mit „Venom“ gibt es ein relativ neues Produkt, bei dem Rob wieder glänzt seit seinem bescheidenen Auftritt mit Axel Rudi Pell im Vorjahr. Mister Chris Impellitteri himself steht nun zum ersten Mal überhaupt auf einer deutschen Bühne und macht seine Sache sehr gut, professionell und mit überragendem Charme. Parallel zu seiner Leistung an der Gitarre, die nun durch die Boxen „singt“. Herrlich! Selten hat Balingen einen solchen Virtuosen an der Gitarre beherbergt, der traumhafte Sequenzen und Licks zaubert. Da sind die Luftgitarristen nicht weit. Ich hoffe, dass dies keine einmalige Gelegenheit bleibt.

 

sacred reichSacred Reich sind mitnichten eine schlechte Band, aber so langsam avancieren sie für mich zum Festival-Filler. Sie sind einfach zu oft präsent und haben in Wirklichkeit nicht den ganz großen Fankreis. Derweil haben sie seit zwanzig Jahren kein neues Material an den Mann gebracht und das, obwohl ihnen die Zeit ja kaum fehlen könnte. Man ruht sich auf den Erfolg der alten Klassiker aus und das ist hier jetzt nicht anders. Selbst ich als Nichtfan kann die Tracks bereits auswendig. Klar, solide knallt es aus dem Boxen und beim Hit „Surf Nicaragua“ werden die Thrash-Geister auf die Spitze getrieben und verausgaben sich komplett vor ihren Heroes. Sympathische Ansagen wirken ebenfalls, aber so langsam ist es gut. Es gibt noch tausend andere Bands.

 

metal churchMetal Church konnten mich bereits auf dem Rock Hard Festival in Gelsenkirchen, in diesem Jahr beglücken. Und heute gelingt ihnen das bestimmt nochmal. Bereits vor dem Gig kann man die Spannung und Euphorie der Fans im Publikum knistern hören. Nun ist nicht nur mein Lieblingssänger der Truppe, Mike Howe, seit geraumer Zeit wieder Bestandteil des Line-Ups (zwanzig Jahre Pause haben wohl gereicht…und 2015 zurückgekehrt), das aktuelle Opus „XI“, hat es faustdick in sich. Und schließlich ist es hier jedem Anwesenden schlichtweg egal, welcher Track der Bandgeschichte gerade intoniert wird. Wir lieben sie alle. Natürlich aber am liebsten Songs vom Debütwerk. Obschon die ewigen Hüpfeinlagen, die Fronter Mike von sich gibt, finden einige dann doch affig. Dafür sind seine Vokaleskapaden vom Feinsten, wie schon im Pott vor einigen Wochen. Auch der Rest der Band steht voll an der Front. Insbesondere Gitarrist Kurt Vanderhoof hat die gute Laune gepackt, mit der er die Meute minutiös infiziert. Dieser Auftritt war erst das zweite, wirkliche Highlight des Tages.

 

annihilatorAm heutigen Tag sind die kanadischen Thrasher Annihilator die sichere Bank. Immer wieder gerne im neuen Line-Up, denn Sänger Dave Padden hat im Jahr 2014 die Segel gestrichen, übernahm der Meister himself, Jeff Waters, das Mikrofon. Heuer ist er in Topform und hat seinen Grimassencharme beim stürmischen Gitarrenspiel nicht verloren. Auf die richtigen Highlights muss hier niemand verzichten, werden sie doch fast am Stück serviert. Fünfzehn Studioalben bescheren uns heute Klassiker wie „King Of The Kill“, „21“, „Alison Hell“ und „Set The World On Fire“. Leider waren nicht alle so begeistert wie ich oder vielleicht wollten einfach ein paar Leute mehr in die Halle zum Gig von Tygertailz. Na ja, bei den Kanadiern ist es das gleiche Problem wie mit Sacred Reich…einfach einmal zu oft auf deutschen Bühnen im Sommer.

 

tigertailzWährend mein Menne nur kurz zum Fotografieren bei Tygertailz ist, komme ich in den Genuss des ganzen Auftritts. Kurz nach der Reunion im Jahr 2015 verstarb Gründungsmitglied Pepsi Tate, deshalb geht man hier mit neuem Line-up in die Runde. Es ist schnell deutlich, dass selbst die Lästerheinis der 90er und 2000er zum Feiern gekommen sind. Wohl doch nicht nur billiger Poserkitsch. Alles kommt wieder. Jay Pepper, Chief in Charge, liefert mit seiner Glam-Truppe würdig ab. Die Party steigt mit dem ersten Lick und steigert sich mit den Knallern der alten Zeiten, wie „Livin´ Without You“ und dem Überhammer „Love Bomb Baby“. Natürlich darf die aktuelle Scheibe „Pipped It Popped It“ nicht fehlen. Rob Wylde ist ein Frontmann, der förmlich explodiert, sodass auch die Meute vor der Bühne explodiert. Selten sind sich alte und junge Musikfreunde einig, aber das hier war jede Minute wert. (Dagmar Hegger).

 

nazarethNazareth haben mich vor einiger Zeit bereits mit ihrem Gig in Burscheid begeistert. Carl Sentance ist ihr neustes Mitglied, der seine Lorbeeren bei Persian Risk verdient hat. Heute bestätigt er ein weiteres Mal, dass er nicht nur stimmlich, sondern auch charakterlich zur Band passt. Seine Präsenz ist energiegeladen und schlichtweg positiv. Er ist guter Laune und reflektiert damit die euphorische Begeisterung, die die Band insgesamt auffährt. Das Feedback, das die Schotten für Beiträge wie „This Flight Tonight“, „Dream On“, „Hair Of The Dog“ oder für die Jahrhundert-Ballade „Love Hurts“ erfährt, ist atemberaubend. Hier fließen pure Emotionen gepaart mit Adrenalin. Kaum ein Auftritt ist an diesem Tag intensiver. Selbst mit einem flüchtigen Gedanken an den ehemaligen Fronter Dan McCafferty darf ich wohl sagen, dass Nazareth in dieser Besetzung einfach passt! Schade nur, dass sie sich fast eine halbe Stunde Programm kneifen. Das ist nicht nett! (Dagmar Hegger).

 

testamentLadies and Gentlemen, Testament has hit the Stage! Erstmal ein fettes Dankeschön an Fronter Chuck Billy, der mir meine Zeit mit der Kamera auf der Bühne mit “Guck in die Linse Posen” vergoldete. Wie dem auch sei, nach Thrash aus Kanada, nun Thrash eines Ur-Monsters des Genre, aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Ein gelungener Sound fegt uns um die Ohren, in denen sich die Klassiker der Band suhlen und dennoch ist genug Platz für Fans, die erst später mit der Band Bekanntschaft geschlossen haben. Eine furiose Truppe, die Herrn Billy den Rücken stärkt und den Mattenschüttlern einen Grund nach dem nächsten liefert, dem besten Hobby der Welt zu frönen. Bang the Head that doesn´t bang! Amtlich abliefern ist nicht immer selbstverständlich, aber bei Testament steht heute niemand im Regen.

 

twisted sisterBang Your Head ist mein Lieblingsfestival, aber warum Twisted Sister hier derart oft den Headlinerposten bekommen, ist absolut unverständlich. Und ehrlich…auch wenn wir immer wiederkommen, das geht bei Weitem nicht nur mir so. Da muss es doch mal eine coole Alternative geben. Klar, heute zelebrieren sie „40 and fuck it!“…vierzig Jahre Twisted Sister. Und damit auch ihren Abschied. Sie wollen nicht wiederkommen. Aber ratet mal? Dee Snider hat sein Soloalbum schon am Start und ich wette nächstes oder übernächstes Jahr kommt „er“ wieder und singt trotzdem die alten Band-Tunes. Schließlich ist der Track „We´re Not Gonna Take It“ als Balladen-Version bereits für das Opus eingespielt. Man wird sehen. Eine kleine Überraschung ist heute im Gepäck. Mister Snider und seine Mannen haben für den verstorbenen Drummer A.J. Pero Superstar Mike Portnoy (ex-Dream Theater) mitgebracht. Aber abgesehen von einer Minute Wehmut und der inbegriffenen Huldigung für A.J., gibt es den typischen und verrückten Abriss. Dee ist gehypt, redet wie immer wie ein Wasserfall und hat Gold in der Stimme. Das kommt den Hits wie „You Can´t Stop Rock ´n´ Roll“, „I Wanna Rock“ und „Under The Blade“ richtig zur Geltung. Die Actionshow ist reichhaltig und die Pyros gestalten das perfekte Ambiente. Letztlich sind doch noch alle zufrieden ins Bett gegangen.

 

Tag 3: Samstag, 16.07.2016

black tripBlack Trip und ihr Ausnahme-Sänger Joseph Tholl (Gitarrist bei Enforcer) stehen bei mir seit dem 2014er-Release „Goin´ Under“ ziemlich in meiner Gunst. Ihre Klasse können die Jungs nun live als Opening-Act für den Samstag unterstreichen. Pure Energie, die an diesem frühen Morgen bereits in die Massen versprüht wird. Und diese Anzahl wird stets größer und größer. Da wird schon manche Matte partymäßig in Schuss gebracht. Selbst viele Mädels jüngerer Jahrgänge strahlen über beide Backen. Ihre Melange aus Judas Priest, Iron Maiden und Thin Lizzy weiß zu begeistern und mit den Hits „The Bells“, „Shadowline“ und „Radar“ sorgen sie hier für das Aufwecken der Fans. Gratulation!

 

girlschoolAls nächstes dürfen wir die Ladies von Girlschool begrüßen, die bereits auf diesen Brettern vor Jahren ein Stelldichein hatten. Obschon das Publikum begeistert ist, endlich wieder Frauen auf der Bühne zu sehen, bleibt die Show von Girlschool trotz aller gespielten Klassiker eher zahm. Gerade mal Jackie Chambers bietet ihre üblichen Posen feil, mit denen man sich zufrieden geben muss. Nebst den üblichen Zwiesprachen mit dem Publikum lassen die Girls es sich nicht nehmen, hier zwei Huldigungen an enge Freunde anzubringen. „I Spy“ an Ronnie James Dio und „Take It Like A Band" an Motörhead finden großen Applaus bei den Zuschauern. Da ist sicherlich mehr drin gewesen, aber eine lahme Show wird es immer geben.

 

delainDelain gehören seit geraumer Zeit zu den Shooting Stars des Symphonic Melodic Metal mit female Vocals. Dafür sorgt schon der Keyboarder der Niederländer Martijn Wetserholt (ex-Within Temptation). Sängerin Charlotte Wessels hat nun mit Gitarristin Merel Bechtold weibliche Verstärkung in ihren Reihen. Sie mischt das männliche Publikum mit ihren Looks, Posen und coolem Spiel mächtig auf. Delain präsentieren mit ihrer stimmgewaltigen Fronterin ein Best-Of-Programm, das die Zuschauer wie ein Schwamm aufsaugt. Die Band ist topfit und ackert gewaltig über die Bretter. Das kann sich sehen lassen und stopft einigen Zweiflern schnell das Maul. Diese Bühnenpräsenz war bis dato die Beste.

 

 

 

 

 

tankardTankard können eigentlich nirgendwo mehr etwas falsch machen. Man weiß was man kriegt und die Hessen liefern ab. Fronter Gerre und sein Thrash-Monster ist seit dreißig Jahren aktiv und das gilt es zu feiern. Horst Franz hat sich für den Auftritt etwas Besonderes einfallen lassen und lässt eine kleine Kneipe samt Bierkühlschrank und Stehtische aufbauen. Band und Belegschaft können es sich während des Gigs gemütlich machen. Obwohl Gerre himself etwas unbeeindruckt wirkt. Mmh! Dennoch sehen wir hier die übliche Thrash-Party mit den dementsprechende Chören und Bier-Parolen. Genau das richtige für die jetzigen, sommerlichen Temperaturen.

 

great whiteAuf Great White, die Version ohne Jack Russell, habe ich mich sehr gefreut. Der „neue“ Mann am Mikrofon ist Terry Ilous (XYZ und seit 2010 dabei) und er räumt heute das Feld von hinten auf. In typisch amerikanischer Manier ist er am Puls vom Publikum und beherrscht alle Facetten eines coolen Sängers: starke und sichere Vocals, sympathische Ausstrahlung, Posen und das Einfügen in eine Band und trotzdem den Fronter präsentieren. Alles richtig gemacht. Die Band selbst ist spielfreudig wie lange nicht mehr und jagt nur so durch die musikalische Bandgeschichte mit Highlights wie „Rock Me“, „House Of Broken Love“, „Save Your Love und natürlich dem altbekannten Gassenhauer „Once Bitten, Twice Shy“. Ein perfekter Auftritt, den ich gerne nochmal sehen möchte.

 

grave diggerUnd nun, die sichere Bank des Tages Samstag: Grave Digger! Zuletzt gesehen in der Halle des gleichen Festivals im Jahr 2014. Doch auch mit der großen Bühne haben sie heute ein leichtes Spiel. Natürlich gehen die Jungs auf Nummer sicher und legen ein Best-Of-Programm vor, das hier lauthals mitgeträllert wird und jede noch so kleine Note mit einem Kopfschüttler belohnt wird. Da ist richtig Stimmung vor der Bühne, die hervorragend mit einem coolen Banner geschmückt ist. Optisch sehr gut für die Fotografen. Chris Boltendahl ist kräftig bei Stimme und Klampfer Axel Ritt immer bereit für die größten Poser-Grätschen. Natürlich dürfen wir ebenfalls Songs vom 2014er-Album „Return Of The Reaper“ lauschen. Selbstredend solide gespielt, aber für eine Überraschung dürfte man das nächste Mal ruhig sorgen.

 

tykettoWährend ein großer Teil der Meute beim nächsten Act Uriah Heep bleibt, bewege ich mich zum ersten Hallengig des Tages, mit Tyketto. Das darf ich auf keinen Fall verpassen. Na ja, zumindest bis Udo Dirkschneider aufschlägt. Danny Vaughn kommt, sieht und siegt. Unglaublich, was dieser Mann noch an Stimme parat hat. Geschmeidig fliegt er durch sein Programm, dass er und seine wechselnde Mannschaft sich in fünfundzwanzig Jahren aufgebaut hat. Es gibt das Debütwerk „Don´t Come Easy“ am Stück und dafür sind alle anwesenden Fans hier äußerst dankbar. Jung ist Danny geblieben, optisch genauso wie seine Stimme. Ich sehe Tränen bei der Ballade „Standing Alone“ und niemanden, der bei „Forever Young“ nicht mitsingt. Klasse!

 

dirkschneiderUdo Dirkschneider firmiert heute nur unter dem Banner „Dirkschneider“! Damit möchte Udo sich aus dem Schatten von Accept bringen. Aah ja! Ich durfte nun auf den Steiger, um über der Bühne Shots zu machen, aber leider kam genau jetzt kein Musiker ganz nach vorne. Aaarrrgghh! Egal. Udo gibt heute zum Abschied an alte Zeiten die Songs der Accept-Phase zum Besten. Natürlich kennen diese Songs hier alle: „Princess Of The Dawn“, „Restless And Wild“, „Balls To The Wall“, „Fast As A Shark“, „Breaker“ und „Son Of A Bitch“. Udo ist tight und spielfreudig. Die Massen liegen ihm zu Füßen und es wird gemunkelt, dass der eigentliche Headliner bereits auf der Bühne ist. Aber das scheint ja hier öfters der Fall zu sein. Auf jeden Fall sind alle Anwesenden nach dem Auftritt glücklich und in ein kleines bisschen Euphorie gefangen.

 

iced earthDer Boden ist noch heiß vom Feiern und geebnet, damit Iced Earth den Abend beenden können. Iced Earth ist für mich persönlich eigentlich keine Festivalband. Aber da hat jeder seine eigene Meinung. Der immer noch „neue“ Fronter Stu Block belehrt mich doch eines Besseren. Das ist eine Meisterleistung was er die gesamte Spielzeit abliefert. Da bleibt Gitarrist und Bandboss Jon Schaffer nicht im Hintergrund. Zur Erleichterung für viele Fans gibt es genug ältere Songs, vor allem von „The Dark Saga“, um jene bei Laune zu halten. Derweil hätte ich gegen mehr neues im Programm nichts gehabt. Doch auf einem Festival wollen die Zuschauer feiern und das geht nur mit äußerst bekanntem Material. Auf jeden Fall hat mir dieser Gig wesentlich besser gefallen als noch vor Jahren der Auftritt als Headliner mit Fronter Ripper aus dem Jahr 2004. Dann wurde der Outdoor-Festival Abschied mit dem obligatorischen Feuerwerk eingeläutet. Horst entert wie immer nochmal die Bühne und alle zusammen singen „We´re Not Gonna Take It“ von Twisted 'Motherfuckin´ Sister!“. Bis nächstes Jahr mit Vince Neil!



Autor: Steve Burdelak, Dagmar Hegger - Pics: Steve Burdelak