Daniel: Hi Rod! Lass uns mal ganz von vorne anfangen! Wie kam es 2002 zur Gründung von The Other?
Rod: Wir haben 1999 aus Spaß als Misfits-Coverband Ghouls gestartet. Immer wieder sprachen uns Konzertbesucher an, ob wir nicht selbst mal Songs schreiben wollten, da die Misfits ja nach 1999 nichts mehr gemacht hatten (bis 2011 die „Devil’s Rain“ erschien). Wir haben also ein erstes Demo eingespielt, ein paar Songs live getestet und irgendwie sehr schnell gutes Feedback und viele Gigs als The Other bekommen.
Daniel: Hattet ihr vorher schon in anderen Bands gespielt?
Rod: Ja, alle Gründungsmitglieder haben in lokalen Bands gespielt, ich bin mit Forced To Decay sogar recht gut rumgekommen in Europa.
Daniel: Stimmt es eigentlich, dass ihr vorher als reine Misfits-Coverband angefangen habt? Warum habt ihr dieses Konzept über den Haufen geworfen?
Rod: Jap, siehe oben.
Daniel: Woher stammt der Name The Other genau?
Rod: Das ist ein Begriff, der in der Philosophie und der Literatur benutzt wird. Freud hatte etwas mit seiner Entstehung zu tun. Er bezeichnet das Fremde, das Unbekannte, aber bezieht sich auch auf Dinge, die uns merkwürdig vertraut vorkommen, aber doch anders sind.
Daniel: Welche Bands außer den Misfits haben euch noch beeinflusst? Und haben vielleicht auch Metalbands oder alte Rock´n´Roll-Legenden ihre Spuren bei euch hinterlassen?
Rod: Ja, haben sie. Wir haben uns ja schon mit unserem zweiten Album „We Are Who We Eat“ von der Misfits-Vorlage entfernt. Bei uns finden sich Einflüsse von Misfits, Danzig, The Cult, The Damned, Iron Maiden, Type O Negative und vielen anderen. Punk-Rock, Metal und Gothic wird gemixt, um den The Other-Sound zu kreieren.
Daniel: Wovon handeln eure Texte? Geht es nur um die Umsetzung von Buch- und Filmtiteln? Oder gibt es auch tiefgründigere Texte, mit denen ihr etwas an die Hörer vermitteln wollt?
Rod: Letzteres. Wir versuchen andere Aspekte zu finden, zwischen den Zeilen zu lesen und zu schreiben und eigene Gedanken zu artikulieren. Einfach ein Buch oder einen Film nachzuerzählen ist doch wirklich billig.
Daniel: Welche Horrorautoren, -bücher und -filme mögt ihr denn so?
Rod: Das wäre jetzt etwas ausufernd, daher nur ein paar Namen und Titel: Stephen King, Edgar Allan Poe, H.P. Lovecraft, Richard Matheson und natürlich die Klassiker von Bram Stoker, Mary Shelley, Oscar Wilde, Shirley Jackson und anderen. An Filmen besonders die Universal Monsters Filme und die Creature Features der Fünfziger. Besonders Jack Arnold hat da eine tolle Sprache gefunden.
Daniel: Ihr tragt auch die typischen Horrorpunk-Kostüme. Habt ihr die alle selbst entworfen? Oder wo bekommt man so etwas her?
Rod: Sind die so typisch? Also ich kenne viele Bands, die sich einfach einen Totenkopf in schwarz-weiß ins Gesicht klatschen oder einfach nur in schwarzen Klamotten auf die Bühne gehen. Wir betreiben da doch etwas mehr Aufwand. Und ja, alles ist selbst entworfen und zusammengestellt oder für uns geschneidert worden. Wir haben mittlerweile etwas Erfahrung, was Make-up angeht, mit Kryolan einen professionellen Partner und Profi-Special-Effects Leute und Schneiderinnen, die uns helfen.
Daniel: Ich bin nicht gerade ein Experte, was Horrorpunk angeht, obwohl ich einige Bands mag. Aber es fällt auf, dass sie quer über den Globus verteilt sind: Die Misfits, Rezurex und Wednesday 13 kommen aus den USA, Balzac aus Japan, Devils Whorehouse aus Schweden, Nekromantix aus Dänemark, Bloodsucking Zombies From Outer Space aus Österreich, ihr aus Köln... Gibt es so etwas wie eine Horrorpunk-“Szene“? Habt Ihr Kontakt zu anderen Bands, mit denen Ihr öfter rumhängt oder zusammen auftretet?
Rod: Mit all den genannten haben wir Kontakt und sind mit ihnen aufgetreten, teilweise mehrmals. Die Szene ist wirklich sehr international, aber gerade die älteren Bands kennen sich. Früher hätte ich auf Deutschland (Köln) als Epizentrum der Szene getippt, heute hat sich das nach Amerika verlagert, wo es jetzt zahlreiche junge Bands gibt.
Daniel: Ihr schaut auch oft über den Tellerrand hinaus. So habt ihr schon auf dem Wacken Open Air gespielt, aber auch auf dem Wave Gothic Treffen, dem Mera Luna und dem Amphi Festival. Wie kam das zustande? Und wie waren die Reaktionen des Publikums?
Rod: Die Gothic-Szene war die erste etablierte Szene, die uns mit offenen Armen empfangen hat. Jetzt spielen wir aber auch auf Wacken, Summer Breeze, With Full Force etc.; also vor Gothic-, Punk- und Metal-Publikum. Und bisher lief es immer ganz hervorragend. Wir sitzen irgendwie zwischen den Stühlen, aber sprechen dadurch mehr Leute an. Ausnahmen bestätigen die Regel. Für die Hardcore-Elitisten sind wir mit unseren Outfits wohl nicht tough genug.
Daniel: Wie kam es dazu, dass ihr 2007 zum ersten Mal in den USA aufgetreten seid? Wie kam der Kontakt zustande?
Rod: Wir haben viele Fans dort drüben und gute Kontakte zu anderen Bands, so dass sich das einfach ergeben hat. MySpace hat damals auch sehr geholfen. Jetzt gerade – im März 2016 – waren wir wieder drei Wochen dort auf Tour und es war unglaublich. Wir spielten sogar im legendären „Whiskey A Go Go“ in Hollywood vor hunderten Leuten als Headliner.
Daniel: Lass uns mal kurz zu eurem neuen Album „Fear Itself“ kommen: Wie lange hat es gedauert, die Songs zu schreiben und aufzunehmen?
Rod: Länger als sonst, durch Besetzungswechsel. Die Songs zu schreiben hat drei Jahre mit Unterbrechungen gedauert, die Aufnahmen sechs Wochen.
Daniel: Mit „Nie Mehr“ habt ihr, meines Wissens, erstmals einen Song in deutscher Sprache aufgenommen. Wie kam es dazu? Und war das ein einmaliges Experiment? Oder werdet ihr das in Zukunft häufiger machen?
Rod: Es ist sogar schon der vierte Song komplett auf deutsch. Und ja, die kommen verdammt gut an, diese Stücke, daher machen wir auch sicher weiter. Andere Horror-Bands haben das ja nach uns auch gemacht und haben damit Erfolg. Das zeigt ja, dass unsere Idee gut war.
Daniel: Das neue Album erschien auch wieder auf Vinyl. Wie wichtig ist es euch, dieses kultige alte Format heutzutage am Leben zu erhalten? Und was hältst du im Gegenzug dazu von diesem ganzen modernen, leblosen MP3-Kram? Ist es nicht viel schöner, einen richtigen Tonträger in den Händen zu halten?
Rod: Da sprichst du den Falschen an. Ich bin zwar mit Vinyl aufgewachsen und nenne rund 500 Schallplatten und ein paar tausend CDs mein Eigen, bin aber komplett auf mp3 umgestiegen, da ich sonst anbauen müsste. Nur Streamen mag ich nicht, da der Künstler da fast kein Geld für seine Leistung bekommt und meiner Meinung nach der Sound Kacke ist. Trotzdem liebe ich LPs und CDs weiterhin, weil man sich da graphisch austoben kann und etwas in der Hand hat. Und ich freue mich, dass das Format LP wieder so angesagt ist. Aber ich mag es mittlerweile praktischer.
Daniel: Wenn ihr schon auf physische Tonträger setzt, seid Ihr dann selbst auch Sammler von CDs und Vinyl? Und kannst Du vielleicht ein paar Horrorpunk-Klassiker empfehlen, die man besitzen sollte, wenn man sich nun mehr mit dieser Materie beschäftigen will?
Rod: Meine Sammlung ist riesig und gerade von Kiss besitze ich alle LPs in verschiedenen Varianten und dazu noch zig 7“-Singles und Maxis. Ich habe generell einige Raritäten im Schrank, gerade aus den Achtzigern. Da ich zudem mit Fiendforce Records das Horrorpunk-Label gegründet hatte, habe ich natürlich auch diese Veröffentlichungen alle auf CD und LP und kann sie nur jedem nahe legen, falls er sie noch irgendwo findet. Horrorpunk-Klassiker sind sicherlich „Static Age“, „Walk Among Us“ und „American Psycho“ von den Misfits, „Initium“ und „November Coming Fire“ von Samhain, „Let Flowers Die“ von Blitzkid, alles von The Other, „Fright Night“ von The Spook, „Traveling Vampire Show“ von Calabrese... Eigentlich braucht man auch nur mal die Compilations „This Is Horrorpunk 1 & 2“ hören.
Daniel: 2013/´14 musstest du bis auf Schlagzeuger Dr. Caligari, der auch noch aus der Urbesetzung dabei ist, die gesamte Hintermannschaft austauschen. Was war da los?
Rod: Es sind immer die selben Dinge. Mal der Job, mal die Familie, mal der Wunsch, mit Musik sein Leben zu bestreiten. Wir sind als Band zu „groß“, um einfach ein Hobby zu sein, was man mal eben nebenbei macht, wenn man Bock hat, aber wir sind auch zu „klein“, als dass man Geld verdienen würde und sich nur darauf konzentrieren könnte. Und diesen Spagat kann halt nicht jeder mitmachen. Die einen steigen aus, weil sie mit anderen Band Geld verdienen möchten, die anderen, weil sie sich auf Arbeit und Kinder konzentrieren wollen. Das ist der Lauf des Lebens. Doc und ich wissen, wie wichtig die Band für uns und auch viele Fans ist und geben sie nicht so leichtfertig auf.
Daniel: Glaubst du, dass du The Other aufgegeben hättest, wenn Dr. Caligari ebenfalls gegangen wäre?
Rod: In der Zeit sicher ja, weil es ein riesiger Umbruch war. Heute würde ich sagen nein, weil mit Ben, Pat und jetzt Chris tolle Jungs dabei sind und unsere langjährigen Crew-Jungs Markus und Phillip absolut klasse und Teil der Familie sind. Aber wir wollen nicht den Teufel an die Wand malen. Caligari geht nicht!
Daniel: Ihr wart kürzlich bei der „20 Jahre Kiss Fanclub Party“ in der Zeche Bochum mit dabei. Angeblich habt ihr dort nur in voller Montur vier Stunden Meet & Greet gemacht. Stimmt das? Oder seid ihr da auch aufgetreten? Und wie waren die Reaktionen der alten Rocker? Konnten die etwas mit eurer Musik und eurem Image anfangen? Und seid ihr eigentlich auch Kiss-Fans? Oder sind Schminke und Kostüme eure einzigen Gemeinsamkeiten mit der Kiss?
Rod: Ich liebe Kiss seit ich neun Jahre alt bin, daher war das ein großer Spaß. Und Kiss-Fans mögen ja theatralische Bands, so dass durchaus Interesse an uns da war. Aber wir haben halt nur eine Autogrammstunde gehabt, daher haben wir eher die Zeit genutzt und etwas Youtube-Content gefilmt.
Daniel: Wie sehen eure Zukunftspläne mit The Other aus?
Rod: Wir mussten jetzt erstmal unseren neuen Bassisten Chris Cranium einspielen, dann stehen Wacken und Summer Breeze und unsere traditionellen Halloween-Shows an. Dann geht es ans Songwriting, denn eigentlich müssten wir im Frühjahr 2017 ein neues Album abliefern. Das wird kaum zu schaffen sein, aber wir arbeiten dran.
Daniel: Na gut, Rod! Die letzten Worte gehören dir!
Rod: Danke an alle, die uns über die Jahre unterstützt haben, die The Other ihren Freunden empfehlen und die dafür sorgen, dass wir weiter machen können. Die Band ist unser Leben und wir tun nichts lieber, als für euch zu spielen. DANKE!