BLACK SABBATH - SABBATH BLOODY SABBATH


Label:VERTIGO
Jahr:1973
Running Time:42:35
Kategorie: Classics
 

Diese Scheibe stand damals neben dem Plattenspieler von meinem Onkel. Das Cover habe ich mir bei jedem Besuch im Hause meiner Oma immer sehr lange beschaut und versuchte zu begreifen, was auf dem Bild dargestellt wird. Ebenso das relaxtere Backcover, auf dem der Protagonist des Frontcovers offensichtlich im Sterben liegt, oder einen bösen Traum erlebt. Ehrfürchtig hielt ich das Gatefoldcover, in dessen Innencover ein alt möbliertes Schlafzimmer mit Fotomontagen von Umrissen der Bandmitglieder übereinander lagen. Das hatte zusammen mit den anderen beiden Bildern etwas gespenstisches und gefährliches, und doch auch etwas wohliges. Da leistete Coverzeichner Drew Struzan ganze Arbeit, wofür er heute noch gehuldigt gehört. Der Sound, den diese Scheibe von sich gab, hatte definitiv Wirkung auf mich. Sie klang ganz anders als das Zeug, was man im Fernsehen und im Radio vorgesetzt bekam. Die Lichtorgel im Zimmer meines Onkels schien nur zu Ozzy’s schneidenden Vokalexpressionen zu flackern, während ich versuchte, die Klänge in den Kontext zu den Bildern der Plattenhülle zu bekommen. Und diese Klänge waren und sind nicht von dieser Welt.

BLACK SABBATH-sabbath bloody sabbath innen CLASSIC 2012Dieses Riff, eigentlich DAS Riff von Tony Iommi überhaupt, zieht den Hörer sofort in seinen Bann, und lässt auch nicht wieder los. Entstanden ist es zusammen mit dem Titelstück „Sabbath Bloody Sabbath“ und der ganzen Scheibe in einem Schloss in Wales, wo man für das Album in die Richtige Stimmung kommen wollte, weil es der Band im Record Plant Studio im sonnigen Kalifornien nicht gelang. Scheinbar war das auch die richtige Entscheidung, gemessen am uns allen bekannten Endergebnis. Und tatsächlich soll es dort so gespukt haben, dass man in dem Gemäuer nicht übernachten wollte. Obergroover “A National Acrobat” lebt von der Iommi-Gitarre, die mit ihrem Riff eine ganze Geschichte zu erzählen scheint. Charakteristisch auch der prägnante, nicht enden wollende Mittelpart, und die aneinandergereihten Soli bis zum Schluss. Das ist allerhöchste Schule von Meister Iommi. Kaum zu glauben, dass dieser Mann, welcher als der wichtigste Gitarrist im Heavy Metal betitelt wird, sich bei der Arbeit in einer Fabrik zwei Fingerkuppen seiner rechten Hand wegstanzte, und bis heute mit Prothesen spielt. Mit “Fluff” liefert die Band eine vierminütige Erschlaffungshymne, welche auch gern nach Konzerten aus der Konserve abgespielt wird, wenn das Hallenlicht wieder angeht. Ein mehrstimmiges Gitarrenstück zum Fallenlassen und Seele baumeln lassen. Zum sehr starken „Sabbra Cadabra“ muss jedoch wieder von Erektionen gesprochen werden, denn hier vereinen die vier Wahnsinnigen alles bislang musikalisch Erreichte in einem Song, der in seiner Kompaktheit trotzdem auf sechs Minuten Laufzeit kommt. Zündende Riffs, Melodien, Gesangslinien, langsamere Parts, und auch Keyboards ergeben eine besondere Würze, die auch Metallica erkannt haben, als sie den Song zum Covern auswählten. Textlich handelt das Stück von den sexuellen Erlebnissen Geezers mit seiner damaligen Freundin, womit der Gegensatz zum Track zuvor abschliessend erklärt ist.

BLACK SABBATH-sabbath bloody sabbath back CLASSIC 2012Ein weiterer Gegensatz in sich beinhaltet der erste Titel der zweiten Seite, „Killing Yourself To Live“. Ein Song, den Geezer im Krankenhaus schrieb, in dem er wegen Alkoholproblemen weilte, wie auch später Drummer Bill Ward. Aus dem Missbrauch von Alkohol und Drogen machte auch niemand aus der Band einen Hehl, auch nicht aus ihrer Erkenntnis, dass sie mit ihnen eine Sackgasse erreicht haben. Nun, alle vier Members sind gut vierzig Jahre später noch am Leben, und stehen im Begriff, eine weitere Reunion durchzuziehen. Abgespacete Keyboards läuten das langsamere „Who Are You“ ein. Die Tasteninstrumente auf der ganzen Scheibe wurden von Ozzy und von Rick Wakeman (Yes) eingespielt, und letzterer war als Gast auch bei den Liveauftritten mit dabei. Groovige Akustikparts wie in „Looking For Today“ machen die Platte aus, nicht in einem Gesamtsound zu versinken, und den relaxten, akustischen Mittelteil habe ich immer in Assoziation mit dem Backcover gesehen. Ein weiterer Akustikpart leitet die fünfeinhalb Minuten von „Spiral Architect“ ein, jener Song, der eine ganze Geschichte zu erzählen scheint, und durch seine Theatralik mir immer wie ein Achtminüter vorkommt. Eine neu gewonnene Stärke der Band, die sich später auf „Technical Ecstasy“ fortsetzt. Dieser Song wurde auch von den finnischen Cellowürgern von Apocalyptica gecovert. Dieses Album war das fünfte der Band, und erschien nach „Vol. 4“ von 1972 und vor „Sabotage“ von 1975, erreichte in England Platz vier der Albumcharts und enthält die erste Eigenkomposition von Ozzy, doch die Credits aller acht Tracks werden mit „Black Sabbath“ angegeben, ebenso die Produktion. Diese Scheibe ist aus der Sammlung eines jeden Metalfans, geschweige denn aus der Discographie nicht mehr wegzudenken. Die Truppe aus Birmingham um den verrückten Ozzy befand sich in einer Phase, in der viel experimentiert wurde. Man verwendete reichlich Synthies und löste sich etwas von ihrem erdigen Grooves, die die Band bekannt gemacht haben. Trotzdem zählt diese Scheibe zu ihrem grössten Outputs, Geezer Butler spricht bei „Sabbath Bloody Sabbath“ sogar von dem Höhepunkt ihrer Karriere. Wer will da noch widersprechen…?

Line-Up:
Tony Iommi - Guitar
Ozzy Osbourne - Vocals
Geezer Butler - Bass
Bill Ward - Drums and Percussion

Seite 1: Sabbath Bloody Sabbath, A National Acrobat, Fluff, Sabbra Cadabra

Seite 2: Killing Yourself To Live, Who Are You, Looking For Today, Spiral Architect

 

 

 

 

 

 

Note: 9.5 von 10 Punkten
Autor: Joxe Schaefer


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