LEE AARON - Die Rückkehr der Metal Queen


Es war in den frühen 80er-Jahren, dass ich Lee Aaaron (ich war mit dem Cousin ihres Gitarristen auf der High School), im Horseshoe Tavern, auf der Queen Street in Toronto, Kanada traf. Damals firmierte Karen Greening, so der bürgerliche Name der Lady, noch unter The Lee Aaron Project. Es gab noch Gagen von fünfzig Dollar pro Gig und Nacktfotos im Oui waren kein Problem. Dann jedoch mauserte sich die Sängerin mit dem Release von „Metal Queen“ weltweit an die Spitze der Female-Fronted-Metal-Szene. Da steckte unsere Doro noch in den Kinderschuhen. Mit jedem weiteren Album konnte die Kanadierin ihren Ruf festigen bis zum Jahr 1987, als sie mit „Lee Aaron“ recht melodisch wurde und das Mainstream-Publikum der Radiowelt ansprach. MTV-Videos und weltweite Gigs waren der Vorteil, aber angeblich kehrten ihr die Hardcore-Fans den Rücken zu. Für mich auf jeden Fall das beste Album bislang. Es gab drei weitere Werke, die wieder etwas kantiger wurden aber dann wandte sich Madame in eine andere musikalische Richtung ab. Mit der Formation 2Precious gab es Jazz und die Metal-Queen wurde Geschichte. Schließlich zog sie in den kanadischen Westen, wurde Mutter und kümmerte sich zehn Jahre lang so gut wie gar nicht um das Business. Nun kehrt sie mit „Fire And Gasoline“ zurück. Setzt auf alten Charme und Lyrics und hofft wahrscheinlich dort anzuschließen, wo sie aufgehört hat. Mit aller Liebe als Alt-Fan reicht die Qualität der neuen Songs weiß Gott nicht aus. Zudem haben seitdem etliche andere Ladies den Thron übernommen.

Steve: Hello Lee. Mein Name ist Steve Burdelak und ich wurde in Deutschland geboren, wuchs aber einige Jahre in Mississauga auf. Ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnerst, aber ich bin der Mann, mit dir und Doro Pesch auf den Fotos in deinem Bandbus in Bochum, Germany. Das war in den 90er-Jahren. Auch in Toronto haben wir uns öfters getroffen. Das letzte was ich musikalisch von Dir vernommen habe, war mit 2Precious. Kannst du mir in groben Zügen sagen was seit 1996 in deinem Leben passiert ist (Die Antwort kam ohne Reaktion auf meine Einleitung)?

Lee: Wow! Da ist eine Menge geschehen. Ich widmete mich dem Jazz und dem Blues und so entstand 2000 ein Album namens „Slick Chick“ (Lee Aaron And The Swingin´ Barflies). Hierzulande war es sehr erfolgreich und ich tourte auf etlichen Jazz-Festivals. Danach, im Jahr 2004, machte ich ein Pop/Jazz-Opus, „Beautiful Things“, mit der gleichen Band. Ich tourte zwar wieder, musste aber feststellen, dass ich schwanger war. Meine Tochter wurde im Juni 2004 geboren. Ich beendete die Tour „sehr schwanger“! Mein Sohn kam dann 2006 zur Welt und so beschloss ich ein paar Jahre mit Recordings auszusetzen. In den zehn Jahren spielte ich nur ausgesuchte Live-Gigs.

Steve: Warum hast du eine Zeitlang der Rockmusik den Rücken gekehrt?

Lee: Well, ich sehe das nicht als derartigen Schritt an, den Rücken zu drehen. Ich habe nie aufgehört Rock oder Rock ´n´ Roll zu lieben. Nach der ganzen Grunge-Bewegung war es für die „Rocker“ der 80er-Jahre ziemlich schwierig, in den 90er-Jahren im Radio zu landen Gigs zu bekommen oder einfach nur für die Medienwelt von Interesse zu sein. Der Kreis der musikalischen Welt dreht sich so dramatisch, dass viele ihre Karriere an den Nagel hängen konnten. Ich habe mich schon immer für die alten Jazz und Blueskünstler, wie zum Beispiel Sister Rosetta Tharpe und Nina Simone, interessiert. Sie schrieben ihre eigenen Lieder, hatten spirituelle und politische Anliegen und meisterten ihre Instrumente. Ich meine, diese Frauen waren total „bad-ass“, lnge vor Janis Joplin, Grace Slick oder Marianne Faithful. Ich fand das alles sehr inspirierend und wollte etwas hinzulernen. Bands wie Led Zeppelin und Konsorten bedienten sich bei Acts wie Willie Dixon und Howlin´ Wolf und deren frühen Alben. Das ist vielen gar nicht bewusst. Ich denke, eine Auszeit vom Mainstream-Rock zu nehmen, hat alles was ich später gemacht habe wesentlich bereichert.

Steve: Warum machst du gerade jetzt einen Schritt zurück und was hat sich bei den Kompositionen im Gegensatz zu früher geändert?

Lee: Ich wusste immer, dass ich nochmal eine Platte machen würde. Ich wollte nur so lange abwarten, bis meine Kinder selbstständig genug sein würden, um klar zu kommen, wenn Mutter sehr beschäftigt ist. Der gesamte Kompositionsprozess und die Recordings verlangen eine große Spanne an Aufmerksamkeit und Zeit und ich wollte erst sicher sein, diesbezüglich eine solide Basis zu haben. Was das Material auf der neuen Scheibe betrifft, denke ich das die Songs aus einer erwachseneren Perspektive stammen. Meine ganze Weltansicht ist heuer unbedingt anders als vor zwanzig Jahren. Ich denke dieses Werk umarmt meine gesamten musikalischen Einflüsse aus den letzten zwanzig Jahren. Die Lieder hören sich nicht alle gleich an. Sie nehmen den Zuhörer auf eine musikalische Reise. Genau das wollte ich, denn alle meine Lieblingsalben sind genau so. Ich wollte, dass der Sound der Platte sehr frisch klingt und meine jugendliche Energie einfängt, weil ich mich immer noch so fühle. Und ich weiß, dass alle meine Fans ebenso fühlen.

lee aaronSteve: Fängst du mit dem Touren wieder da an wo du aufgehört hast? Ergo, spieltst du auch deine alten Lieder, egal ob als Opener für andere Metal-Formationen oder als Headliner?

Lee: Unter den richtigen Umständen würde ich gerne wieder auf Tour gehen. Wie du sicherlich weißt, ist es leider extrem teuer für nordamerikanische Bands in Europa zu touren. Im Moment hoffen wir auf die großen Festivals.

Steve: Du gehörst immer noch zu den Top fünf Heavy Metal Queens hier in Deutschland. Hattest du in den ganzen Jahren nie den Wunsch, zurück auf die Bühne zu kehren?

Lee: Natürlich. Einige meiner besten Momente des Tourlebens stammen fanden in Deutschland statt. Ich vermisse die Fans, die schöne Architektur und das Bier!

Steve: Kannst du uns ein bißchen über The Swingin´ Barflies erzählen?

Lee: Yep…das ist der Bandname für meine Musiker mit denen ich im Jahr 2000 „Slick Chick“ aufnahm. Mit dabei waren Jane Milliken am Piano, Don Short am Schlagzeug, Danny Parker am Bass und Graham Howell am Saxophon. Ich wollte, dass die Leute verstehen würden, dass es sich um ein Jazz und Blues-Album handeln würde und nicht um ein traditionelles Lee Aaron Werk. Deshalb die Namensänderung. Das war eine lustige Zeit in meiner Karriere und The Swingin´ Barflies sind sehr talentierte Musiker. Sie hatten eine Menge Ecken und Kanten. Irgendwie mehr und besser als die typischen Jazz-Musiker. Einmal ging ich in einem Club wo wir spielten auf die Toilette und an der Wand stand ein Schriftzug mit den Worten: „Lee Aaron's Jazz Rocks!". Ich nahm das als riesiges Kompliment.

Steve: In Hinsicht auf die Lyrics…was waren deine großen Themen die dein Schreiben beeinflusst hatten?

Lee: Ich bin fasziniert von der Psychologie des menschlichen Verstands. Was bringt Leute dazu, Dinge zu tun, die sie tun? Insbesondere in Beziehungen. Warum beginnen wir mit einer Beziehung die uns verletzten wird („Fire And `Gasoline“)? Warum benötigt es Jahre, bis wir ein Selbstbewusstsein entwickelt haben („Bad Boyfriend“)? Warum verletzten wir Menschen, die wir am meisten lieben („Heart Fix“, „If You Don´t Love Me Anymore“)? Wie finden wir Hoffnung und Licht, wenn unsere Situation sehr schlimm ist („Find The Love“)? Ich tauche tiefer in solche Themen ein und wickele sie melodisch passende Rocksongs. Ich hoffe, dass es genau die Message ist, die ankommt.

Steve: Ist der Song „Tomboy“ autobiografisch?

Lee: Nein. „Tomboy“ habe ich für meine zehnjährige Tochter geschrieben. Ich schrieb ihn eigentlich inspiriert von der Energie des freien Geistes und der Attitüde den junge Mädchen aufweisen, bevor sie zu Teenagern heranwachsen und sich ihrer selbst bewusster werden. Sie ist nicht noch nicht vom Schönheitswahn befallen, den die Medien auf unsere Mädchen hetzen. Im Video-Clip spielt meine Tochter Angella und die Backing Band besteht aus ihren Schulfreundinnen. Sie waren fantastisch und wir hatten eine Menge Spaß beim Videodreh. Das Lied entwickelte sich mit der Zeit zu einem Track, der jedem Kraft verleihen kann. Es dient als positive Message für junge Mädels, aber mehr noch als Hymne für all diejenigen von uns, die um ihrer selbst Willen geliebt werden wollen. Die so akzeptiert werden wollen, wie sie wirklich sind und was sie darstellen. Ich will schwer hoffen, dass mir das gelungen ist.

lee aaronSteve: Gibt es Musiker auf dem Album, die du vorstellen möchtest, oder mit denen du auf Tour gehen wirst? Gibt es bekannten Gäste auf dem Album, von denen wir wissen sollten?

Lee: Jawohl! Mein Gitarrist Sean Kelly ist hier in Kanada sehr bekannt. Er ist der Author des kanadischen Rock-Geschichtsbuch „Metal On Ice“. Er hat für Nelly Furtado gespielt und hat seine eigenen Band Crash Kelly. Er hat sogar fünf der Albumtracks mit mir zusammen geschrieben. Dave Reimer ist der Bassist auf meinem Album. Er singt übrigens zusammen mit mir alle Backing-Vocals. Der Drummer heißt John Cody und hat mit Bo Diddley und Bachman Turner Overdrive gespielt.

Steve: Ich vermisse Toronto jeden Tag. Wieso bist du in den Westen Kanadas gezogen?

Lee: Ich vermisse meine Freunde und den kosmopolitischen Aspekt von Toronto, aber ich wurde allein schon vom täglichen Autoverkehr überfordert. Die Westküste von Kanada ist wunderschön. Wir haben die Rocky Mountains und den pazifischen Ozean. Es ist das ganze Jahr über grün! Ein großartiger Ort, um Kinder großzuziehen.

Steve: Welche Zukunftspläne hast du geschmiedet?

Lee: Wir planen noch einiges an Videomaterial zu drehen. Damit können die Fans uns auf YouTube verfolgen. Natürlich planen wir einige Festivaltermine um „Fire And Gasoline“ zu promoten. Eventuell schaffen wir es auf eine Tour. Keine Angst…nach Deutschland zurückzukehren steht ganz oben auf meiner Liste.



Autor: Steve Burdelak