Daniel: Hi Stefan! Erzähl uns doch bitte zunächst erstmal, wie es zur Gründung von Witchbound kam!
Stefan: Im Sommer 2006 kam Harald Spengler alias Lee Tarot mit der Idee auf uns zu, ein Album zusammen mit den Ex-Sturmhexen Peter Langer, Ronny Gleisberg und mir aufzunehmen. Als Sänger waren Leute von befreundeten Bands im Gespräch. Wir trafen uns und spielten einfach mal drauf los. Gleichzeitig begannen Harald und ich neue Songs zu schreiben, die wir dann mit den anderen einprobten, allerdings zunächst ohne Sänger. Nach etwa einem Jahr hatten wir dann so viele Songs zusammen, dass wir mit den Aufnahmen in Haralds Studio eigentlich beginnen konnten. Es fehlten nur noch ein paar Kleinigkeiten. Leider kam es aus verschiedenen Gründen immer wieder zu Verzögerungen. Schließlich gingen einige Jahre ins Land, und als er 2013 plötzlich starb, stand das Projekt vor dem Aus. Anlässlich der Trauerfeier und des Tribute-Konzerts für ihn kamen wir dann alle wieder zusammen und beschlossen, das Projekt in seinem Sinne weiterzuführen und zu vollenden. Damals hatte sich Harald schon Martin Winkler (ebenfalls Ex-Stormwitch) mit ins Boot geholt. Mit ihm wurden die Songs nachbearbeitet, arrangiert und schließlich in dessen Studio mit Thorsten Lichtner als Sänger aufgenommen. Im Zuge des Aufnahmeprozesses beschlossen wir dann auch, uns mit Bezug auf unsere musikalische Vergangenheit Witchbound zu nennen und als Band weiterzumachen.
Daniel: Auf Eurer Homepage steht, dass Ihr das Album, das Harald Spengler/Lee Tarot geschrieben hatte, für ihn zu Ende aufgenommen habt. Ist er denn überhaupt auf dem Album zu hören? Auf seinem letzten Ausflug (Tarot´s Myst - „Odyssey“, 1999) war es ja schon so, dass er zwar alle Songs komplett geschrieben, aber nicht mit eingespielt hatte...
Stefan: Leider war Harald nicht mehr als aktiver Musiker am Album beteiligt, da die Aufnahmen erst nach seinem Tod begannen. Aber zumindest geistig war er während der Aufnahmen immer für uns präsent.
Daniel: Inwieweit wart Ihr noch am Songwriting beteiligt? War bereits alles fertig? Oder musstet Ihr noch angefangene Fragmente zu Ende basteln?
Stefan: Die Grundgerüste der meisten Songs standen bereits. Wir haben einige Parts noch etwas geändert oder neu arrangiert. Bei einem Stück („Dance Into The Fire“) hat der Text noch gefehlt; den habe ich dann später ergänzt. Hinzu kamen noch zwei neuere Stücke von Martin Winkler und mir sowie Intros und Fill-Ins.
Daniel: Wie lange wart Ihr überhaupt mit den Aufnahmen beschäftigt?
Stefan: Da gab es mehrere Phasen. Zuerst die Proben mit Harald 2006/2007. Dann haben wir nach seinem Tod nochmals jeden Song als Demo aufgenommen. Die richtigen Aufnahmen dauerten dann noch ein gutes halbes Jahr einschließlich Endmix von Achim Köhler.
Daniel: Das Album erschien über El Puerto Records. Ich muss zugeben, dass ich noch nie etwas von diesem Label gehört habe... Wie seid Ihr mit ihnen in Kontakt gekommen?
Stefan: Das Label gehört Bernd Stelzer und Torsten Ihlenfeld (Brainstorm-Gitarrist); beides langjährige Freunde von Harald. Er hatte geplant, das Album als erstes auf deren neu gegründetem Label zu veröffentlichen. So kam es dann auch.
Daniel: Wie wichtig ist es Euch als alte Recken der Szene, dass das Album auch auf Vinyl erschienen ist?
Stefan: Vinyl boomt ja wieder und es gibt viele Fans, die darauf Wert legen. Ich bin selbst in einer Zeit aufgewachsen, in der man von CDs und Downloads nur träumen konnte. Die Vinyl-Ausgabe ist auch wirklich schön geworden, mit Klappcover und toller Grafik. Das rechtfertigt auch den etwas höheren Preis.
Daniel: Hattest Du bzw. hattet Ihr noch bis zum Schluss Kontakt zu Harald?
Stefan: Wir hatten immer mal wieder Kontakt zu ihm. Anscheinend war Anfang 2013 studiotechnisch tatsächlich alles soweit, dass mit den Aufnahmen begonnen werden konnte, aber dann kam leider sein überraschender Tod dazwischen.
Daniel: Wie wichtig war es Euch, so viele Ex-Stormwitch-Musiker mit ins Boot zu holen? Bis auf Sänger Thorsten Lichtner wart Ihr ja alle mal bei der Sturmhexe aktiv...
Stefan: Das war nicht unsere, sondern Haralds Idee. Er wollte nach all den Jahren vielleicht nochmals eine geile CD mit seinen alten Weggefährten und dem Komponisten-Duo Spengler/Kauffmann veröffentlichen.
Daniel: Der einzige, der nicht aus der alten Stormwitch-Besetzung stammt, ist Martin Winkler, der erst von 2002 bis 2004 bei Stormwitch war. Wie kam er dazu?
Stefan: Harald nahm Martin schon vor seinem Tod mit ins Boot, um den Songs einen etwas moderneren Sound zu verpassen. Er ist zudem ein hervorragender Gitarrist und Produzent, wie man auf dem Album hören kann.
Daniel: War es eigentlich geplant, auch Stormwitch-Sänger Andy Mück für dieses Album zu gewinnen? Oder Tarot´s Myst-Sänger Thomas Bloch? Oder stand das nie zur Debatte?
Stefan: Das stand eigentlich nie zur Debatte. Harald wollte grundsätzlich andere Sänger für sein Projekt haben; alles Leute, mit denen er damals viel Kontakt hatte.
Daniel: Wie seid Ihr denn auf Thorsten Lichtner als Sänger gekommen? Hatte Harald ihn von Anfang an für dieses Album geplant?
Stefan: Harald war damals als Mischer mit der Coverband One unterwegs, bei der Thorsten Gitarre spielte und auch sang. Harald wollte ihn ein paar Stücke auf seinem Album singen lassen. Vor den Endaufnahmen hat er dann ein Stück probegesungen und wir wussten, das ist der richtige Mann für den Job. Er hatte auch richtig Bock darauf! Übrigens war Simone Briehl, die bei „Keep The Pyre Burning“ einen Gastauftritt hat, damals mit ihm bei One.
Daniel: Es handelt sich bei „Tarot´s Legacy“ um ein Konzept-Album, soweit ich weiß. Worum geht es genau?
Stefan: Es ist kein Konzept-Album im eigentlichen Sinne. Bei den Songs geht es überwiegend um mittelalterliche Themen, weshalb das Album ursprünglich „Dark Ages“ heißen sollte. Wir dachten dann „Tarot’s Legacy“ passt angesichts der tragischen Umstände besser.
Daniel: Ihr konntet auch Hammerfall-Gitarrist Oscar Dronjak für das Gitarrensolo in „Keep The Pyre Burning“ gewinnen. Hammerfall waren Ende der Neunziger maßgeblich daran beteiligt, dass man wieder über Stormwitch redete, weil sie „Ravenlord“ auf ihrer „Glory To The Brave“-Single coverten. Kennst Du die Version? Wie findest Du sie? Und hast Du das alles Ende der Neunziger überhaupt mitbekommen?
Stefan: Ich kenne die Version und finde sie gut, allerdings gefällt mir Andy Mücks Gesang besser. Hammerfall möge mir verzeihen.
Daniel: Ich finde, dass das Album sehr eigenständig klingt. Findest Du die Vergleiche zu Stormwitch gerechtfertigt, nur weil es im Line-Up viele Parallelen gibt?
Stefan: Wir können solche Vergleiche nicht verhindern, zumal mit Harald und mir das Komponisten-Team der ersten fünf Stormwitch-Scheiben hier am Werk war. Allerdings hören sich die neuen Stormwitch für mich schon anders an, und auch Thorstens Stimme unterscheidet sich wesentlich von Andys.
Daniel: Lass uns auch mal bitte über Stormwitch reden, weil ich ein großer Fan der Band bin! Wie kam es 1981 zu Deinem Einstieg in die Band?
Stefan: Harald und ich besuchten gemeinsam das Gymnasium und unser großer Traum war es, so bekannt zu werden wie die Beatles. Er brachte mir einiges auf der Gitarre bei, und so war ich auch schon in der Vorgängerband von Stormwitch, Lemon Sylvan, mit von der Partie.
Daniel: Nach dem fünften Album „Eye Of The Storm“ (1989) war für Dich Schluss? Warum? Woran hat´s gelegen?
Stefan: Na ja, da war für mich irgendwo die Lauft raus und ich sah keine wirklichen Fortschritte mehr. Als dann der damalige Lead-Gitarrist Wolfgang Schludi ausstieg, mit dem ich mich sehr gut verstand, nahm ich ebenfalls meinen Hut.
Daniel: Gibt es ein Album aus Deiner Stormwitch-Ära, das Du besonders oder vielleicht auch überhaupt nicht mehr magst?
Stefan: Meiner Meinung nach haben alle Alben ihre Qualitäten, aber im Nachhinein würde ich sagen „Eye Of The Storm“ ist das schwächste, da es doch etwas „weich“ ausgefallen ist.
Daniel: Hast Du Stormwitch nach 1989 überhaupt noch verfolgt? Kennst Du ihre Alben danach oder gar das neue Album „Season Of The Witch“, das erst kürzlich erschienen ist?
Stefan: Bis 1992 habe ich Stormwitch intensiv verfolgt, da war ich ja noch Mitglied der Band. Die Alben danach kenne ich zum Teil, insbesondere „War Of The Wizards“, da ich die Songs noch mit komponiert habe. Ich möchte die neuen Alben aber nicht bewerten. Das überlasse ich den Fans.
Daniel: Wurdest Du jemals von der Band bzw. von Andy Mück gefragt, ob Du zu Stormwitch zurückkehren wolltest? Habt/Hattet Ihr überhaupt noch Kontakt?
Stefan: Da gab es schon Anfragen. Es kam für mich aber auch aus privaten Gründen nicht in Frage, wieder in die Band einzusteigen.
Daniel: Wie kam es eigentlich dazu, dass Ihr Eure Namen zu Stormwitch-Zeiten auf Englisch übersetzt habt? Stefan Kauffmann heißt schließlich auf Englisch tatsächlich Steve Merchand und war Dein Pseudonym, haha!!
Stefan: Damit wollten wir international bekannter werden; Marketing-Strategie der 80er halt! Jetzt würde ich so etwas nicht mehr machen. Übrigens wenn schon, dann bitte Merchant mit „t“!
Daniel: Besitzt Ihr Witchbound-Mitglieder noch Eure alten Stormwitch-LPs? Die sind ja mittlerweile schon etwas teurer und zu wertvollen Sammlerstücken geworden!
Stefan: Na klar, die hüten wir wie unsere Augäpfel!
Daniel: Wurdest Du als deutscher Metal-Gitarrist eigentlich jemals mit dem Stefan Kaufmann verwechselt, der früher bei Accept war?
Stefan: Das kommt immer wieder mal vor, obwohl ich ein „f“ mehr im Nachnamen habe.
Daniel: Stimmt es übrigens tatsächlich, dass Du zwischen 1989 (Ende von Stormwitch) und 2014 (Witchbound) gar keine Musik gemacht hast? Warst Du noch aktiv? Oder hast Du der Metalszene vielleicht sogar in der Zwischenzeit völlig den Rücken gekehrt?
Stefan: Nachdem ich 1992 bei Stormwitch ausgestiegen bin, war ich längere Zeit nicht mehr in der Heavy-Szene aktiv. Seit 1994 bin ich Mitglied einer Coverband namens Quasi Musici. Ich gebe offen zu, dass ich ein Faible für die Musik der 60er wie Beatles und Konsorten habe, die diese Band hauptsächlich spielt. Das heißt aber nicht, dass ich gar keinen Rock/Metal mehr gehört habe! Mein musikalischer Horizont ist eben sehr breit gefächert, von Klassik bis Gothic und Pagan Metal ist da vieles vertreten. Entsprechend groß ist meine Platten- und CD-Sammlung.
Daniel: Wie sehen Eure Zukunftspläne mit Witchbound aus? Werdet Ihr live spielen? Gibt es noch andere Fragmente von Lee Tarot, die es fertigzustellen gilt? Oder werdet Ihr die Band vielleicht trotzdem einfach in seinem Namen weiterführen?
Stefan: Zunächst möchten wir natürlich live spielen. Deshalb haben wir jetzt eine Booking-Agentur mit ins Boot geholt. Dann werden wir an neuen Songs arbeiten. Es gibt noch ein paar Fragmente bzw. unfertige Songs aus der Zeit mit Harald. Wir wissen aber noch nicht, ob wir diese oder nur neues Material auf der nächsten Scheibe verwenden werden. Ich habe schon einige Ideen, und ich bin auch gespannt auf die Beiträge der anderen Witchboundler…
Daniel: Na gut, Stefan! Die letzten Worte gehören Dir!
Stefan: Illegale Downloads machen Bands kaputt! Bitte kauft unser Album! Und: Wir sind nicht mehr die jüngsten, aber gehören noch lange nicht zum Altmetall!!!
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WITCHBOUND - Ein Vermächtnis der Sturmhexe
Vor zwei Jahren verstarb Ur-Stormwitch-Gitarrist Harald Spengler, der auch unter seinem Pseudonym Lee Tarot bekannt war, mit nur 50 Jahren. Nach fünf Alben trennten sich er und seine Ex-Band. Danach war von ihm kaum noch etwas zu hören. 1999 erschien jedoch ein Album, auf dem er zwar nicht gespielt, aber alle Songs dafür geschrieben hatte: „Odyssey“ von Tarot´s Myst. Und kürzlich kam, wie aus dem Nichts, „Tarot´s Legacy“ von Witchbound auf den Markt. Wieder hat er nicht drauf gespielt, aber alles dafür geschrieben. Neben dem Bandnamen führen auch vier der fünf Mitglieder dieser Band – alle bis auf den Sänger nämlich - wieder Richtung Stormwitch, denn hier sind mit Gesprächspartner und Gitarrist Stefan Kauffmann auch Bassist Ronny „Pearson“ Gleisberg und Drummer Peter Langer von der klassischen Stormwitch-Besetzung mit dabei, ebenso wie Zweitklampfer Martin Winkler, der von 2002 bis 2004 in der Band war. Ob Witchbound nur eine Eintagsfliege sind oder tatsächlich auch über Lee Tarot´s Tod hinaus weiter existieren, erfahrt ihr hier:
Autor: Daniel Müller