...AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD - IX


Label:SUPERBALL
Jahr:2014
Running Time:47:45
Kategorie: Neuerscheinung
 

Langsam fange ich an, meine Tätigkeit als Rezensent bei CROSSFIRE wirklich zu lieben. Erst wird mir da das neue Album von Unherz serviert und dann, wieder eine Band, von der ich nie zuvor etwas gehört habe, finde ich in den Listen, das neunte Werk des amerikanischen Quartetts ...And You Will Know Us by The Trail Of Dead (kurz: Trail Of Dead), einfach mit den römischen Lettern "IX" betitelt und wurde von dem Ding so angefixt, dass ich mir schleunigst noch alle anderen auf Vinyl verfügbaren Outputs dieser absoluten Freaks sicherte. Übrigens auch ein tolles Beispiel dafür, welche Spannbreite der Metal / Rock im weiteren Sinne heutzutage so zeigt. Man muss halt nur für alles offen sein. Und wenn ich total verrückte Kerle schreibe, dann meine ich das auch so. Zum Beispiel leitet sich der ellenlange Name von ihrer Beschäftigung mit den alten Mayakulturen ab, wo entsprechende Zeile einem rituellen Gesang dieser Urindianer entnommen wurde. Conrad Keely und Jason Reece, die beiden Köpfe, ja Denker von ToD sind quasi Wissenschaftler, die Zeit ihres Lebens und das von Kindheitsbeinen an Strukturen suchten, die die unterschiedlichen, anthropogenen Kulturen miteinander verbinden, ja sich quasi wie ein roter Faden durch die Menschheitsgeschichte ziehen und dem versucht wird, auf mathematischer, physikalischer, aber auch spiritueller Ebene beizukommen. Diese Experimente, Untersuchungen und Forschungsergebnisse verarbeiten sie dann letztendlich in ihren Texten, gepaart mit Mitteln der recht experimentellen und alternativen Rockmusik. So finden sich auf ersten Alben Einflüsse der Inselwelten Südostasiens und auf nachfolgenden Werken nähert man sich dann mehr den 60ern und 70ern an und lässt sich so von The Beatles, David Bowie, Pink Floyd oder auch der britischen Pop- und Alternativ Rockband Oasis inspirieren. Nach 2000 werden zur Beschreibung ihrer Musik auch Begriffe wie Emocore, ein Subgenre des Hardcore - Punks mit Vertretern wie z. B. Embrace und Fugazi, verwendet. "Worlds Apart" aus 2005 zeigte auch sehr poplastige Züge und spätestens seit "Tao Of The Dead" aus 2012 und dem nachfolgenden "Lost Songs" kann man eigentlich nur noch von Ultraproggern sprechen, deren Markenzeichen atmosphärische Melodien mit wechselnd dichten / wabernden Soundteppichen, angelegt in frühesten Phasen von The Who, Rush, Pink Floyd oder auch Asia und Yes, darstellen.

Das neue Opus, dessen Name "IX" sich, wie ursprünglich sicher von jedem gedacht, mitnichten auf ihren neunten Longplayer, sondern auf einen Planeten aus dem bekannten Roman / Film "Dune - Der Wüstenplanet" bezieht, eröffnet mit "The Doomsday Book" und bereits hier führen die Vier den gewillten Hörer in tolle atmosphärische Melodien mit einem klasse abgemischten Schlagzeug von Jamie Miller ein. Die Vocals kommen irgendwie verzehrend eher aber modern, ein bisschen nach Wave und Gothic wie bei Cure klingend oder auch im Alternativ Rock oder Artrock angesiedelt wie bei z. B. Muse daher. "Jaded Apostles" erinnert im Intro ganz kräftig an Ansätze aus dem Retro- / Classic Rock, wie das z. B. The Vintage Caravan gerade in Perfektion zelebrieren. Die Keyboards, oder sagen wir besser Tasten, kommen hier sehr experimentell daher und die Vocals erinnern hier bereichweise an frühere Zeiten der Band, als selbige noch mehr im Emocore agierte, halt etwas punkig aber nicht wirklich rotzig. Der große Rest des Tracks ist eher im Postrock angesiedelt. Dem Genre folgend geht es in das flottere mit dichten, kräftigen Soundteppichen unterlegte "A Million Random Digits" über mit hier wieder leicht punkigen, aber durchaus auch rockigen und hier mitnehmenden Vocals. "Lie Without A Liar" ist ein deutlicher Angriff auf die Popcharts mit tollem Chorus, puren Akustikgitarren, modern aufgemischten Melodien und im Hintergrund sehr experimentellen Klängen und hier und da auch mal ein kräftiges Riff. Auch "The Ghost Within" mit Klavier und exzellentem Gesang, ja höre ich da vielleicht einen Bono von U2 heraus?, das sich immer weiter hochschraubt, gehört in jedes Ohr heutiger Teenies gepresst. Ganz locker und flockig, ja fast wie aus dem Ärmel geschüttelt, kommt dann "The Dragonfly Queen" daher, mit irgendwie einer Stimme, die an einen hellen Bryan Adams erinnert und auch hier, ganz filigrane, tolle Gitarren. Song Nr. 7 titelt mit "How To Avoid Huge Ships". Für mich der absolute Hörgenuss. Wenn mich meine Ohren da nicht ganz täuschen, prägen das durchgängige Instrumental schwere Gitarren, Keyboards, wahrscheinlich Hammond Orgeln, sicher aber dunkle Streicher und phasenweise rein gehämmerte Klaviertasten und wie eine Welle zu einer Killerwelle, ja zu einem Tsunami heranwächst, so baut dieses Arrangement eine unglaubliche Kraft, Spannung, Theatralik  auf und bricht dann im Finale quasi in sich selbst zusammen. Cineastisch, unglaublich, ja legendär. "Bus Lines" beginnt irgendwie dunkel, der Begriff Doom ist hier sicher viel zu hoch gegriffen, und geht dann in einen Postrocker oder ist das nicht doch eher Nu Metal der ruhigen Art über. Egal, wieder tolle Melodien, sehr poppig, proggig aber richtig gut und wieder diese Klangvolumina und am Ende, die schon mehrfach gehörten und wirklich gleichermaßen tollen wie sanften Akustikgitarren. Im letzten Drittel die nu metallischen Ansätze, aber kräftiger mit fetten Gitarren und irgendwie auch derbster Britpop. "Lost In The Grand Scheme" ist wesentlich kräftiger, rauer ja ein bisschen rotziger inszeniert und schafft wieder Vergleiche zu der damalig etwas punkigeren Ausrichtung. Aber auch hier eine klasse Verbindung fast sphärisch daher kommender Keyboards im Stile von Pink Floyd mit aggressiv-proggigen Rockelementen. "Like Summer Tempests Came His Tears" beinhaltet traumhafte Klavierweisen mit ebenso schönen Streichern und in den derberen Parts ganz viel Apocalyptica, nur nach meinem Geschmack viel besser, weil einfach unglaublich toll inszeniert mit ganz viel Percussion und insbesondere weil man hier damit gar nicht rechnet. Und als Rausschmeißer "Sound Of The Silk". Anfangs ein schön poppiger Progger für die Ladys mit ein bisschen Postrock, etwas Beatles, ganz im Hintergrund ein Dudelsack und, ja ich denke, afrikanischen Trommeln und am Ende? Chaos, das totale Durcheinander und Rotz und Punk.

Fazit: Trail Of Dead sind vier exzellente Musiker, ja Genies in Sachen Arrangements und Kompositionen und dazu sicher ganz schlaue, aber ebenso verrückte Köpfe, die mit "IX" bestimmt keine leicht verdauliche Kost aber feinste proggige Passagen mit trotz allem sehr eingängigen Songstrukturen und teils wahrem Chartcharakter geschaffen haben. Für eine Höchstbewertung viel zu komplex, aber ich kann nur jedem aufgeschlossenen Rockfan, er muss kein Progger sein, raten, sich dieses Opus ausführlichst zur Gemüte zu führen.

Note: 8.5 von 10 Punkten
Autor: Andreas Gey


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