Ragnarök Festival

Lichtenfels, Stadthalle 01.-02.04.2016

Eigentlich ein kleines, verschlafenes Städtchen in Oberfranken. Doch im April eröffnet hier regelmäßig das Ragnarök die Festivalsaison. Auf diesem Event in der Stadthalle Lichtenfels treten schwerpunktmäßig Bands aus dem Pagan- und Black Metal Bereich auf. Dieses Jahr mache ich mich also auf den Weg und fuhr gemeinsam mit meinem Kollegen René vom Zephyr's Odem Magazin die lange Strecke von Kiel nach Bayern. An dieser Stelle schon einmal vielen Dank an meinen Kollegen René, mit dem ich mich beim Fotographieren abgewechselt habe, für die Mitbenutzung seiner Kamera.

 

thormesisDie Jungs von Thormesis eröffnen das 13. Ragnarök mit solidem Black Metal. Ein wenig muss ich doch schmunzeln über den Auftritt, aber im positiven Sinne. Neben dem obligatorischen Corpsepaint, welches für jede aufstrebende Band ein Muss ist, liefern Thormesis einen Sound, dem man anhört, dass er noch ein wenig in den Kinderschuhen steckt, trotz des kürzlichen zehn-jährigen Bandjubiläums. Aber an sich durchaus nicht schlecht, musikalisch gesehen sogar sehr gut, was da auf der Bühne geboten wird. Das gewisse Etwas fehlt zwar noch, aber ansonsten ein absolut gelungener Opener.

 

ctuluRené und ich sind nicht die einzigen Nordlichter auf dem Festival, auch die drei Musiker von Ctulu kommen aus Kiel und Bremen. Bei dieser Darbietung können wir allerdings nicht anders als uns ein wenig für unsere Herkunft zu schämen. Der Sound ist eher mau und die Performance der in Morph Suits auftretenden Band, welche ohne Bass daherkommt, ist echt nicht das Gelbe vom Ei. Vielleicht hat man hier einen schlechten Tag erwischt, aber dieser Auftritt ist so unterirdisch, dass ich nach den ersten zwei Songs die Flucht ergreife. 

 

vargsheimEigentlich wollte ich Vargsheim ursprünglich auslassen, aber am Ende siegt bei mir doch die Neugier. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellt. Diese drei Herren nehmen uns mit auf eine Zeitreise in die 70er und lassen mit ihrem „Black 'n' Roll“ schon einen Hauch von Black Sabbath Feeling aufkommen. Krachende Doom-Walzen wechseln sich ab mit schnellen, aggressiven Black Metal Sägen. Insgesamt ein sehr gelungener Auftritt, welcher absolut nicht langweilig wird. Etwas verspätet komme ich beim Auftritt der russischen Band Welicoruss an. Was ich höre und sehe, haut mich vor Begeisterung fast aus den Latschen: Auf der Bühne stehen vier sibirische Hünen, allesamt in Felle und Lederrüstungen gekleidet. Und diese vier Hünen hauen uns besten Black Metal mit Symphonic Elementen um die Ohren. Donnerwetter, die Jungs sorgen bei mir für die Überraschung des Tages und das erste Highlight dieses Festivals. Meisterhaft verstehen sie es, das Publikum mit ihrem Sound mitzureißen und performen ihre Songs darüber hinaus mit bemerkenswerter Energie. Die Symphonic Parts und die Metalband interagieren miteinander absolut auf Augenhöhe. Die orchestralen Samples sind technisch so grandios ausgefeilt, dass sich Nightwish und Co. gerne mal ne Scheibe abschneiden können.

 

gernotshagenNach dem Gig bin ich allerdings ein wenig überrascht, da es anscheinend keinen Merch von den Russen zu kaufen gibt. Zum Glück ist dies wenig später anders, sodass ich mich wohl nicht als einziger erstmal mit einer CD versorge. Zum Auftritt von Gernotshagen gibt's nicht viel zu sagen. Die Halle ist zu ihrem Auftritt sehr gut gefüllt, die Erwartungen nach Renés Erzählungen recht hoch. Dennoch kommen sie mir recht mäßig vor. Anscheinend hat die Band auch hier einen schlechten Tag erwischt, was die anwesenden Fans aber nicht zu stören scheint. Gernotshagen reißen ihre Anhänger mit und verbreiten eine gute Stimmung.

 

mardukMarduk, die Urgesteine des schwedischen Black Metals, treten nach den hier ausgelassenen Lantlos, auf. Die Fans werden so langsam aber sicher unruhig, als die Band etwas mehr als eine halbe Stunde auf sich warten lässt. Ich bin gespannt, wie sich die Schweden präsentieren werden, sind doch auch sie nicht mehr die Jüngsten. Als sie dann aber endlich loslegen, verfliegen bei mir die Zweifel. Marduk legen einen fulminanten Auftritt hin und reißen die Menge mit. Ich bin zwar aufgrund der langen Anreise und der Tatsache, dass ich bereits knapp zwanzig Stunden auf den Beinen bin, ziemlich müde und setze mich deshalb auf die Tribüne, aber das Bild von oben ist beeindruckend: Selten habe ich bei einem Konzert so viele Leute gleichzeitig headbangen und mitfeiern sehen. Der Sound ist zwar an einigen Stellen ein wenig mäßig, aber damit muss man rechnen, wenn man auf's Ragnarök fährt, die Stadthalle hat eben eine schwierige Akustik. Ansonsten merkt man den Musikern ihr Alter kaum an, die Falten sieht man sowieso nicht unterm Make-up, haha. Deutlich heben sie sich vom Rest des Black Metals ab und beweisen, dass man auch mit kurzen, melodiösen Riffs für eine gelungene Abwechslung sorgen kann. Auch wenn ich sie mir nicht auf der CD anhören würde, so sind Marduk live auf jeden Fall zu empfehlen.

 

ensiferumEigentlich will ich unbedingt wach bleiben, weil ich Ensiferum, neben Marduk der zweite Headliner des Abends, unbedingt sehen möchte. Allerdings siegt nun endgültig die Müdigkeit, welche nun auch deutlich auf die persönliche Stimmung drückt. Auch der Sound lässt hier mehr als zu wünschen übrig, sowohl Gesang als auch die Akkordeonistin sind kaum zu hören. Schade für die eingefleischten Fans, aber gut für mich, denn nun kann ich zumindest ein wenig Schlaf nachholen. Einziger Wermutstropfen dabei: Die Ambient Black Metaller Todtgelichter habe ich nun leider verpasst, aber ihr Auftritt soll in den Augen von Renés Kollegin Franzi einer der besten überhaupt gewesen sein.

 

aebaDer Samstag beginnt mit Rabenwolf und Wind Rose, welche ich jedoch beide auslasse und deshalb erst zum Auftritt der Kieler Lokalhelden Aeba in der Halle bin. Diese alte Kieler Black Metal Größe existiert eigentlich schon länger nicht mehr, allerdings hat man sich zum Bandjubiläum noch einmal zusammengerauft und spielt drei exklusive Shows in Deutschland, eine davon also auf dem Ragnarök. Der Auftritt der Nordlichter ist sehr überzeugend, die jahrelange Trennung ist den Musikern kaum anzumerken. Auch der Sound ist diesmal tatsächlich so gut, dass er zumindest nicht negativ auffällt. Auch Frontsänger Isegrim wirkt sichtlich entspannt auf der Bühne. Gegen Ende lässt er sich sogar zu einem kleinen Gag hinreißen, als er sagt, er möge Stille, er möge sie sehr. Aber Endstille möge er nicht. Anscheinend versteht außer den anwesenden Kielern kaum einer den Joke dahinter. Alles in allem haben Aeba überzeugt und lassen das Publikum ein wenig wehmütig zurück, da es für viele das erste und letzte Mal ist, dass sie diese Formation live sehen durften.

 

ereb altorDa Grimmer mich ebenfalls nur mäßig interessieren, spare ich mir die Kraft für Ereb Altor auf. Eine gute Entscheidung, wie sich zeigt. Mit ihrem epischen Black Metal räumen die Schweden ordentlich ab. Wahnsinn, auf so einen Auftritt war ich nicht vorbereitet. Die Musik besticht in allen Facetten und auch am Sound gibt es diesmal wenig auszusetzen. Neben den meisten eigenen Songs wird ein Cover vom aktuellen Bathory-Coveralbum präsentiert. Das Soloprojekt zählt mit zu den Haupteinflüssen ihrer Musik. Diese Show kann ruhigen Gewissens als weiteres Highlight des Festivals verbucht werden.

 

minas morgulZugegeben, die Musik der nun folgenden Minas Morgul konnte ich noch nie besonders leiden, aber gut, da ich nun einmal hier bin, gebe ich mir ihren Auftritt von der Tribüne aus. Ich hätte es lassen sollen. Abgesehen davon, dass die Show auch eher mittelmäßig ist, ist die Aussteuerung der Ausdruck einer wahren Katastrophe. Der Gesang ist völlig übersteuert, woran auch im Verlauf nichts geändert wird, sodass man sich gut fragen kann, ob das nicht Absicht ist. Absicht oder nicht, meinen Geschmack trifft's auf jeden Fall absolut nicht, sodass ich nach gut der Hälfte die Flucht ergreife, um meine Ohren auszuruhen und ihnen eine Pause zu gönnen.

 

the vision bleakDer Sound bei Saille und Wolfchant erweist sich als deutlich besser, letztere Band ist sogar mit einigen kleinen Pyro Effekten auf der Bühne, weshalb wir nicht in den Fotograben dürfen. Daher gönne ich mir eine kleine Pause, um bei The Vision Bleak wieder fit zu sein. Eigentlich hatte ich die Band, welche um das Kernduo aus Sänger Tobias und Gitarrist Markus auftrat, mir nicht anhören wollen, da ich mich gefragt hatte, was eine Gothic Band auf dem Ragnarök Festival zu suchen hat. Am Ende siegt aber auch bei mir die Neugier und so finde ich mich zu Beginn im Fotograben wieder. Eine verdammt gute Entscheidung, wie sich zeigt. Die Band, heute ohne Session Basser als Quartett vertreten, legt ab dem ersten Song grandios vor und reißt das anwesende Publikum mit ihrem Mix aus Gothic und Black Metal Elementen sofort mit. Die Entscheidung, hier auf die Neugier zu hören, erweist sich als richtig und am Ende des Sets bleibe ich begeistert zurück. Allerdings ist am Merch Stand auch von ihnen keine CD zu kriegen, weshalb ich ins Händlerzelt laufe und mit Glück die letzte vorhandene Platte abstauben kann, um sie anschließend bei der Autogrammstunde für meine Freundin signieren zu lassen.

 

manegarmNach Skyforger und Nocte Obducta, welche mich nur mäßig überzeugen, weshalb ich sie auslasse, sind Manegarm aus Schweden an der Reihe. Pagan habe ich eigentlich genug gehört, denke ich. Aber Manegarm veranlassen mich dazu, trotzdem zu bleiben und ihnen zuzuhören. Irgendwie schaffen es die Jungs, sich vom Rest ziemlich gut abzuheben und ihren skandinavischen Folkeinfluss auch durch den Einsatz der Geige deutlich geltend zu machen. Durch die Performance zweier Akustiksongs sammeln sie bei mir noch einmal zusätzliche Pluspunkte. Klasse, das ist wirklich gelungen!

 

eluveitieNun, zu etwas vorgerückter Stunde, ist der dritte der Headliner, die Schweizer Pagan Metal Titanen Eluveitie an der Reihe. Ihre Setlist besteht vor allem aus Songs der etwas älteren Alben. Ihre Liveenergie, für die sie bekannt sind, entfalten sie auch dieses Mal wieder. Sänger Chrigel betont gerne noch einmal die besondere Bedeutung des Ragnarök für die Band und feuert das Publikum anschließend zum Moshpit an. Aber das scheint ihm noch nicht zu reichen. Nach dem nächsten Song ruft er zum „Security Stresstest“ auf, bei dem er so viele Crowdsurfer wie möglich sehen will. Zu den alten, noch sehr Melo Death-lastigen Krachern funktioniert das auch wunderbar, sodass die Halle bald am Kochen ist. Okay, die obligatorische Ballade „Call Of The Mountain“, wieder in schweizerdeutsch gesungen, hätte man vielleicht auslassen können, aber ansonsten ein gelungener Auftritt. Absolut unverständlich ist mir allerdings, wie ein Headliner von diesem Format versuchen kann, seine Fans mit 30 Minuten Spielzeit abzuspeisen, um dann nach fünf Minuten der Zugabe Rufe noch einmal für zwei Songs auf die Bühne zu kommen, um dann zehn bis zwanzig Minuten vor Zeitablauf endgültig von der Bühne verschwinden. Also sorry Eluveitie, aber wenigstens ne kleine Ansage wär' nett gewesen. Technische Probleme können immer auftreten, Ausfälle aller Art auch, aber einfach nichts sagen und abgehen, das ist doch schon ein wenig dreist. Diese Aktion drückt dann doch nicht nur bei mir merklich auf die Stimmung und wirft ein wenig seinen Schatten über einen ansonsten sehr gelungenen Auftritt.

 

eisAuch Thyrfing sah ich nur zu den letzten zwei Songs und das, was ich höre, klingt gar nicht schlecht. Aber mein eigentliches Hauptaugenmerk lag auf Eïs, dem letzten Act des Festivals. Trotz vorgerückter Stunde sind noch sehr viele Fans in der Halle, die Kollegen im Fotograben allerdings sind auch deutlich weniger geworden, wie einer feststellt: „Wir sind die letzten verbliebenen Tapferen.“ Zu dieser Uhrzeit auch kein Wunder. Aber die Band weiß gut damit umzugehen und gibt sich sehr entspannt. Ein tiefes Brummen in der Mitte stört leider den Auftritt minutenlang, sodass ich mich frage, ob das Technikerpult überhaupt mit kompetenten Leuten besetzt ist. Mit der Aushilfe von den Kollegen von Gernothshagen an Gitarre und Drums performen sie ihren Set aber sehr überzeugend. Auf größere Animationsversuche verzichtet man allgemein, stattdessen bedankt man sich mehrmals bei den noch tapfer durchhaltenden Fans. Leider siegt auch jetzt wieder bei mir die Müdigkeit, weshalb ich mich auf den Weg zum Zelt mache. Fazit: Mein erstes Ragnarök Festival hat bei mir ein überwiegend positives Gefühl und eine gute Erinnerung hinterlassen. An einigen Stellen gibt es sicher noch einiges zu verbessern, beispielsweise ist das Soundproblem schon seit 13 Jahren bekannt und immer noch klingen einige Bands grottig in der Abmischung. Vielleicht sollten die Bands, welche ihren Sound selbst mischen, auf die Ratschläge erfahrener Tontechniker hören bzw. sich mit den Hallentechnikern abstimmen. Ansonsten ist die Atmosphäre des Festivals eine sehr schöne, durch die nahe gelegenen Läden muss man nicht alles von Zuhause mitbringen, was besonders für Zugreisende sehr angenehm ist. Die Security war im allgemeinen auch recht freundlich, nur an einigen Stellen wirkten sie echt leicht planlos und ein wenig inkonsequent. Da kann vielleicht auch nachgebessert werden. Zeltcamper sollten sich auf kalte Nächte einstellen, Anfang April ist es eben doch noch sehr kalt. Ich jedenfalls habe meinen zweiten Schlafsack oder eine zweite Decke vermisst. Aber Black und Pagan Metal ist nichts für Weicheier, also kann man sich drauf einstellen. Wenn es nächstes Jahr passt, dann werde ich in jedem Falle wieder die lange Reise auf mich nehmen.



Autor: Clemens Steinberg - Pics: Clemens Steinberg, René Körber (Zephyr's Odem Magazin)