BRDIGUNG - Aus diesem Drang


Aus Kempen im Ruhrgebiet kommt eine Band, die sich in den letzten Jahren einen Namen in der Deutschrock- und deutschen Punkrockszene gemacht hat. Gegründet als Kellerprojekt, erreichten BRDigung inzwischen mehreren Chartplatzierungen, zuletzt Platz fünfzehn der deutschen Albumcharts mit ihrem neusten Album „Chaostheorie“. Um dieses Album vorzustellen, touren die vier Musik zur Zeit durch Deutschland. Im Rahmen ihres Konzertes im schwäbischen Ludwigsburg nutze ich die Gelegenheit, mich einmal ein wenig mit Gründer und Sänger Julez zu unterhalten.

logoChris: Hey Julez, es freut mich sehr dich kennenzulernen, da ich inzwischen ein großer Fan eurer Musik bin. Wie kamt ihr auf den Name BRDigung und was bedeutet er?

Julez: Er hat eigentlich keine Bedeutung. Wir wollten einen punkigen Namen und fanden BRDigung eigentlich voll scheiße, deshalb sagten wir, der ist nur für zwei Wochen. Denn in den zwei Wochen fällt uns schon was besseres ein. Dann ist der Name aber einfach geblieben.

Chris: Kanntet ihr euch schon vor der Gründung von BRDigung?

Julez: Gegründet habe ich BRDigung ja schon 2004 mit einem Kumpel zusammen. Nach und nach wurde es dann zu so nem Kellerprojekt von einigen Schulfreunden. Bis 2008 hatten wir ja noch einen Sänger, aber als wir ins Studio gegangen sind wurde es ihm schon zu viel Arbeit, also habe ich mehr aus der Not heraus den Gesang übernommen. Aber er ist immer noch ein sehr guter Kumpel von uns und ist immer noch am Start wenn wir in der Nähe von Kempen was haben.

Chris: Als ihr BRDigung gegründet habt, hättet ihr euch da vorstellen können einmal so erfolgreich zu sein wie ihr es heute seid?

Julez: Nein! Das war nicht geplant. Ich glaube wenn man zwangsweise auf Erfolg aus ist, dann klappt es sowieso nicht. Es geht mehr darum seinem inneren Drang nachzugeben und einfach zu tun was man tun muss. Ich wüsste jetzt nicht was passieren würde, wenn ich beispielsweise einen Arm verlieren würde und das alles nicht mehr möglich wäre. Die Band ist für mich das was für einen anderen Golf spielen ist. Ich werde es wahrscheinlich nicht mein Leben lang machen, aber jetzt gerade ist es das richtige. Gäbe es das alles nicht, würde ich aus diesem Drang heraus irgendwas anderes machen, ich weiß nicht ob das nachvollziehbar ist.

Chris: Als könntest du dir dein Leben gerade nicht ohne BRDigung vorstellen?

Julez: Aktuell nicht, aber irgendwann sicher. Das ganze Leben lang die gleiche Band zu haben wäre irgendwie ja auch langweilig. Aber ohne Musik niemals.

Chris: War es ein großer Karriereschritt für euch als ihr 2010 bei Rookies & Kings unterschrieben habt?

Julez: Schon. Vorher waren wir beim Label/Versand/Vertrieb des damaligen Merchers von Betontod. Er hat das mehr so als Hobby betrieben. Diese Band hatte immer Gönner, denn als wir das erste Album aufgenommen hatten, hatten wir nichts außer Schulden und einer CD, die sich nicht verkaufte. Er hat dann einfach mal ein paar Tausend für und bezahlt, ohne jemals etwas von uns gehört zu haben, einfach weil er an uns geglaubt hat. Aber irgendwann waren wir natürlich an dem Punkt, an dem er uns den Support, den wir brauchten, um weiter zu kommen,, einfach nicht mehr geben konnte. Ich hatte damals mit Andi Müller Kontakt, er hat mich Stefan Hader vorgestellt, das war zu der zeit als Rookies & Kings gegründet wurde und man Bands gesucht hat.

Chris: Also stand es zwischenzeitlich mal gar nicht so gut um BRDigung?

Julez; Naja wir haben uns ja nicht kaputt gemacht, aber es ist schon frustrierend, wenn man sehr jung ist, ein Album hat, von dem sogar ein paar Leute sagen, dass sie es gut finden, aber man verkauft nichts. Klar, damals hatten wir ja nicht den ganzen Support den wir heute haben.

Chris: Viele eurer Texte sind sehr sozialkritisch, wollt ihr die Leute damit erreichen oder euch einfach nur Luft machen?

Julez: Du meinst, ob ich glaube, dass meine Texte etwas bewirken? Ich denke es wäre anmaßend zu denken, dass man mit Musik die Leute dazu bringt, ihr Leben zu ändern. Von dem her ist es schon in erster Linie, um sich selbst Luft zu machen und einfach mal zu sagen was man denkt. Außerdem erreicht man damit viele Gleichgesinnte, also Leute, die ähnlich fühlen und denken wie man selbst. Der ein oder andere findet vielleicht auch selbst in den Situationen wieder, die wir in nem Texten ansprechen und gewinnt daraus Kraft. Wenn man das erreicht hat, hat man meiner Meinung nach schon ne ganze Menge geschafft.

Chris: Wie entstand der spezifische Sound von BRDigung?

Julez: Es hat sich einfach so entwickelt, beeinflusst von den Bands, die wir privat hören. Unser damaliger Bassist, der Tobi und ich waren mehr die härtere Metalfraktion. Jonas steht mehr auf Street Punk wie Social Distortion, The Offspring und Pennywise, während Sven mehr auf dem humoristischen Trip ist, so was wie die Ärzte. Außerdem sind wir alle riesen Fans von Terrorgruppe. Wir waren nie verbohrt und sagten das muss jetzt so oder so klingen. Immer nur Schrammelpunk spielen, das nervt irgendwann. Ich denke auch die Hörer sind heutzutage aufgeschlossener als Früher. Natürlich gefallen wir damit auch nicht allen, für den einen ist es zu viel Metal, für den nächsten zu viel Punk. Außerdem denke ich, dass sich unser Sound von Album zu Album etwas verändert hat. Vor zwei CDs war es noch etwas rockiger, „In Goldenen Ketten“ war dann mehr so aufs Maul, während „Chaostheorie“ schon wieder eher so die Punkrockschiene bedient. Wonach es letztendlich klingt, entscheidet sich erst beim Mix. Das ist es, was ich so interessant finde, ich kann aber auch verstehen, wenn das manche nervt.

brdigungChris: Gibt es in eurer bisherigen Bandgeschichte einen Moment denn ihr als absolutes Highlight bezeichnen würdet?

Julez (überlegt): Ein absolutes Highlight? Ich weiß nicht. Es gibt viele kleine Highlights. Zum Beispiel der Release jedes neuen Albums, oder wenn der Druck, den jede neue Platte mit sich bringt, nach deren Erscheinen von einem abfällt. Ein persönliches Highlight war es auch, als wir nach einer Spendenaktion eintausend Euro an ein Kinderhospiz übergeben konnten. Es ist super, wenn man Leute zu so etwas Motivieren kann.

Chris: Manche Leute nennen euch „die jungen Toten Hosen“, was hältst du von diesem Vergleich?

Julez: Ich persönlich mag die Toten Hosen, so gesehen kann uns der Vergleich ehren. Oder auch nicht, denn ich habe auch schon gelesen dass der Vergleich ätzend wäre, immerhin wären die Toten Hosen heute angeblich nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die Leute suchen ja sowieso immer Vergleiche, um Dinge zu definieren. Ich denke da gar nicht so viel drüber nach.

Chris: Euer neustes Album Chaostheorie stieg auf Platz fünfzehn der deutschen Albumcharts ein, erst einmal Glückwunsch dazu. Wie wichtig sind Chartplatzierungen für euch?

Julez: Wir freuen uns natürlich. Allerdings sind Charts umsatzbasiert, das heißt in einer umsatzschwachen Woche kann man mit weniger verkauften Alben vercharterten als in einer umsatzstarken Woche mit mehr verkauften Alben. Zum Beispiel könnte man in einer umsatzschwachen Woche auf Platz eins charten, obwohl man weniger CDs verkauft hat als vom Vorgänger. Da verkaufe ich lieber in einer umsatzstarken Woche doppelt so viele CDs, aber charte niedriger. Immerhin sehe ich die Entwicklung an den Verkaufszahlen zuverlässiger. Von dem her, es ist gut für die Schwanzlänge, aber ansonsten hat der Chartplatz wenig Bedeutung.

Chris: Das heißt, ihr seht die Chartplatzierung als Kompliment, aber nicht als Maßstab an?

Julez: Ja genau. Natürlich freuen wir uns, da in dieser Woche auch Vanessa Mai und Matthias Reim released haben, das sind Leute, die viel verkaufen und damit das Niveau anheben. Wir waren alle recht nervös und gespannt zu sehen, wo wir landen. Immerhin will man ja irgendwo doch besser abschneiden als beim Vorgänger. Ich hätte nie mit einer so hohen Platzierung gerechnet, also von dem her ist alles gut gegangen.

Chris: Stimmt ihr eure Instrumente selbst wenn ihr auf Tour seid?

Julez (lacht): Nicht mehr. Obwohl ich mich erst einmal daran gewöhnen musste,  meine Gitarre aus der Hand zu geben, da ich ein Mensch bin, der immer die Kontrolle behalten will. Gerade heute haben wir einen neuen Gitarrentechniker, mit dem ich noch keine Erfahrungen gemacht habe. Ich habe gerade eben erst zu ihm gesagt, dass ich sehr nervös bin und viel Sicherheit brauche. Da bin ich manchmal wie ein kleines Kind.

Chris: Habt ihr eine Art Ritual, mit dem ihr euch auf eure Gigs einstimmt, bevor ihr auf die Bühne geht?

Julez: Wozu ist das gut? Nein so was haben wir nicht. Es kommt zum Beispiel vor, dass ich kurz vor nem Auftritt mit Alex über irgendwelche Filme rede, dann sagen wir, wir machen mal eben, dann machen wir mal eben und danach reden wir weiter.

Chris: Mit welchen Bands würdet ihr besonders gerne einmal auf der Bühne stehen?

Julez: Wir haben vorhin noch drüber gesprochen, mit wem wir gern mal auftreten würden, um uns sozusagen Kindheitsträume zu erfüllen. Auf jeden Fall Terrorgruppe, für Sven wären es Die Ärzte, bei Jonas wahrscheinlich Social Distortion und bei Alex weiß ich es gerade ehrlich gesagt nicht.

Chris: Werfen euch die Leute Unterwäsche auf die Bühne?

Julez: Es wird keine Unterwäsche geworfen, die Leute werfen anderen Scheiß. Wobei, einmal flog tatsächlich Unterwäsche auf die Bühne. Das war zwar von einem Mann, war aber auch cool, denn Kompliment ist Kompliment.

Chris: Hören eure Eltern eure Musik?

Julez: Die Frage wurde mir noch nie gestellt, aber ja, das tun sie tatsächlich. Ich bin durch meine Eltern zu solcher Musik gekommen. Ich bin mit Pink Floyd aufgewachsen und habe Roger Waters drei mal live gesehen. Das waren jedesmal Gänsehautmomente. Die ersten Musikalischen Gehversuche habe ich mit der Gitarre meines Vaters gemacht. Und zwar zu „Sorrow“ und „High Hopes“, geschrieben von David Gilmour (Pink Floyd). Das sind die besten Lieder, die es gibt und es wird nie bessere geben. Also ja, unsere Eltern hören unsere Musik und finden es gut.

Chris: Welche Berufe habt ihr gelernt? Seid ihr noch in diesen Berufen tätig?

Julez: Also Alex ist Jurastudent, also quasi ein ewiger Student. Jonas ist Pädagoge, aber wo genau er arbeitet, weiß ich nicht. Sven ist IT-System Techniker … glaube ich. Und ich bin Traumatherapeut.

brdigungChris: Werdet ihr im Alltag oft erkannt und nervt es euch, wenn ihr erkannt werdet?

Julez: Lokal kommt es schon mal vor, aber in großem Maße werde ich nicht auf der Straße angesprochen. Klar gibt es das auch, aber es nervt nicht. Wir sind alle geerdet und keiner fühlt sich als Star. Das haben wir auch unserem Freundeskreis zu verdanken. Unsere Freunde machen sich eher etwas über das was wir tun lustig, aber auf einer freundschaftlichen Ebene. Wir kommen zum Beispiel auf eine Hausparty und es heißt „Oh schaut mal, da sind die Rockstars!“ Aber genau so etwas erdet einen.

Chris: Welche CD hast du dir zuletzt gekauft?

Julez (überlegt): ich glaube das war eine von Pink Floyd. Pulse, die Live-CD. Ich hatte sie schon einmal, aber sie ist mir kaputt gegangen, weswegen ich sie mir noch einmal gekauft habe. Ganz sicher bin ich mir aber nicht mehr. Die CD kann ich übrigens wärmstens empfehlen, es ist das beste Live-Album, das es gibt.

Chris: Damit wären wir auch schon am Ende des Interviews angekommen, aber bevor ich mich verabschiede, wollt ihr euren Fans und Hörern noch irgendetwas sagen?

Julez: Ich möchte mich für die Unterstützung bedanken. Uns allen ist immer wichtig, der ganzen Sache mit etwas Demut zu begegnen. Was wir hier tun können, ist nicht selbstverständlich. Was wir machen, ist nur möglich, da es Leute gibt, die sich die Musik und die Shirts kaufen. Dass die Leute im Internet klicken und auch weiterempfehlen. Es ist ja alles nur möglich solange die Kosten gedeckt sind. Es ist etwas ganz besonderes Fans zu haben, die das alles ermöglichen. Ich meine, wir haben Fans, die Tickets für die ganze Tour gekauft haben und uns hinterherreisen. Das ist verrückt, dafür geht ja auch ne Menge Urlaub drauf, den man für etwas anderes verwenden könnte. Trotzdem kommen sie immer wieder und das ist etwas, dem man mit viel Respekt begegnen und sich gut bewahren muss. Leider wird oft vergessen wie wichtig so etwas ist.

Chris: Ich bedanke mich für das Interview und wünsche euch noch viel Spaß bei eurem Gig gleich!



Autor: Chris Föhrenbach