SIN STARLETT, RULER, HIGH HEELER

Luzern (Schweiz), Sedel, 07.05.2016

flyerAls Plattentaufe der Starletten ist dieser Abend des Undergroundmetals angepriesen worden. Auf einen sehr coolen Abend bin ich gefasst, dass er jedoch denkwürdig werden würde, war vorab nicht wirklich absehbar. Neben der Plattentaufe ist der Gig in der Agglomeration Luzerns jedoch auch der Abschied des langjährigen Bassisten Lukas, der aufgrund beruflicher Belastung und damit verbundenen Auslandaktivitäten die Saiten streichen muss. Neben den Starletten stehen an diesem Samstag Abend auch die Österreicher High Heeler und die Italiener Ruler, letztere vom 2013er Abstecher ans Up The Hammers Festival in Athen als energiegeladene und agile Liveband noch bestens in Erinnerung, auf der Bühne. Der Sedel war vom späten 19. Jahrhundert bis ins Jahr 1971 eine Strafanstalt. In den frühen 1980er Jahren wurde dann schrittweise aus dem Sedel das, was er heute darstellt: Eine Anlage mit über 50 Probelokalen für lokale Acts und dem eigentlichen Club. Eine coole, relativ kleine Location, welche ein geschätztes Fassungsvermögen von ca. 280 Nasen hat. Leider wird die Bühne durch zwei Betonträger in drei Teile geteilt, so dass ein einheitliches Bandgefüge auf der Bühne kaum möglich ist. Ebenso schwierig sind die entsprechenden Lichtverhältnisse und stellen damit für die zahlreichen Hobbyfotographen (mich inklusive) eine mittelgroße Herausforderung dar. Trotz der etwas speziellen räumlichen Gegebenheiten des Sedels ist der Sound meist mehr als nur anständig. Vielleicht sollten die Soundverantwortlichen des Keep-It-True Festivals mal in die voralpine Provinz pilgern, um sich zeigen zu lassen, wie man unter relativ bescheidenen Bedingungen einen amtlichen Livesound hinzimmern kann. Als ich um gut 20:00 Uhr am Laden eintreffe, ist noch ziemlich tote Hose angesagt, sollte der Spaß ja auch erst um 21:00 Uhr richtig losgehen. Von Ruler fehlte zudem noch jede Spur. Aufgrund der Verkehrssituation am Gotthard (Loch im Berg - nicht Poserband) treffen die Spaghettifresser dann erst um ca. 20:30 Uhr an der Location ein. Aufgrund der gemeinsamen, kultigen Up-The-Hammers Vergangenheit war die Begrüßung mit den Starletten sehr herzlich. Metal On Metal sozusagen.

 

high heelerNach einer vertilgten Wurst im „Backstage“ Bereich des Sedels (Danke Dave für die unkomplizierte Bewirtung!) mit bestem Blick auf den Auslauf des Rotsees, betreten High Heeler pünktlich um 21:00 Uhr die Bretter, welche die Welt bedeuten. Die vier Ösis, extra für dieses Konzert aus Wien angereist, legen sehr amtlich los, auch wenn das Publikum noch sehr hüftsteif ist. Ich kenne die Band überhaupt nicht, allerdings sind gewisse Bandmitglieder regelmäßige Keep-It-True Besucher, so dass über die Jahre hinweg ein guter Kontakt zu den Starletten entstanden ist. Das Quartett gibt sich sehr viel Mühe, v.a. Sänger/Bassist Poison Poser, der trotz den „High Heels“ sehr viel in Bewegung ist, allerdings will der Funke zum Publikum nicht so richtig überspringen. Mir haben einige der Songs der Wiener, vor allem die etwas härteren recht gut gefallen, auch wenn sich der eine oder andere Spielfehler nicht kaschieren lässt. Nach einer guten Dreiviertelstunde ist die Darbietung der Österreicher, welche leider nicht mehr als Höflichkeitsapplaus aus dem Publikum rausquetschen können, dann zu Ende. Kein brillanter, aber doch guter Start in den Abend.

 

rulerDa die Norditaliener von Ruler erst kurz vor Konzertbeginn im Sedel angekommen waren, und sie daher vorab keinen Soundcheck machen konnten, dauert die Umbaupause etwas länger als ursprünglich geplant. Das Warten sollte sich allerdings mehr als nur lohnen. Im Gegensatz zu High Heeler treten die vier Italiener beim anwesenden Publikum offene Türen ein und setzen von Beginn an zu einem Triumpfzug an. Die Reise hat sich für Ruler sicherlich gelohnt, können sie doch einige neue Anhänger an diesem Abend für sich gewinnen. Der Auftritt von Ruler lässt sich mit ein paar wenigen Adjektiven sehr gut zusammenfassen: roh, energiegeladen, spaßgetrieben, souverän, sympathisch und vor allem arschtight! Vier Musiker, die einfach Spaß haben und auf ein sehr dankbares Publikum treffen. Ein Auftritt, der beiden Seiten sichtlich Spaß macht. Die coolen Ansagen und das Rumgekasper von Frantsau Daniele tragen auch zur lockeren und spaßigen Atmosphäre bei. Was mir bei Ruler am besten gefällt, ist ihr sauberes Zusammenspiel in Kombination mit einer wahrlich unbändigen Spielfreude. Wenn die Band in Eurer Nähe spielen sollte, geht hin und überzeugt Euch selbst. Ihr werdet es nicht bereuen! An diesem Abend wird ein guter Querschnitt der beiden Alben der Band dargeboten, wobei die Band um Frontsirene Daniele vor allem durch ihre musikalische Qualität überzeugen kann. Ich habe stets großen Respekt vor Bands, die mit einer Klampfe eine breite Soundwand raushauen können. Dies erfordert allerdings ein gewisses Können des jeweiligen Bassisten. Was Mirko an diesem Abend an Basslinien raushaut, war wahrlich brillant. Doppeldaumen hoch für Ruler, die einen ausgezeichneten und sympathischen Auftritt hinlegen, den niemanden im Publikum kalt zu lassen scheint, wollten die „Ruler“ Sprechchöre nach dem Gig nicht mehr aufhören. Die Messlatte für die Starletten liegt damit verdammt hoch.

Setlist: Intro; The Ships Of Trafalgar; Back To The Glorious Days; Another Fight; We Rule The Night; Queen Of Danger; Rise To Power; Sutjeska; Mirror Of Lies; Mayday; Evil Nightmares.

 

sin starlettNach einer knapp 30 min Umbaupause starteten die fünf Einheimischen von Sin Starlett einen Set, der in die Annalen der Bandgeschichte eingehen wird. Ich habe die Band nun doch mehrfach gesehen in den letzten Jahren, aber so einen Gig wie diesen durfte ich noch nie erleben. Trotz der glühenden Hitze auf der Bühne hauen die Luzerner einen 120 min Gig raus mit einer Setlist, die mir auch Tage danach noch fast die Tränen in die Augen schießen lässt. Das Stimmungslevel im Club kann nicht mehr ganz an das des Ruler Gigs anschließen, trotzdem wird der Abend unvergesslich in Erinnerung bleiben. Die Breite der Setlist ist das, was diesen Abend unvergesslich machen wird. So kommen an diesem Abend tatsächlich wieder einmal fünf Tracks des legendären, selbstproduzierten Debütalbums „Call To The Punisher“ zum Zuge. Die Songs sind aufgrund der relativ schlechten Soundqualität der Eigenproduktion massiv unterbewertet, aber genau die Rauheit dieser Produktion macht die Songs so charmant. Passend dazu sind mit Oli (d) und Bigger (b) zwei ehemalige Weggefährten aus dieser Phase vor Ort. Das dritte ehemalige Mitglied war bei „The Last Straw“ zumindest spirituell anwesend... Der Set der Starletten ist ein exzellenter Querschnitt durch die drei Alben, wobei natürlich ein starkes Schwergewicht auf dem sackstarken neuen Album „Digital Overload“ liegt, welches komplett durchgespielt wird. Zur Mitte des Sets, genauer zu „Savage Nightshifts“, einer meiner absoluten Lieblingssongs, wird Many Maurer, der Meister des Klanges des neuen Albums, als Gastmusiker auf die Bühne gerufen. Die drei Klampfen machen mächtig Rabatz und es wird gepost, als gäbe es kein Morgen. Coole Sache! Mir hätte natürlich einer meiner Alltime Faves in Form von „Just When The Riot Begins“ noch gut gefallen, aber man kann es ja nie allen recht machen, und jeder hat seine Lieblingssongs, die eventuell nicht zum Zuge kommen. Nichtsdestotrotz ist die Songauswahl exquisit, die Soundqualität gut, die Band spielfreudig und gut drauf und Eli, trotz einwöchiger Heiserkeit, mehr als gut bei Stimme. Nach weiteren Highlights der jüngeren Diskographie ist der offizielle Set nach dem genialen „Sideway Warriors“ zu Ende. Das Publikum schreit die Streitgenossen jedoch nochmals für zwei Songs auf die Bühne. Das obligate, abschließende „Winds Of Fury“ ist dann auch das Sahnehäubchen auf diesen Gig. Bei dem Klassiker bekommt die Band Unterstützung ihres ehemaligen Bassisten Bigger, der die Bühne jeweils für den Refrain zum Mitsingen stürmt, um sich im Anschluss stagedivend in die Menge zu stürzen. Nach dem musikalischen Ende waren dann ein paar Sentimentalitäten angesagt, wurde Basser Lukas nun endgültig verabschiedet. Danke and die Starletten und die Rabauken in den ersten Reihen für einen denkwürdigen Gig und einen spaßigen und genialen Abend. All in!

Setlist: The March Of The Iron Musketeers, Electric Expander, Digital Overload, Black Magic Sky, Tear Down The Halls, Edge Of The World, Relentless Assault, The Last Straw, Rocking Through The Night, The Last Straw, Savage Nightshifts, Resurrection Of Death, Righteous Saviours, Forever Gone, Mendacity, Headed By The Hexx, Force & Thunder, Blood In The Streets, Sideway Warriors, Beholders Of The Claw, Winds Of Fury.



Autor: Steph Bachmann - Pics: Steph Bachmann