BLAZE BAYLEY - Von Wolfsbane über Iron Maiden zum Solo-Musiker


Wenn der Sohn Daten vom alten Handy auf das neue spielen soll, weil der Vadda zu blöd ist, geht in der Hektik schon mal was daneben. So gingen satte vierzehn Interviews verloren, die ein Profi wieder herstellen musste. Es war zu viel Zeit und Spaß, die alten Dinger einfach ad acta zu legen. Nun also in regelmäßiger Reihenfolge: The Lost Interviews. Nummer Eins mit Blaze Bayley. Blaze kam aus dem Haufen Wolfsbane in unsere Wohnzimmer. Eine kleine britische Rock- und Metalband, die zumindest mit dem Hit „I Like It Hot“ punkten konnte. Dann ersetzte er Mitte der 90er-Jahre Bruce Dickinson bei Iron Maiden für satte zwei Alben. Kontroversen waren an der Tagesordnung. 1999 kam es zur einvernehmlichen Trennung und bis dato ist der Sänger auf Solopfaden…aber manches Mal mit den alten Recken von Wolfsbane auf der Bühne.

logoSteve: Wo fangen wir an, haha? Lass doch mal die letzten zwei Jahre Revue passieren…

Blaze: Well, ich bin seit geraumer Zeit ein absoluter Solo-Künstler. Ich habe mir Paul Di`Anno ein bisschen zum Vorbild genommen. Ich fand als Underground-Musiker ein festes Line-up einfach zu stressig. Ich bin nicht die Legende von Iron Maiden, sondern nur der interessante, mittlere Sänger. Natürlich gibt es Fans, die mich wirklich zu schätzen wissen und mich lieben, aber wenn ich weiterhin am Ball bleiben will, muss ich die Dinge selbst in die Hand nehmen. Man muss selbst immer wieder die Kontrolle übernehmen, um den Traum des Musikers weiter zu leben. Paul und ich hatten dieses tolle Angebot aus Russland, Paul gegen Blaze. Wir spielten sechzig Prozent vom Iron Maiden Material und vierzig Prozent eigenes Zeug, aber es war eine Doppel-Headliner-Show. Danach ging es in der Ukraine weiter. Alles war sehr erfolgreich und es war der richtige Weg. Und trotzdem sind wir beide komplett unabhängig. Ich habe mehr verkaufte Alben, mehr Auftritte und die Leute nehmen mich besser auf. Das ist ein großer Vorteil gegenüber zu früher. Trotz der Alben nach dem Ausstieg bei Iron Maiden und allem Drumherum erreichte ich kein Ziel. Ich kam nirgendwo an. Das hat sich in den letzten beiden Jahren absolut geändert. Jetzt bin ich da wo ich hin wollte.

Steve: Du hattest ja einen Deal mit Steamhammer / SPV

Blaze: Ja sicher, aber da bist du nur groß, wenn du Menschen um dich hast, die Heavy Metal verstehen. Ich habe weder den Look, die Tattoos noch bin ich ein Trend. Ich habe nicht den typischen Haarschnitt um in einem fetten Printmagazin zu landen. Jetzt habe ich lieber mein eigenes kleines Label und die Songs sind bei mir lizensiert. Die Leute sind tatsächlich mehr an Blaze Bayleys und meiner Zeit bei Iron Maiden interessiert als vorher. Früher gab es nur eine handvoll Zuschauer und heute kommen bis zu zweitausend Besucher. Mir ist es egal. Ich mag Festivals, bin aber auch gerne mit einem Raum voller Menschen mit Wohnzimmeratmosphäre.

Steve: Du hattest einen coolen, kleinen Hit in der damaligen Szene mit Wolfsbane, „I Like It Hot“. (Während ich vorsinge, verfallen wir beide in Gelächter). Was ist mit den alten Jungs los?

Blaze: Im Jahr 2010 kamen wir wieder zusammen und nahmen das Album „Wolfsbane Save The World“ auf. Das erschien dann zwei Jahre später. Wir kamen auf eine Support-Tour mit Saxon und danach gab es eine kleinere Headliner-Tournee. Das Problem ist aber wie immer das gleiche. Gerne würden wir in Deutschland oder dem Rest von Europa auf Konzertreise gehen aber niemand will uns da wirklich unterstützen. Damals gab das alte Label uns vor, wie wir vieles zu machen hätten. Man musste auf dicke Hose machen. Wir konnten nicht einfach unsere Sachen packen, selber fahren, aufbauen und auftreten. Man wollte unbedingt ein Image aufbauen. Das brach uns das Genick.

Steve: So wie in eurem Video-Clip zu „I Like It Hot“. Ihr steigt aus der Limousine aus, du hebst prunkvoll die Arme in die Luft aber kein Fan ist da, haha.

Blaze: Genau so fühlten wir uns, haha. Das aktuelle Album ist wieder Wolfsbane pur. Metal und Punk, Lieder die etwas bedeuten und ganz „wir“ sind. Wie am Anfang unserer Karriere. Nur dass wir uns heuer an andere Begebenheiten anpassen müssen. Damals waren wir jung, wohnten noch zu Hause und konnten tun was wir wollten. Nun ist es schwieriger, alle für mehr als ein paar Gigs zusammen zu kriegen. Wir sind erwachsen und haben Familie. Wir scheuen nach vorne und schließen uns alle paar Monate zusammen.

blaze Steve: Das letzte Mal sah ich dich als Gast bei Doro auf der Bühne. Jetzt sah unsere Metal-Queen gerade bei dir etwas sparsam aus. War sie mit all den Gästen und Songs überfordert? Habt ihr überhaupt geprobt?

Blaze: Es gab Proben mit „Fear Of The Dark“, aber das war das Orchester und ich. Doro hatte jede Menge zu tun und ständig die Hände voll. Aber es war ein schöner Event und es war super nett überhaupt eingeladen worden zu sein. Wir haben das ja im Headliner-Posten und dem Orchester bereits auf dem Wacken Festival gemacht, dann gab es die Classic Diamonds-Tour und es war schön eine Wiederholung zu haben. Es war richtig geil, alle von früher ein weiteres Mal zu treffen. Wir hatten viel Spaß…auch hinter der Bühne.

Steve: Ich erinnere mich noch genau, als du zu Iron Maiden gekommen bist und viele alte Fans, so wie ich auch, die als die schlechteste Wahl betrachtet hatten. Wie siehst du das heute?

Blaze: Anfangs fragte ich mich, warum ich die Wahl war. Meine Stimme klang nicht ansatzweise wie die von Bruce Dickinson.

Steve: Rööööchtööööööööög, haha!

Blaze: Aber so sollte es sein. Im Nachhinein weiß ich, dass besonders Steve Harris die Stimme von Bruce absolut satt hatte. Steve wollte sich musikalisch verändern und das ging nur mit einer anderen Stimme. Nach einer großen Anzahl von verschiedenen Sängern fand er, dass was ich mit Wolfsbane gemacht hatte, wirklich gut. Und so bekam ich den Zuschlag. Kein Stück Musik war damals für mein erstes Album mit Iron Maiden fertig. Steve meinte, egal wer was komponiert, es muss nur großartig sein.

Steve: Ergo, man schubste dich nicht in die Band mit vorgefestigtem Rahmen, sondern du hattest wirklich Spielraum?

Blaze: Oh nein, ich war an einigen Tracks beteiligt wie „Man On The Edge“, „The Aftermath“, „Look For The Truth“ und „2 A.M.“ Und das war nur für das erste Werk „The X Factor“ (1995). Ich hatte sogar Material für das dritte Opus mit den Jungs geplant. Es gab nur ein altes Problem für die Fans und das musste auch Ronnie James Dio mit Black Sabbath erleben. Wenn dein Lieblingssänger deine Lieblingsband verlässt, dann willst du, dass jemand Schuld ist. Keiner denkt, dass man sich wirklich trennen will oder musikalisch komplett eine andere Ausrichtung gestalten will.

Steve: Selbst wenn der Sänger stirbt. So wie Steve Lee von Gotthard.

Blaze: Genau! Du willst die alten Gefühle und Bindung zu deinen Heroes nicht verlieren. Jetzt habe ich eine andere Situation. Ich treffe Menschen und Fans, die mich früher überhaupt nicht ertragen konnten und mir sagen sie hätten nie ein Livekonzert mit mir und der Band gesehen, rein aus Prinzip und das nun bereuen würden. So kann das gehen. Ich habe viel von Steve Harris in Sachen Performance, Songwriting und Bandgefüge gelernt und habe diesen Spirit beibehalten. Das merkt man mir bei den heutigen Auftritten an. Und da Iron Maiden nicht so oft unterwegs ist, kann ich eine Lücke schließen. Natürlich gibt es immer noch diese Blaze Bayley Hasser. Aber ich denke, wenn mich jemand hasst, ist es eine Energie, die in Kraft setzt, was mit Liebe ähnlich ist. Keiner will nur „ok“ sein. Die anderen Fans unterstützen mich mit jedem musikalischen Wechsel und ohne Vorbehalt. Das ist ein Privileg sondergleichen für mich.

Steve: Triffst du die Jungs noch?

Blaze: Schwierig. Steve lebt auf den Bahamas und ist ja nur in seiner Tourzeit auf dem alten Kontinent anwesend. Selbst auf der British Lion Tour (andere Band von Steve Harris), wo wir parallel unterwegs waren, gab es leider kein Treffen. Ich hoffe, es klappt das nächste Mal. Er unterstützt mich aber wo er kann. Ich durfte gratis sein Studio für mein letztes Album benutzen.

blaze bayley (links)Steve: Iron Maiden Cover-Bands…magst du sie und gibt es eine die auch deine Ära mit aufgreift, oder sind es immer nur die Dickinson / Di`Anno Klassiker?

Blaze: Es gibt Formationen die den einen oder anderen Track von mir anschneiden, aber das ist nicht die Regel. Den Vorteil, den ich dadurch Paul gegenüber habe ist, wenn ich auf die Bühne gehe, hat das Lied an dem Abend wenn wir mit Tribute-Bands auftreten, noch niemand gehört. Das hat sicherlich einen anderen Effekt. Du kriegst also den originalen Shouter mit einer besseren Stimme, denn ich habe seit früher eine Menge dazugelernt. Meine Stimme klingt kontrollierter und ich profitiere von meiner Erfahrung. Aber dennoch singe ich lieber mein eigenes Material.

Steve: Zukunftspläne?

Blaze: Ich werde bald wieder ins Studio gehen, aber zuerst habe ich ein Projekt mit einer bulgarischen Band, John Steel, und dann kommt meine erste Tour in Kanada seit Iron Maiden.

Steve: Nimm mich mit, ich bin in Toronto aufgewachsen.

Blaze: Kannst du hart arbeiten?

Steve: Haha, weiter im Text…

Blaze: Ich hoffe, dass ich im Januar 2016 mit einem neuen Album glänzen kann.

 



Autor: Steve Burdelak