BLACK AUTUMN - Ziemlich breit aufgestellt


Kaum jemand kennt Black Autumn. Dabei ist dieses Dortmunder Ambient Black Metal Soloprojekt jetzt schon über zwanzig Jahre im Underground vertreten. Das könnte daran liegen, dass viele der Veröffentlichungen nur als Kassettenversionen in streng limitierten Auflagen kursieren oder die Vertriebe für die verschiedenen Tonträger weltweit angesiedelt sind und die Kommunikation dann auch mal schwieriger ist. Ich kenne Herrn M., den Einzelkämpfer hinter Black Autumn, schon seit einigen Jahren, hatte erst erstmals die Idee zu diesem Interview, als ich für CROSSFIRE, unabhängig vom bestehenden Kontakt, das noch aktuelle Album „Losing The Sun“ zum Besprechen bekam. Es zog noch einige Zeit ins Land. Aber die ausführlichen Antworten entschädigen die lange Wartezeit. Wer Black Autumn immer noch nicht kennt, kann dieses Interview gerne als kleinen Einstieg sehen.

logoDaniel: HELL-ö M.! Lass uns mal ganz vorne anfangen: Wie kam es zur Gründung von Black Autumn im Jahr 1995? Und war es von Anfang an geplant, dieses Projekt als Soloprojekt durchzuziehen?

M.: Hi! Mein Kumpel Torsten und ich gründeten Black Autumn, um dem Black Metal der damaligen Zeit zu huldigen. Vorrangig unter dem Eindruck der norwegischen Bands damals. Ursprünglich planten wir, das Projekt zu einer vollständigen Band auszubauen, blieben aus Mangel an brauchbarem Personal dann aber doch erst mal ein Duo. Mit Torstens Weggang stand ich dann vor der Wahl, das Projekt zu begraben oder solo weiter zu machen.

Daniel: Gib uns mal einen kurzen Überblick über die Veröffentlichungen von Black Autumn! Was ist bislang alles von diesem Projekt erschienen?

M.: Also, wenn ich mich jetzt nicht falsch erinnere, waren das:
 
- zwei Demo-CD-Rs: „Black Autumn“ (2003) und „Cult Of Nihil“ (2004)
- fünf Tapes: „Cult Of Nihil“ (2004), „Isolation“, „E.N.D“ (beide 2006), „Aurora – Morgenrothe Im Auffgang“ (2010) und „Ghosts At Our Windows“ (2011)
- zwei Split-CD-Rs: mit Abyss aus Italien (2005) und Zebulon Kosted aus den USA (2012)
- ein CD-R-Album: „Aurora“ (2010, als Erstveröffentlichung und Re-Release)
- eine Split-CD mit Veldes aus Slowenien (2015)
- vier CD-Alben: „Cult Of Nihil“ (2004), „Ecstasy, Nightmare, Doom“ (2007), „Rivers Of Dead Leaves“ (2008) und „Losing The Sun“ (2014)
- eine CD-EP: „The Advent October“ (2013)
- zwei Download-EPs: „Rauhnacht“ (2014) und „Rauhnacht MMXV“
 
Ich bin mir relativ sicher, dass das eine komplette Auflistung ist, wobei ich diverse Sampler-Beiträge jetzt mal außen vor gelassen habe.
 

Daniel: Warum sind von der Gründung bis zum ersten Demo eigentlich acht lange Jahre vergangen? Was war da los?

M.: Na, es gab halt mal so ein paar Probeaufnahmen, aber wir hatten nie Equipment für mehr. Ich habe dann später erst so richtig angefangen, das aufzubauen.

Daniel: Die Anfänge waren deutlich Black Metal-lastiger, die neuen Veröffentlichungen eher doomig, atmosphärisch und psychedelisch. Inwiefern haben sich Deine Haupteinflüsse also im Laufe der Jahre verändert?

M.: Anfangs waren die Einflüsse doch hauptsächlich im skandinavischen Black Metal verortet. Später kamen dann erst Einflüsse aus dem Doom und Neo-Folk und schlussendlich elektronischer Musik dazu. Ich hoffe auch, dass die Fortentwicklung von Black Autumns Sound noch lange nicht am Ende ist, und so bin ich immer auf mit offenen Ohren unterwegs!

Daniel: Wovon handeln Deine Texte? Gibt es bestimmte Autoren oder Filme, die dich zu Texten inspirieren? Und gibt es eine bestimmte Botschaft, die du mit deinen Texten vermitteln willst?

M.: Autoren und Filme, die mich inspirieren, gibt es zu Hauf, haha! Ich wüsste gar nicht, wo ich jetzt anfangen sollte aufzuzählen. „Melancholia“ von Lars von Trier hat mich sehr inspiriert, um mal ein Beispiel zu nennen. Ich ziehe immer viel aus Akte X heraus, wie der aufmerksame Hörer gemerkt haben dürfte. Kunst inspiriert mich auch ein großem Maße, gleichsam wie Literatur. Da bin ich dann allerdings ziemlich breit aufgestellt, was meinen Geschmack betrifft. Das könnte ich jetzt schwer auf einiges wenige herunterbrechen. Eine Botschaft im Sinne eines festen Konzeptes gibt es bei Black Autumn eigentlich nicht. Die düstere Grundstimmung ist allen Songs gemein, wobei die Themen durchaus wechseln können. Das neue Album zum Beispiel wird als übergeordneten Rahmen wohl die vor-urbane, bäuerliche Lebensweise haben, aus denen dann die Symbolsprache der jeweiligen Themen abgeleitet wird.

Daniel: Auf der neuen Split-CD mit Veldes ist sogar ein Lied in holländischer Sprache vertreten. Wie kam es denn dazu? Und war das ein einzigartiges Experiment? Oder könnte sich das noch einmal wiederholen?

M.: Ich habe das Gedicht, das in dem Song Verwendung findet, in einem Buch über den niederländischen Maler Gerard ter Borch gefunden und fand es so passend für Black Autumn, dass ich eigentlich gar keine andere Wahl hatte, als es zu benutzen! Einzigartig war es eigentlich nicht direkt, schließlich ist mit „Aion“ ja auch auf der „Aurora“-Scheibe bereits ein Song mit niederländischem Text vorhanden! Grundsätzlich würde ich das jederzeit wiederholen. Ich habe auch bereits ein paar Songs mit rumänischen Spoken-Word Parts angefangen zu schreiben. Unglücklicherweise sind die Original-Dateien der Songs mit meinem Laptop in die Ewigkeit gegangen. Einige Aufnahmen habe ich aber noch und eventuell finden die ja nochmal Verwendung. Ein Song in slowenischer Sprache war auch bereits in Planung, leider ist der Kontakt zu der Person abgebrochen, die mich da als Muttersprachlerin und Beraterin unterstützt hat. Also Jana, wenn du das hier lesen solltest – meld dich mal!

Daniel: Bei Metal Archives sind vier Bands mit dem Namen Black Autumn aufgelistet. Kam es da jemals zu Verwechslungen? Und war das vielleicht auch der Grund, warum du die Schreibweise plötzlich in Black Avtvmn geändert hast?

M.: Zu Verwechslungen kam es eigentlich nicht, glaube ich. Ich wurde mal von der amerikanischen Death Metal-Band gleichen Namens angeschrieben, dass ich doch bitteschön meinen Namen abändern sollte. Habe ich natürlich nicht gemacht und inzwischen haben die sich aufgelöst, hehe! Die Änderung der Schreibweise stand dementsprechend auch eigentlich in keinem Zusammenhang.

black autumnDaniel: Welchen Grund gab es überhaupt für die geänderte Schreibweise Black Avtvmn?

M.:Ach so, ja das war eigentlich nur, weil das im Logo cooler aussieht, hehe! Ist halt ein römisches "U".

Daniel: Gab es eigentlich jemals Live-Auftritte von Black Autumn bzw. ist da mal irgendetwas in dieser Richtung geplant?

M.: Ich habe durchaus schon diverse Angebote für Live-Auftritte erhalten, aber mangels Musikern abgelehnt. Dadurch, dass ich inzwischen auch Familie habe, ist die Zeit, um eine funktionierende Live-Band aufzubauen, natürlich auch recht knapp bemessen. Allerdings soll man ja niemals nie sagen! Grundsätzlich ausschließen will ich das also nicht!

Daniel: Lass uns mal bitte über Deine Label-Politik reden, ja? Denn es fällt auf, dass deine Veröffentlichungen überall auf dem Globus verteilt sind, nur in Deutschland irgendwie nicht; und das, obwohl du aus dem Sauerland kommst... „Cult Of Nihil“ und „Ecstasy, Nightmare, Doom“ sind über das griechische Label ISO 666 Records erschienen, „Rivers Of Dead Leaves“ über Antichristian Front Records aus Spanien, „Aurora – Morgenrothe Im Auffgang“ über Cain Records, ebenfalls aus Spanien, „Ghosts At Our Windows“ über Depressive Illusions Records aus der Ukraine, „The Advent October“ über Bylec-Tum Records in Italien, „Losing The Sun“ über Rain Without End Records aus Kanada und die neue Split-CD mit Veldes über Nostalgia Records aus Hong Kong! Wie kommen denn bitteschön solche Kontakte zustande?

M.: Haha! Jaaaa, das ist halt immer irgendwie so passiert. In aller Regel wurde ich von den Labels angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, was mit ihnen zu veröffentlichen bzw. kam der Kontakt über Dritte zustande, die meinten, dass das doch eine gute Sache wäre. Das ist manchmal schon ziemlich seltsam und unergründlich, aber es funktioniert, hehe! Der Untergrund ist also trotz allem immer noch sehr aktiv und unterstützt sich gegenseitig, auch wenn oft das Gegenteil behauptet wird.

Daniel: Wie sieht es mit den drei Split-Veröffentlichungen von Black Autumn aus? Du hast dir mit deinem Projekt schon Tonträger mit Abyss aus Italien, Zebulon Kosted aus den USA und Veldes aus Slowenien geteilt. Wie bist du mit diesen Projekten in Kontakt gekommen? Von allein? Wurdest du von ihnen gefragt? Oder waren das alles Ideen der verschiedenen Labels?

M.: Der Kontakt mit Abyss kam damals durch das Label zustande, das auch die Idee zu dieser Split hatte. Mit waren die vorher nicht bekannt, aber ich fand die dann ziemlich gut! Mit Zebulon Kosted war ich vorab schon längere Zeit in Kontakt. Da war die Idee zur Split irgendwie aufgekommen und Material war auch auf beiden Seiten vorhanden. Das war auch mit der kleinste Release auf Zebulon Kosteds eigenem Label. Bei der letzten Split waren es Veldes, die mit mir in Kontakt getreten sind und anfragten, ob Interesse bestünde. Als das Material fertig war, sind wir dann auf Label-Suche gegangen.

Daniel: Ist es dir eigentlich wichtig, dass dir die anderen Bands deiner Split-Veröffentlichungen gefallen? Oder bist du einfach nur froh, dass dein Zeug irgendwie veröffentlicht wird, egal in welcher Form?

M.: Es ist für mich absolut wichtig, dass mir die Musik der beteiligten Bands gefällt. Das ist eigentlich das wichtigste Kriterium daran. Wenn ich die Sachen nur einfach irgendwie raushauen wollte, gäbe es da sicherlich einfachere Wege, als erst Leute für eine Split zu suchen!

Daniel: Lass uns bitte auch mal über die Formate deiner Veröffentlichungen sprechen! Einige sind ja echt obskur. Warum hat man sich z. B. die Mühe gemacht, für „Aurora – Morgenrothe Im Auffgang“ ein schönes Digipack zu machen, wenn es sich dabei nur um eine bedruckte CD-R handelt? Oder warum ist „Ghosts At Our Windows“ als einziges deiner Alben nur auf Kassette und niemals auf CD erschienen? Warum gab es die „Losing The Sun“-Advancetracks und die „Rauhnacht“ EP nur als Download?

M.: Naja, bei der „Aurora“ war es tatsächlich einfach nur eine Frage des Budgets, die das Format entschieden hat. Durch die günstigere Produktion war mehr Spielraum für den Rest. Was die „Ghosts At Our Windows“ angeht, kann ich nur sagen, dass bisher noch kein Label Interesse an einer CD-Veröffentlichung gezeigt hat. Verstanden habe ich das aber eigentlich nie. Für viele ist das ein Favorit in der Diskographie von Black Autumn. Sowohl die Advance-Tracks als auch die „Rauhnacht“-EPs waren von vornherein als kleine Gratis-Geschenke an die Fans gedacht. Die „Losing The Sun“-Tracks waren sowieso nur Instrumentalversionen von Songs, die später auch auf dem regulären Album vertreten waren.

Daniel: Gab es für „Rauhnacht“ eigentlich kein Interesse von Labels? Oder wird es davon noch einen physischen Tonträger geben?

M.: Für die Songs war eigentlich von vornherein kein gesonderter physischer Release vorgesehen, aber vielleicht wird daraus zu einem späteren Zeitpunkt ja noch was.

Daniel: Es fällt auf, dass viele deiner Veröffentlichungen auch auf Kassette erhältlich sind. Wie wichtig ist es für dich, dieses alte Kultformat am Leben zu erhalten?

M.: Ich liebe Tapes! Ich habe sie schon immer geliebt und habe schon seit den frühen Tagen meines Interesses für Black Metal regelmäßig Tapes gekauft, und so hat das Ganze für mich auch eine nostalgische Seite. Aber Kassetten haben auch einfach einen besonderen Klang und auch eine andere haptische Qualität als CDs. Kassetten standen immer ein wenig im Schatten des Vinyl-Revivals, aber ich hoffe, dass sie noch genauso lange bleiben werden. Ich würde auch demnächst gerne mal wieder einen Tape-Release machen.

Daniel: Wovon machst Du es eigentlich abhängig, ob es nun ein Album oder nur eine EP von Black Autumn geben wird? In letzter Zeit hast Du ja eher Wert auf EPs gelegt. Warum?

M.: Das war eigentlich eine Sache, die sich von ganz allein so ergeben hat. Manchmal macht man einfach zwei, drei oder vier Songs, die in sich eine geschlossene Einheit bilden. Da liegt es ja dann auf der Hand, eine EP draus zu machen. Desweiteren halte ich das EP-Format eigentlich für relativ optimal. Man konzentriert gutes Songmaterial in einigen wenigen Songs und hat eine ordentliche Spielzeit ohne Hänger oder Füller, die den Gesamteindruck schmälern würden. Außerdem nutzt sich die Atmosphäre eines Releases über eine kürzere Spielzeit nicht so sehr ab.

Daniel: Wieso ist von Black Autumn eigentlich noch nie etwas auf Vinyl veröffentlicht worden?

M.: Keine Ahnung! Ich fände es sehr geil, was auf Vinyl zu machen. Vor allem 7“-Scheiben liebe ich! Falls sich also ein Label berufen fühlt, eine Vinyl-Veröffentlichung auf die Beine zu stellen, bin ich sofort dabei!

Daniel: Du betreibst mit Black Autumn nicht nur ein Soloprojekt, sondern du hast ja auch noch eine andere Band, mit der du auch live spielst: Babylon Riot. Seit wann spielst du da? Und welche Bands haben euch beeinflusst?

M.: Bei Babylon Riot bin ich jetzt seit 2003 oder so? Ist schon eine Weile her! Mit Babylon Riot machen wir ja komplett andere Musik, als ich das mit Black Autumn so tue. Unsere Haupteinflüsse liegen da eher bei schwedischem Rotrock verortet; also Bands wie die Hellacopters und die Backyard Babies hauptsächlich!

black autumnDaniel: Welche Veröffentlichungen gibt es? Und steht mit Babylon Riot bald auch mal wieder etwas an?

M.: Wir haben bisher eine EP in Eigenregie aufgenommen. Wir sind gerade dabei, neue Songs zu schreiben und eventuell auch mal wieder auf die Bühne zu klettern. Wir hatten allerdings eine längere Auszeit und kommen nur eher unregelmäßig zum Proben derzeit, deswegen lässt sich nicht abschätzen, wie lange es dauern wird, bis da was neues kommt.

Daniel: Ich weiß, dass du ein großer Fan von den Holländern The Gathering bist. Viele Metal-Fans mochten sie ja nach „Nighttime Birds“ (1997) nicht mehr... Mein Favorit ist dagegen „If Then Else“ von 2000, die sehr psychedelisch ausgefallen war. Welcher ist Dein Favorit? Und magst du die neuen Sachen auch noch?

M.: The Gathering ist wohl die Band, die mich insgesamt am meisten beeinflusst und beeindruckt hat, auch wenn man das bei Black Autumn jetzt nicht so wirklich heraushört. Mein absolutes Lieblingsalbum von denen (und auch generell) ist „How To Measure A Planet?“. Die Platte hat mir die Augen geöffnet in Sachen Songwriting und was alles möglich ist, wenn man über den Tellerrand schaut und sich in seinen Einflüssen nicht einschränken lässt! Die neuen Sachen sind eigentlich auch durchweg gut, kommen aber leider nicht mehr ganz an die Klasse heran, die sie mit Anneke noch hatten. Sehr schade eigentlich, da ist viel Potenzial verloren gegangen!

Daniel: Wie sehen denn deine Zukunftspläne mit Black Autumn aus?

M.: Derzeit arbeite ich am Nachfolger vom „Losing The Sun“-Album. Instrumental sind die Stücke schon alle fertig. Ich möchte noch ein paar Gastsänger drauf haben und dann ist die Sache auch schon rund! Außerdem habe ich bereits begonnen, neue Musik zu schreiben, die eventuell dann etwas anders klingt, als die letzten Veröffentlichungen mit Black Autumn. Aber das wird sich noch zeigen. Ich lasse die Musik sich im allgemeinen selbst entwickeln!

Daniel: OK, M.! Das Schlusswort soll dir gehören!

M.: Vielen Dank für das Interview! Ich hoffe diejenigen, die Black Autumn schon kannten, konnten etwas Neues daraus erfahren. Vielleicht wurde ja bei dem ein oder anderen, der das Projekt noch nicht kannte, ein wenig Interesse geweckt!

https://www.facebook.com/blackautumn.band

http://blackautumn.bandcamp.com/



Autor: Daniel Müller