EISBRECHER, UNZUCHT, ONE I CINEMA

Köln, Palladium, 12.03.2016

Das letzte Mal als ich die Jungs von Eisbrecher sehen wollte, war auch ein Interview geplant. Da aber die Band gerade zum Shooting Star wurde und der Ansturm vor Ort explodierte, wiegelte man mein Interesse damals ab. Und das, obwohl man mich vorher so dringlich um ein Gespräch gebeten hat. So kann das mitunter auch mit der Pressefreiheit laufen.

one i cinemaHeute laden die Musiker zu ihrer „Volle Kraft Voraus“-Tour auch in die Rheinmetropole und alles läuft glatt. Nun ja, vielleicht nicht alles, denn der Opener One I Cinema fängt etwas früher an und zusammengerechnet mit der Wartezeit vor den Pforten bekomme ich so leider nicht das ganze Set mit. Natürlich ist das mitunter ein Grund, warum es vor der Bühne noch nicht ganz so voll ist. Zum anderen muss man gestehen, dass die Musik der Goth-Rocker, die meisten Anwesenden nicht wirklich in den Bann zieht. Die Jungs agieren, insbesondere Fronter Marco Meyer, recht frisch von der Leber weg, aber das Alternative-Material mit latenter Pantera-Schlagseite, vom selbstbetiteltem Debütwerk scheint zu heftig zu sein und ist ebenfalls, nahezu gänzlich unbekannt. Da tummeln sich dann halt nur Extrem-Fans am Rand der Bretter. Die noch junge Truppe aus Osnabrück hat es zumindest nicht ganz einfach. Derweil vergnügt sich das Restpublikum am bescheidenen Essens- und Getränkebuffet. Energie-Drink? Nada!

 

unzuchtUnzucht sind ja wohl die Haus und Hof Eröffnungsband von Eisbrecher. Zumindest ist man in dieser Konstellation, sprich ohne One I Cinema, öfter unterwegs. Die Hannoveraner sind weiß Gott keine Unbekannten in der düsteren Deutsch-Rock Szene und veröffentlichen Werke am laufenden Band. Mit „Kettenhemd“ haben sie bereits wieder eine aktuelle Single am Start. Apropros Single: Jeder Gast bekommt beim Einlass die Eisbrecher Single-CD „Wir Sind Gold“ gratis in die Hand gedrückt. Eine sehr nette Geste. Da bei Unzucht der letzte Release „Venus Lucifer“, etwas länger zurück liegt, gibt es heute selbstredend ein Best-Of Programm. Insofern eröffnet man das Set mit der Single „Unendlich“ aus dem Jahr 2014. Sänger Daniel „Der Schulz“ Schulz, ist natürlich das Aushängeschild der Formation. Betörend und mit ausgeprägter Anziehungskraft, verzaubert er die Damenwelt und versetzt die eh schon düstere und atmosphärische Musik in emotionale Leckerbissen. Das wirkt gerade bei den balladeskeren Stücken eindrucksvoll. „Nur Die Ewigkeit“ ist der Hit des Abends und beschert der Band das wohlverdiente Feedback. Mit der coolen Nummer „Engel Der Vernichtung“ werden wir vorläufig entlassen und so mancher fragt sich, warum dieser gute Act, bislang im eigenen Rahmen, unbeachtet geblieben ist.

 

eisbrecherDen beinharten Fans von Eisbrecher ist der Opening Spot von Dr. Dirty Dietz seit langem ein Begriff. Mit seinem persönlichen Witz und Charme, den allerdings nicht jeder teilt, leitet er das Liveprogramm des Headliners ein. Nicht unbedingt meine Baustelle. Aber was nun kommt haut alles, was ich seit Langem gesehen habe, locker über den Tellerrand. Nach Ertönen der mächtigen Schiffsglocke erklimmen die Musiker einzeln die Bühne und ebnen mit stampfenden Pathos den Weg für ihren sympathischen Fronter, Alexander Wesselsky, der mit edlem Tuch gekleidet das falsche Papiergeld in die Menge feuert. Er muss sich nicht einmal anstrengen, um seine Fans direkt an die Kette zu kriegen. Nur sein Spruch, dass man lieber die Arme mit den Handys runternehmen sollte, um das Konzert zu genießen, wurde erst lauthals bejubelt und sodann von seinen Zuschauern ignoriert. Überhaupt ein recht buntes und teilweise ziemlich eigenartiges Völkchen, das sich hier rumtreibt. Manche Verhaltensmuster verstehe ich überhaupt nicht. Egal! So führt die Band unter ständigem Wechsel von Szenerie und Kostümen durch ein gemischtes Programm, das aber letztendlich mehr Rückblick auf Hits und Raritäten hat. Aber es spielt eh keine Rolle was die Band an den Mann bringen will. Jeder Akt auf der Bühne und jeder Track wird mit Wollust genossen und zelebriert. Die kirchliche Zeremonie, Trommeleinlagen auf Tonnen, Schneegestöber, das gegenseitige Veräppeln, die einzelnen Soli…alles unter der Mithilfe der eigenen Bühnencrew…alles vom Feinsten und wohl durchdacht. Und immer mit einem zwinkerndem Auge. Natürlich gibt es mit einem Song wie „Herzdieb“ auch die ruhigeren Momente, die für eine komplett andere Atmosphäre sorgen. Nur Feuerzeuge hat nunmehr nicht jeder dabei. Mit dem neusten Hit „Wir Sind Gold“, kommt der erste Konfettiregen zur Geltung. Ähnliches wiederholt sich selbstredend bei „Eiszeit“, mit dem Kunstschnee. Geil auch, dass mein Lieblings-Track „Miststück“ gespielt wird. Da muss ich tatsächlich mal die Kamera an die Seite legen. Mit der obligatorischen Zugabe von drei Liedern, wobei der Track „This Is Deutsch“ so gar nicht meinen Geschmack trifft, ist dann schließlich Feierabend. Dafür konnte ich wenigstens mit allen anderen Anwesenden zu „Vergissmeinnicht“ abschwofen. Eine großartige Gesamtperformance. Danke dafür!

Tracklist:
01. Intro
02. Verrückt
03. Willkommen Im Nichts
04. Augen Unter Null
05. Fehler Machen Leute
06. Mein Blut
07. Leider
08. Amok
09. Prototyp
10. Himmel, Arsch Und Zwirn
11. Herzdieb
12. Wir Sind Gold
13. Angst?
14. Eiszeit
15. Die Engel
16. 1000 Narben
17. Miststück
18. Volle Kraft Voraus
19. Vergissmeinnicht
20. This Is Deutsch
21. Ohne Dich
 

 

 



Autor: Steve Burdelak - Pics: Steve Burdelak